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IV

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Urks früheres Leben kehrte fetzenweise wieder. Hier und da begegnete er auf der Tauentzienstrasse, am Kurfürstendamm, ja selbst auf dem Potsdamer Platz alten Bekannten. Manche, die von seiner Rückkehr gehört hatten, suchten ihn in seiner Wohnung auf. Es schien, als seien die drei Jahre auf dem Land nicht gewesen. Alle gingen darüber hinweg, wie über eine Marotte. Der reiche junge Urk als Bauer, der tolle Urk als Ehemann, nun, er konnte sich beides leisten. Und der Bart? Aha — Urk trug immer die Mode von übermorgen.

Urk widersprach seinen alten Freunden nicht. Er hörte ihrem Gerede und Gefrage aufmerksam, vielleicht sogar gespannt, zu.

„So also sah Urk aus“, dachte er und schüttelte den Kopf. Jung, reich, abenteuerlustig. Ehrgeizig, erfolggierig, tüchtig. Exzentrisch, launisch, wetterwendisch. Kenntnisreich, klug, arbeitsam. Wirklich — das alles ein bisschen und nichts davon. Da er beiseite getreten war, sah er: das alles war nur aussen. Das war nur, um die Wirklichkeit zuzudecken, ihr das Maul zu stopfen. Um die Angst zu füttern, die den Menschen von innen her auffrisst.

Damals und heute: ein merkwürdiger Gegensatz. Der erfolgreiche Urk, der fanatische Arbeits- und Sportsmensch, der hervorragende Leiter und Vergrösserer der väterlichen Fabrik, der Wissenschaftler von Ruf, dieser Mann, der kaum über dreissig, sich so sichtbar von den meisten anderen abhob, der hatte sich in Wirklichkeit nicht von den andern unterschieden. Heute: der stille Urk, der sich beinahe ängstlich an seine Umgebung anpasste, der musste feststellen, dass er anders war, wider Willen besonders, dass er sich im Augenblick mit niemandem verständigen konnte, ausser vielleicht mit Kindern und Tieren.

War er anders? Es musste ja wohl so sein. Ja, er war anders. Das merkte er, als überraschend und erwartet seine Mutter ihn besuchte. Die drei Jahre über hatte er sie nicht gesehen. Gleich nach der Verheiratung hatte er sie aus seinem Hause weisen müssen, weil sie die Schwiegertochter mit einem eiskalten Hass angriff. Nun kam Frau Urk ins Zimmer gerauscht und erfüllte es ganz mit ihrer nervösen Lebendigkeit. Sie war nach der Mode um zehn Jahre jünger geworden. Die kurzgeschnittenen roten Haare lagen eng und seidig um den schmalen Kopf, die grauweissen Augen blickten so scharf und spöttisch wie immer, und nur in diesen Augen lag die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Sohn.

„Ich turne täglich zwei Stunden“, sagte sie beinahe an Stelle einer Begrüssung. „Das macht mich elastischer, als ich je war.“

„Was willst du von mir“, begann Urk und studierte aufmerksam die Bewegung, mit der sie sich auf den Sessel setzte. Er bemühte sich, den Zorn zu unterdrücken, der sich in ihm sammelte.

„Ich liebe dich“, sagte Frau Urk rasch und puderte aufmerksam den Stirnstreifen zu, den der Hut gedrückt hatte. Dann wandte sie das seidenhelle Gesicht ihrem Sohne zu. „Ich liebe dich noch immer, obwohl ich dich nicht mehr bewundere.“

Urk nickte zustimmend und suchte nach einer Zigarette. Nein, er rauche nicht mehr. Das mache seine Gedanken stumpf. Frau Urk bot ihre Zigaretten an. „Wirklich nicht?“ Sie lächelte ungläubig. „Wirklich nicht!“ antwortete Urk und steckte sich eine Zigarette an. Ach, dachte Frau Urk, er ist doch immer noch der Alte. „Nicht wahr,“ sagte sie ernst und ergriff seine Hand, „du hast doch noch immer keine Prinzipien und Weltanschauungen. Dein Vater ...“

„Lass meinen Vater aus dem Spiel“, zischte Urk aufgeregt und lehnte sich weit in seinem Stuhl vor. Ruhiger fügte er hinzu, indem er sich wieder zurücksetzte: „Das ist genug zwischen uns hin und her verhandelt. Oder hat sich etwas geändert?“

„Nein, es hat sich nichts geändert“, seufzte sie. „Höchstens, dass Herr Urk noch schrulliger geworden ist.“

„Nun gut. Seine Sache“, murrte Urk. „Aber er lässt dich in Ruh?“

„Er kümmert sich nicht um mich“, sagte sie kleinlaut.

„Also hast du, was du immer ersehntest“, wollte Urk dieses Thema enden. Er begriff nicht mehr den Hass, den er seiner Mutter wegen auf den Vater gehabt hatte. Erst hat er sie zu bändigen versucht, rekapitulierte er. Dann, als das nicht gelang, hat er sie laufen lassen. Eine Scheidung, eine Trennung gab es für den strenggläubigen Katholiken nicht.

„Man kann das falsch finden, was er tut,“ sagte er laut, „man kann es von sich weghalten, soweit es einem den Lebensatem nimmt; aber man kann nicht bei ihm bleiben und ihn bekämpfen.“

Frau Urk erhob sich empört. Sie zerbröckelte langsam den Rest ihrer Zigarette auf dem Aschenbecher. Dann leise: „Seit wann nimmst du für deinen Vater Partei?“

Urk zuckte mit den Schultern und seufzte. Er wippte mit den Füssen auf und ab und betrachtete angestrengt das Teppichmuster zwischen seinen Stiefeln. „Weisst du, Mutter,“ sagte er ganz weich, und der Wohlklang dieser Tenorstimme traf sie stark, „weisst du, dass du zu klug bist, um fortwährend zwischen Angriff und Verteidigung zu stehen. Ich nehme nicht Partei für den Vater, ich greife dich nicht an, wenn ich sage, was ist. Aber ich verstehe jetzt, dass auch Vater dich nicht angegriffen hat. Es genügte dir ja nicht, dass er dich laufen liess, soweit es in dieser so geordneten Welt ging. Du wolltest auch noch, dass er dir zustimmte, deine Meinungen hatte, deine Abenteuer guthiess und womöglich neue Abenteuer für dich heranschaffte.“

Frau Urk sah ihren Sohn grenzenlos erstaunt an. Sie schüttelte den Kopf wie ein Kind, mit dem man eine fremde Sprache spricht. „Aber das ist doch Unsinn, Fred,“ fing sie zaghaft an, „es gab doch immer nur und in allem seinen Willen. Denk doch ...“

„Ja, es gab nur seinen Willen“, unterbrach Urk und erhob sich gleichfalls. „Weil weder du noch ich einen Willen hatten. Wille gegen Wille gesetzt — ich möchte mal sehen, ob Matthias Urk dem Kampf ausgewichen wäre. Wir haben aber nur Wünsche gegen seinen Willen gesetzt. Daran ist er ein Sonderling geworden, und wir ...“

Urk endete seine Rede mit einem Achselzucken. Dann musste er laut lachen. Seine Mutter stand, die Schultern hochgezogen, als müsse sie einen kalten Regen über sich ergehen lassen. Ihr Gesicht war, wie immer wenn sie sich langweilte, alt und schlaff geworden, die Augen trübe und beinahe dunkelbraun.

„Ist es vielleicht gerecht,“ versuchte sie ihren Sohn zu überreden, „dass du hier in zwei Mietszimmern sitzt, während wir zwei Häuser haben? Und wovon lebst du überhaupt? Ja,“ (es fiel ihr ein, dass sie noch gar nicht danach gefragt hatte), „wie und wovon lebst du?“

Urk wollte erst ausweichen. Er wusste ja, dass es ihr im Grunde gleichgültig war. Aber dann erzählte er ihr, dass er das mit Papiermark gekaufte Bauerngut zwar billig, immerhin aber gegen Goldmark verkauft habe. „Ich kann zwei bis drei Jahre davon leben, wenigstens in dieser Form“, schloss er und zeigte seiner Mutter unter allerlei närrischem Gerede die wenigen Möbel seiner Wohnung. Mit besonderem Stolz verwies er auf den Eisschrank, den er sich am Tag vorher gekauft hatte, und den Kochherd, der aus wenigen Heizplatten bestand, die auf ein paar gebeizten Holzkisten befestigt waren. „Küche, Vorratskammer, Schlafzimmer in einem“, brummelte er befriedigt. „Du kochst selbst?“ Urk nickte. „Um Gottes willen, warum denn?“ — „Die anderen kochen mir nicht gut genug.“ Frau Urk lachte: „Du bist wirklich verrückt, Fred.“ — „Oder vielleicht“, sagte Urk, „mag ich auch nicht in jedem Dreckskram von anderen abhängig sein. Oder vielleicht will ich auch beweisen, dass um das Kochen von den Hausfrauen zu viel Lärm gemacht wird. Dass das alles einfacher, leichter, bequemer geht, als sie es sich machen.“

Frau Urk stand kleinlaut und strich immerfort über den Eisschrank. „Du, ich fürchte, der pädagogische Fimmel deines Vaters ist in dir verstärkt auferstanden.“ — „Aber auch ich belästige niemanden damit“, beendete Urk nun endgültig das Geplänkle, küsste ihr die Hand und wollte sie hinausschieben.

„Für etwas Persönliches hättest du wohl heute keine Zeit“, zögerte sie an der Zimmertür und klappte verlegen das Sonnenschirmchen aus lachsrotem Bast ein paarmal auf und zu.

„Liebe?“ fragte Urk streng. Sie schüttelte den Kopf. „Nicht mehr?“ Sie nickte. Urk merkte, dass das wieder in das alte Fahrwasser lenkte. Er wurde schnell finster und wieder hell. „Ich weiss selbst damit nicht Bescheid“, sagte er leise. „Ja, lache nur. Ich habe keine Ahnung. Ich finde mich in den Liebesdingen nicht mehr zurecht. Das Frühere ist es nicht, das Jetzige ist es nicht, und vom Kommenden weiss ich nichts.“

„So allgemein meine ich das auch gar nicht“, warf Frau Urk ein. „Ich meine etwas ganz Spezielles, etwas ganz Besonderes. Etwas, was mir ein Rätsel ist.“

„Nein, nein,“ wehrte Urk ab, „ich kann dir wirklich nichts sagen, ich weiss wirklich nichts.“ — „Baby“, lachte Frau Urk und wandte sich zum Gehen. „Gott sei Dank“, sagte Urk und setzte ein spitzbübisches Lächeln auf, um seine Ergriffenheit noch besser zu verbergen. „Sie erfasst wirklich nichts, was sie nicht unmittelbar trifft. Beinahe hätte ich mich ihr anvertraut. Ich bin tatsächlich verrückt.“ Er lachte nun und küsste seine Mutter auf beide Wangen.

Vom Flur kam Frau Urk noch einmal ins Wohnzimmer. „Übrigens“, sagte sie schnell und trat ans Fenster, „sollte ich noch etwas erforschen. Eine herrliche Aussicht hast du da“, glitschte sie dann verlegen ab. „Eine Wand, noch ’ne Wand, noch ’ne Wand und ein Gartenhaus. Ein Hof und ha! sogar Bäume. Ach was, ich kann das nicht diplomatisch. Ich soll nämlich für deinen Vater herausbekommen, ob du Kommunist bist. Ein paar Zeitungen haben darüber geschrieben. In der Generalversammlung hat man ihn angegriffen.“

Urk brauste auf. „Mehr als verschwinden, mehr als mich verstecken, mehr als still in einem Winkel hocken kann ich doch nicht. Verfluchte Bande. Das geht nun schon seit Jahren. Weil ich einem Gefangenen ein paar Zigarren geschickt habe, weil ich einem armen Teufel einen Rechtsanwalt bezahlt habe, und weil ich keine Dienstboten gehalten habe. Weil mein Knecht mit mir am Tisch ass, weil ich ihn nicht einstecken liess, als er mich bestahl, weil, weil, weil ...“ Er schnappte plötzlich ab. „Nein, ich mag nicht, es ist zu dumm. Aber du kannst Vater beruhigen. Ich habe nur Krach mit den Kommunisten. Ich bin ein bürgerlicher Ideologe. Weil für mich minus und plus das gleiche ist. Weil Umdrehen nichts nützt. Weil Politik nicht isoliert im Raum steht, weil man ganze Arbeit machen muss, weil man den Menschen erziehen muss, der die Dinge dann schon hinter sich herzieht.“

Er nahm seine Mutter an der Hand und führte sie auf den Zehen schleichend hinaus. „Geh schnell,“ sagte er, „ehe der Schwätzer da drinnen es merkt“, und schloss die Tür.

Frau Urk ging seufzend die Treppe hinunter. Ein schwarzhaariger Herr schloss gerade die Tür zur gegenüberliegenden Wohnung auf, um hineinzugehen. Er grüsste in einer Art frecher Höflichkeit, die sie ärgerte. Sie zögerte, wartete, bis er von der Tür fort sein musste, und lief die paar Stufen zurück. „Dr. Bresch“, las sie. Richtig, es fiel ihr ein, dass sie auf einem Maskenball mit ihm kokettiert hatte. Mein Gott, sie war nachher sogar mit verschiedenen anderen zu einer langweiligen Nachfeier in dieser Wohnung gewesen. Natürlich, das war das Fest, auf dem alles sich in die Winkel verteilte und sie mit Dr. Bresch allein mitten im Zimmer sass.

„Verrückt“, murmelte sie, „in diesem Haus!“ und schaute zu den Zimmern ihres Sohnes hinauf. Aber er war nicht zu sehen, sondern es beugte sich nur Dr. Bresch aus dem Fenster.

Urk war ins Badezimmer gelaufen. Er wusch ausführlich und langsam seine Hände. Er seifte sie von den Handwurzeln zu den Fingerspitzen, bürstete die Nägel, schwemmte die Seife fort, betrachtete aufmerksam die Hautwülste über den Fingergelenken und seifte dann die Hände nochmal gegen den Strich ein. Danach trocknete er die Haut und knetete die einzelnen Finger mit etwas Öl durch. Diese Handbehandlung beruhigte ihn immer ausserordentlich. Seine zusammengezogene Stirn glättete sich. Die Gedanken, die ohne Reihenfolge und einer den anderen wegdrängend gegen die Gehirnwände gerannt waren, sammelten sich allmählich, ordneten sich und kamen wenigstens einigermassen verständlich zum Vorschein.

Das allerdings, was Urk an Gedanken ganz eigentlich zutage fördern wollte, kam nicht heraus. Er fühlte das wohl auftauchen, ja, er konnte die Farbe der Gedanken angeben, bald perlmutterbleich, bald fischsilbern. Aber ehe er das Auftauchende fassen konnte, war es vorbeigeflitzt. Wie Fische, dachte er, in einem engen Gefäss, im Wasser eines grünlichen Aquariums. Wenn sie gedeihen sollen (liess er sich vom Bild fortreissen), müssten noch mehr Algen und Tang hinein, Sand und Schlamm. Oder, wollte er die Fische fassen, hinaus mit allem Dreck und einfach das Wasser ablaufen lassen.

Er war mit der Tür in der Hand stehen geblieben. Aus dem W. C. der Struppschen Wohnung kam ein furchtbares Geschrei. Dieses Mal war es ein Kind, das man da eingesperrt hatte. Es brüllte unablässig und wütend nach seiner Mutter, deren ruhegebietendes Gekeif als Unterton zuweilen durchklang. Dann übertönte ein heftiges Trommeln der Füsse gegen die Holztür jeden andern Ton. Erst wirbelten diese Füsse zornig und wild durcheinander, dann kriegte das Kind Spass an seinem Lärm, langsam kam ein Takt zum Vorschein, gewann Oberhand, ein kräftiger Marsch mit Tuten und Blasen kündigte den Sieg des Kindes über die Strafe der Einsperrung an. Urk horchte gespannt, ob die Mutter sich das gefallen lassen würde. „Aber natürlich nicht“, stellte er bedauernd fest und stampfte mit dem Fuss. „Wie kann ein beliebiger Erwachsener Sinn haben für den geschmeidigen Humor der Kinder.“

Mit grossem Radau und einigen ungerechtfertigten Ohrfeigen wurde drüben das Kind aus seinem zu lustig gewordenen Gefängnis herausgeholt. „Schweinerei!“ brüllte Urk und schlug die Türe zu. „Schweinerei“, seufzte er und schlug sich auf den Mund. Wozu das Geschrei? Auch wenn die Frau Strupp das hörte, würde sie es nicht auf sich beziehen. Es war ja eine Wand dazwischen.

Urk ging schnell in sein Zimmer herüber. Unter dem Zigarettenrauch roch er deutlich das Parfüm seiner Mutter. Und da waren wieder die Fischgedanken. Das Fischsilberne und Perlmutterbleiche, das lebendige Kalte und das unlebendige Kalte.

Und nun wusste er endlich, wohin seine Gedanken wollten. Tod und Leben in ihren Übergängen erforschen, das war wohl seine Aufgabe geworden, aus Gründen, die er sich nicht erklären konnte. Oder vielleicht doch erklären? Wenn Tod nicht so eindeutig war, wie man es bisher angenommen, dann brauchte er den Tod seiner Frau, dann brauchte er Annettes Tod nicht ohne weiteres hinzunehmen.

Dass Leben nichts Eindeutiges ist, dass es verschiedene Grade des Lebendigseins gibt (nicht nur die Zeitkurve von Geburt zu Tod, sondern auch die Leistungskurve von Sein über Können zu Sein, von Sein über Kranksein zu Sterben), das war ja doch wohl klar.

Warum sollte dann Tod etwas Eindeutiges sein? Gibt es, dachte er mit geschlossenen Augen, etwa nur ein Dunkel? Gibt es nicht eine ganze Leiter von Dunkelheiten? War die Gesichtshaut von Frau Urk, diese ganz kalte, beinahe durchsichtige aber undurchblutete Haut, war die lebendiger als die Haut der toten Annette? Der toten Annette? Er hatte sie ja nur eine Stunde lang tot gesehen. Kaum nach Ausstellung des Totenscheins war er abgefahren. Eine Stunde lang konnte wohl die Haut einer Toten noch vom Abschied her leuchten.

Ja richtig, als er dann noch einmal vom Garten her sich durchs Fenster hineingebeugt hatte, da war schon ein wenig von dem Leuchten verschwunden. Wie wenn eine weisse Wolke Schicht um Schicht mehr zu Grau verschattet. Wie Perlmutter.

Und nun endlich fanden sich seine Gedanken wieder zurück: Seine Mutter, das war das Fischsilberne. Die tote Annette: das war das Perlmutterbleiche. Das lebendige Kalte und das unlebendige Kalte. Das scheinbar Lebendige und das scheinende Tote.

„Leben?“ sagte er und richtete sich vom Stuhl auf. „Mit Leben hat das alles zu tun. Aber noch nicht mit dem Leben des Menschen. Man muss sich durch dieses alles hindurcharbeiten. Es liegt nicht zwischen Ding und Tier, sondern jenseits davon.“

Am Abend des gleichen Tages trug er in sein Notizbuch ein: „Wenn das Christentum Ding und Tier, kurz die Materie überwinden will und am Menschen alles, was der Materie zugehört, so hat es nur dann recht, wenn man überwinden in seinem tiefsten Sinn gebrauchen darf: aufheben und mittragen, aufnehmen und zueigen machen, in Eigenes verwandeln, zu Kraft machen. Merkwürdig, dass im allgemeinen Gefühl überwinden mit herausreissen, wegwerfen, töten gleichgesetzt wird.“

Das fiebernde Haus

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