Читать книгу Mails aus dem Jenseits - Walter Rupp - Страница 8
Lauter Überraschungen
ОглавлениеDas Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt,
ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.“
Platon
Hallo, ich bin es wieder!
Was die Leute so alles an Gottesbildern mitbringen ist beschämend. Die Theologen, die man dafür verantwortlich macht, rechtfertigen sich mit dem Hinweis, dass ihnen auf Erden eben ein sehr bescheidenes Repertoire an Wörtern und eine gänzlich unzureichende Begrifflichkeit zur Verfügung standen. Wenn ich Euch einen Rat geben darf: macht nicht den Fehler, Vorstellungen, wie sie drüben bei euch - auch von Katechismen oder Erbauungsschriften – verbreitet werden, gedankenlos zu übernehmen. Ich musste da gewaltig umdenken: Dass Gerechtigkeit nicht im Verhängen von Strafen oder im Austeilen von Belohnungen besteht, sondern darin, dass jeder das bekommt, was ihm zusteht. Das wäre bei den meisten sehr viel mehr, wenn sie eine größere Aufnahmefähigkeit mitbrächten.
Der große Dichter Dante tut mir manchmal leid, weil er sich wegen seiner ‚Göttlichen Komödie‘ häufig ironische Bemerkungen gefallen lassen muss. Er schämt sich sehr, wie er den Himmel in seinem himmlischen Spaziergang beschrieben hat. Und er ist froh, dass Gott die Sünder nicht mit den Strafen quält, die den Theologen oder Dichtern an einem Schreibtisch eingefallen sind. Nicht viel anders ergeht es dem unter den traditionellen Theologen noch immer hoch angesehenen Thomas von Aquin. Auch er muss sich von uns Jenseitigen spöttische Bemerkungen – die hier natürlich nur liebenswürdig ausfallen - anhören. Wir stellen ihm z.B. gern die Frage, die er überhaupt nicht mag: Woher er denn damals wissen wollte, dass die Verstorbenen in der Gestalt eines 33-Jährigen auferstehen. - Wir alle empfinden einen Horror bei dem schrecklichen Gedanken, wir müssten eine Ewigkeit lang in diesem unreifen und zurückgebliebenen Zustand verharren.
Fast alle Protestanten machen Luther, obwohl er seine Äußerung wiederholt widerrufen hat, zum Vorwurf, er habe sie mit seiner Behauptung, Gott setze seine Auserwählten keineswegs wegen ihrer Verdienste in den Himmel und stecke die vielen Verdammten keineswegs wegen ihrer Untaten in die Hölle, vor einem solchen Gott in Schrecken versetzt.
Unter Himmel habe ich mir Immer einen riesigen Theatersaal vorgestellt, in dem man sich ständig große Spektakel ansehen darf. Man muss erst einmal seine mitgebrachten Vorstellungen abstreifen, die sind ein Hindernis. Man hat uns ja auf Erden nie erklärt, worin das jenseitige Glück besteht? Mit dem Glück ist das so seine Sache. Der eine freut sich, weil er seine Frau nicht mehr sehen muss. Und ein anderer, dass er sie wieder sehen darf. Ich weiß auch nicht, was aus den großen Schriftstellern und Philosophen geworden ist, die man bei Euch drunten seit Jahrhunderten bewundert. Sokrates soll, wie ich hörte, außerordentlich freundlich empfangen worden sein. Die anderen sind fleißig beim Korrigieren ihrer unsterblichen Werke. Mancher soll geäußert haben, er wünsche, man hätte sein Grab größer gemacht und seine Werke gleich mitbeerdigt.
Leider muss ich wieder unterbrechen. Es wurde hier eine gemeinsame Chorprobe mit den Engeln angesetzt, die ich nicht versäumen möchte. Unser Gesang klingt inzwischen weniger irdisch. Aber bis wir den himmlischen Klang erreichen, werden wir doch noch viel üben müssen. - Ihr wundert Euch vielleicht, dass ich ständig zum Singen gehe, was ich auf Erden eigentlich immer vermieden habe. Vorträge sind hier nicht erlaubt, weil sie die Glücksgefühle und die Seligkeit beeinträchtigen. Jeder hat hier das Verlangen, das was er empfindet, nicht in Worten, sondern in Musik zum Ausdruck zu bringen.
Ihr hört später – für mich ist das nicht später - wieder von mir. Bis bald!