Читать книгу TERRA FUTURA - TESECO im Einsatz (5): Testflug zum Deneb - Walter Berner - Страница 6
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Оглавление„Ein kurzer Hinweis an die Passagiere unseres Fluges: in wenigen Augenblicken verlassen wir den Hyperraum und fliegen den Passagierraumhafen LUNAR STELLAR auf dem Erdmond an. Die restliche Flugzeit beträgt nur noch etwa 15 Kleineinheiten. Aktivieren Sie ihren Kabinenmonitor, wenn Sie die Schlussphase des Fluges miterleben möchten. Begeben Sie sich dann beim Ertönen des Gongs zur Hauptschleuse des Schiffes. Ende der Durchsage.“
Thoo-Aran-Akima war bei den ersten Worten der eben beendeten Durchsage aus dem leichten Schlummer, in den er verfallen war, hoch geschreckt. Jetzt streckte er sich erst einmal, dass die Gelenke knacksten, dann rief er „Bildschirm ein“ in den Raum. Der Kabinenservo reagierte sofort und die große Bildfläche, die fast die gesamte Stirnseite seiner kleinen Kabine einnahm, erhellte sich blitzschnell. Noch konnte der Noraki nichts anderes als das blaugraue Wallen des Hyperraums erkennen, doch nur ein paar Atemzüge später änderte sich das Bild. Waagerechte Schlieren und Blitze zuckten darüber hinweg, während das norakische Passagierschiff wieder in den Normalraum zurückfiel. Dann war das Bild von einem Moment zum anderen klar. Eine graue, staubbedeckte Kugel nahm die Hälfte des Bildes ein. Und daneben leuchtete ein blau-weißes Juwel im All. Es war ein atemberaubender Anblick, der den jungen Raumsoldat sofort in seinen Bann schlug. Selbst Nor-Akima, sein Heimatplanet, konnte vom All aus nicht schöner und prächtiger sein!
Der Heimatplanet der Terraner wanderte langsam aus dem Bild, während die staubgraue Scheibe des einzigen Trabanten immer größer wurde. Auf seiner Oberfläche konnte der Noraki die künstlichen Strukturen der menschlichen Siedlungen und Stationen ausmachen. Thoo-Aran-Akima fand es dabei wenig verständlich, wie man dauerhaft auf einer atmosphärenlosen, öden Welt wohnen konnte. Doch offensichtlich schien so etwas für Terraner völlig normal zu sein. Eine interessante Eigenschaft, wie der junge Mann fand.
Die letzten Kleineinheiten vergingen schnell und so fand sich der norakische Raumfahrer nach Erledigungen der Einreiseformalitäten ein wenig hilflos im riesigen Ankunftsbereich des größten Passagier-Raumhafens des solaren Systems wieder. Da sein Flug vorzeitig sein Ziel erreicht hatte, war sein Empfangskommando noch nicht vor Ort eingetroffen und er musste notgedrungen auf diese Leute warten. Ein einziger Noraki unter tausenden von Zweiaugen, die ihm aus diesen ganz unterschiedlich motivierte Blicke zuwarfen. Und obwohl sich die Physiognomie der Buntgesichter von der der Noraki unterschied, war Thoo doch in der Lage, einige Gemütsregungen daraus abzulesen. Mal waren die Blicke neugierig, dann misstrauisch, einige wenige spiegelten Abscheu oder Zorn wieder, viele zeigten sich überrascht, interessiert und auch freundlich. Die Vielzahl der Eindrücke und Emotionen überforderten den jungen Mann fast und er musste den Impuls unterdrücken, sich unter dieser visuellen Last nicht um seine eigene Achse zu drehen oder davonzulaufen, als plötzlich etwas an seinem linken Hosenbein zerrte. Thoo-Aran-Akima konnte ein leises Erschrecken nicht verhindern und so senkte er rasch und voll innerer Anspannung seinen Blick. Vor ihm stand ein junges Menschlein, mit goldfarbenem, lockig gewelltem Haarbewuchs, und es hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt, um ihn aus seinen beiden blauen Augen von unten herauf forschend anzuschauen.
Der Noraki entspannte sich sofort wieder ein wenig, denn körperliche Gefahr drohte ihm von diesem … diesem niedlichen, kleinen Mensch sicherlich keine. Tatsächlich empfand Thoo den Anblick des kleinen Wesens als niedlich, obwohl er nicht in das übliche Schema für einen Angehörigen seiner Art passte. Doch gleichzeitig fürchtete er sich ein wenig davor, was es wohl zu ihm sagen würde. In seiner Heimat galt das Sprichwort, dass Wahrheiten, die von unschuldigen Kindern verkündet wurden, am meisten trafen, da diese sie ohne Berechnung aussprachen. Und der erste Kontakt zwischen Menschen und Noraki fand schließlich unter den denkbar schlechtesten Voraussetzungen statt.
Das Menschlein öffnete seinen Mund und sprach ein paar Worte. Thoo war froh, dass er zuvor im Gebrauch der hiesigen Sprache unterwiesen wurde, dem TerTa, ein für Noraki einfach zu erlernendes Idiom, dessen blumige und vor allem metaphernreiche, bildhafte Ausgestaltung trotzdem so seine Klippen hatte.
„Wer bist denn du?“, verstand er die neugierige Frage des kleinen Terraners problemlos.
Thoo stellte seine Reisetasche ab und ging vor dem kleinen Mensch auf die Knie, so dass sich beide Gesichter in etwa auf gleicher Höhe befanden.
Er versuchte sich in einem freundlichen Lächeln, mit dem Menschen ihre freundliche Gesinnung ausdrücken konnten. Dafür hatte er lange vor dem Spiegel geübt. So lange, bis er eine Gesichtsmuskelkater bekam. Doch immerhin konnte er nun seine Mundwinkel relativ problemlos in die für Noraki ungewohnten, erhöhten Positionen bewegen.
„Ich heiße Thoo-Aran-Akima, und ich bin ein Noraki“, antwortete er mit sanfter Stimme. „Und wer bist du?“
„Mein Name ist Cindy, und ich bin ein Mädchen“, antwortete das Menschenkind. Dann legte es den Kopf schief und bedachte Thoo mit einem sehr nachdenklichen Blick.
„Habt ihr nicht eine Sonne kaputt gemacht?“, fragte es dann unvermittelt.
Thoos beide Herzen schienen einen Sprung zu machen. Dann hörte er die bestürzt klingende Stimme einer Menschenfrau rufen: „Cindy! Was machst du denn da? Du bist sehr unhöflich zu dem … dem Fremden!“
Thoo schaute sich nach der Sprecherin um und seine drei Augen erspähten eine Frau, die das gleiche, gepunktete Gesicht aufwies, wie das kleine Mädchen. Also handelte es sich dabei bestimmt um die Mutter.
„Ist schon in Ordnung, meine Dame“, sagte Thoo freundlich zu der Frau. „Cindy hat doch recht!“
Und wieder an das Mädchen gewandt, fuhr er fort: „Ja, Cindy. Wir haben viele Dinge nicht gleich richtig verstanden und haben aus einer großen Dummheit heraus eine Sonne gesprengt. Das tut allen Noraki unendlich leid. Glaubst du mir das?“
Das Mädchen trat einen Schritt zurück, stemmte ihre Händchen in die Hüfte, legte den Kopf schräg und schaute Thoo aus zusammengekniffenen Augen an.
„Das mit der Sonne war echt doof von euch ...“, sagte sie dann und brachte ihren Kopf wieder in eine normale Position. „Aber dann habt ihr uns vor den blöden, schwarzen Schiffen gerettet. Darum mag ich euch!“
Bevor Thoo-Aran-Akima irgend etwas darauf erwidern konnte, trat die kleine Cindy an ihn heran und umarmte ihn herzlich. Völlig verblüfft erwiderte Thoo die Umarmung des Mädchens.
„D... danke, kleine Cindy!“, stotterte er, überwältigt von der ihm entgegengebrachten Sympathie. „Ich mag Dich auch!“
Als dann noch um ihn herum die anwesenden Menschen zu applaudieren begannen, eine Geste, die auch den Noraki nicht unbekannt war, traten ihm vor Rührung und Überwältigung Tränen in die drei Augen. Da er wusste, dass dies auch den Menschen gegeben war, fühlte er auf einmal eine tiefe Verbundenheit mit diesen zweiäugigen Norakiden. Besser hätte er im Sonnensystem der Erde gar nicht empfangen werden können. Er spürte in diesem Moment, dass alles Trennende zwischen beiden Völkern überwunden werden konnte.
„Nun ist aber gut, Cindy“, sprach da wieder die Mutter des Mädchens und legte ihr ihre Hand auf die kleine Schulter. „Du machst den netten Herrn ja ganz verlegen!“
„Ist gut, Mami!“, rief das kleine Mädchen und entließ Thoo wieder aus ihren Armen.
Der erhob sich auch wieder und wischte sich rasch die Tränen aus seinen Augenwinkeln.
„Sie haben da eine ganz liebe kleine Tochter!“, sagte er zu der Frau.
„Danke, das ist nett von Ihnen“, erwiderte diese lächelnd. „Und: willkommen im Sonnensystem!“
Dann nahm sie ihre Tochter an die Hand, die Thoo-Aran-Akima schnell noch einmal zuwinkte, bevor die beiden dann in der Menschenmenge verschwanden.
Dem Noraki war mit einmal befreiend leicht um seine Herzen geworden. Nach diesem unerwartet herzlichen Empfang auf dem Erdmond sah er der kommenden Aufgabe, bei der er viele irdischen Wochen lang fast ausschließlich unter Menschen verbringen würde, wesentlich optimistischer entgegen, als vor Antritt seiner Reise hierher.
„Thoo-Aran-Akima?“, vernahm er da eine fragende, männliche Stimme hinter sich.
Der Noraki wandte sich um und erblickte zwei Männer, deren Alter er allerdings mangels Erfahrung nicht einzuschätzen in der Lage war. “Ja, der bin ich“, gab er sich zu erkennen.
Der eine der beiden, der im Gegensatz zu seinem Begleiter ein unbehaartes Gesicht hatte, verschränkte beide Hände mit den Handrücken nach außen vor seiner Brust, und neigte leicht den Kopf – es war die norakische Art der Begrüßung, wie Thoo angenehm berührt registrierte.
„Mein Name ist Malte Thorson“, stellte sich der Mann vor, nachdem Thoo die Begrüßung auf die gleiche Art erwidert hatte. „Mein Begleiter Frank Beaujeune und ich kommen im Auftrag des Ministeriums für außerplanetare Angelegenheiten. Wir dürfen Sie abholen und in Ihre Unterkunft begleiten. Minister Botulesi wird Sie in wenigen Stunden persönlich begrüßen und willkommen heißen. Und in fünf Erd-Standardtagen wird die künftige Crew der N'YAN NOR einander vorgestellt, bevor dann alle in die zweimonatige Schulungs- und Trainingsphase eintreten werden. Wären Sie so freundlich uns zu begleiten?“
„Ich bedanke mich für den Empfang“, entgegnete Thoo. „Mein Gepäck ...?“
„Wird bereits zu ihre Unterkunft in Luneville gebrachte“, erklärte Frank Beaujeune. „Wenn wir mit Ihnen dort eintreffen, wird es da bereits auf Sie warten.“
„Wirklich gut organisiert!“, lobte der Noraki. „Dann lassen Sie uns mal gehen!“
Die ungleiche Gruppe brach auf und unter angeregtem Geplauder steuerten sie den LTT-Bahnhof des Raumhafens an. Thoo-Aran-Akimas Abenteuer unter den Menschen hatte begonnen ...