Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 156
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Es herrschte Halbdunkel. Der schwere Geruch von Räucherstäbchen erfüllte den Raum. Auf dem Boden waren Kerzen. Ihre Lichter flackerten in der leichten Zugluft der Belüftungsanlage.
Die Kerzen waren in einer ganz bestimmten Weise angeordnet.
Sie bildeten drei Kreuze.
Drei Kreuze aus Licht.
Alle Anwesenden trugen weiße Gewänder. Ein dumpfer Singsang erfüllte den schmucklosen Raum. Der innere Kreis der Anwesenden saß um die Kerzen herum mit überkreuzten Beinen auf dem Boden. Die Männer und Frauen, die den äußeren Kreis bildeten standen in Dreiergruppen beieinander.
Josiah Morgan saß auf einem erhöhten Podest.
Er hatte die Hände gefaltet und die Augen geschlossen.
Der selbsternannte Prophet schien in äußerster Konzentration begriffen zu sein. Sein Gesicht wirkte angespannt.
Dann öffneten sich plötzlich seine Augen.
Er hob die Hände.
Der Singsang verstummte augenblicklich. Die leicht entrückt wirkenden Gesichter der Anwesenden waren auf ihren Propheten gerichtet.
Josiah Morgan sprach mit leiser, sonorer Stimme. In dem kahlen Raum herrschte eine verhallte Akustik, die sie bedeutungsvoll klingen ließ.
"Es ist soweit, meine Brüder und Schwestern. Die letzten Tage sind gekommen. Ich habe das Kommende vor mir gesehen! Vor meinem inneren Auge... Das große Sterben der Unreinen wird bald beginnen. Und wir werden alle sehr stark in unserem Glauben sein müssen, um nicht in den Strudel des Verderbens gerissen zu werden!"
Josiah Morgan machte eine Pause.
Er faltete die langfingerigen Hände und atmete tief durch.
"Die große Stunde ist nahe, lasst uns ihr in Zuversicht entgegen sehen!"
"So sei es!", antwortete der Chor der AUSERWÄHLTEN.
Josiah Morgan ließ den Blick schweifen. Seine falkenhaften Augen musterten einen nach dem anderen. Die AUSERWÄHLTEN hingen an seinen Lippen wie Süchtige an der Nadel. Ihre Gesichter waren verklärt.
"Es gibt einige unter Euch, für die der himmlische Plan der Vollendung große Aufgaben bereithält", sagte Josiah Morgan dann. "Einige, denen der Herr besondere Glaubenskraft gegeben hat und in deren Hände er deshalb das Geschick seiner Kirche gelegt hat!"
Morgan erhob sich.
Sein Blick wurde suchend.
Dannn streckte er den Arm aus.
"Tritt vor, Bruder Melvin!", rief er.
Melvin, der sich im inneren Kreis um die Kerzen herum befand, erhob sich.
Josiah Morgan trat zu ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sein Blick bohrte sich in Melvins Augen, dem der Schauder anzusehen war, den er empfand.
"Bist du bereit, das Schwert Gottes zu führen?", flüsterte Morgan.
Melvin schluckte.
"Ja", murmelte er dann.
"Du wirst ganz auf dich allein gestellt sein... Nur dein Glaube wird dich beschützen!"
"Ja."
Der Weißhaarige wandte sich herum. Er ging zurück zu dem Podest, auf dem er wenige Augenblicke zuvor noch gesessen hatte. Ein zylinderförmiger Gegenstand war dort unter einem weißen Tuch verhüllt.
Josiah Morgan zog das Tuch weg.
Der CX-Behälter kam zum Vorschein.
Der Weißhaarige nahm ihn mit beiden Händen, drehte sich zu Melvin herum und ging mit gemessenen Schritten auf diesen zu.
Dann streckte er die Arme aus.
"Nimm dies!", forderte er.
Melvin gehorchte.
"Sei du die Sense Gottes, der Schnitter, der das Unkraut vom Antlitz der Erde tilgt!", fuhr Josiah Morgan fort.
Melvin zitterte.
"Ich werde es tun", flüsterte er. "Ich werde es tun..."
"Mein Segen sei mit dir, Bruder Melvin!"