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VORWORT

Dieses Buch beginnt ziemlich genau in dem Moment, in dem ich Charly Wegelius zum ersten Mal traf: Es war bei den Straßenweltmeisterschaften 1999 in Verona.

Als ich Charly bei dieser Gelegenheit in Mike Taylors Zimmer im Hotel Antico begegnete, war ich sofort von ihm beeindruckt. Ich wusste, dass er wenige Stunden zuvor seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte. Ich konnte nicht anders, als ihn zu fragen: »Wie hast du das gemacht?«

In diesem Moment, in dem Charly mir in Verona erstmals leibhaftig gegenüberstand, sah ich ihn so, wie ihn im Laufe der Jahre wohl tausende Menschen vom Straßenrand aus wahrgenommen haben: als ein Objekt der Bewunderung, als einen Menschen, der herausragende Athletik und wahre Klasse auf dem Rennrad verkörperte. Damals war ich, so wie er es einst gewesen war, von der Vorstellung besessen, eines Tages Radprofi zu werden. Ich wollte unbedingt selbst Teil des Pelotons werden, und da ich in den 1980er Jahren in Großbritannien aufgewachsen war, war ich von dieser Welt so weit entfernt, dass echte Radprofis mir wie Götter erschienen.

Charly war ein Mann, der den Radsport genauso sah wie ich, der herkam, wo ich herkam, und der es dennoch irgendwie hinbekommen hatte. Er hatte die Kluft überwunden zwischen dem, wo ich stand, und dem, wo ich hinwollte. Vier Jahre älter als ich und mit einem Profivertrag in der Tasche, erschien mir Charly Wegelius wie ein Mann, der das fast Unmögliche geschafft hatte.

Ich folgte Charly schließlich in den Profizirkus, und im Laufe der Jahre wurden wir Freunde. Unsere Wege trennten sich abrupt, als ich der Welt des professionellen Radsports, nach nur drei Jahren im Peloton, wieder den Rücken kehrte, denn sie war überhaupt nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Diese Erkenntnis war ein ziemlicher Schock, den ich erst einmal verdauen musste.

Während Charly seine immer erfolgreichere Karriere fortsetzte und ich mich dem Journalismus zuwandte, blieben wir Freunde. Irgendwann kreuzten sich unsere beruflichen Wege wieder, wenn auch auf ganz andere Art und Weise, als sich die Gelegenheit ergab, seine Geschichte zu schreiben. Es war eine Geschichte, die ich gut kannte, denn ebenso wie Kurt Vonnegut in seinem Meisterwerk Schlachthof 5 quasi direkt neben Billy Pilgrim auf der Latrine saß, war auch ich bei vielen Begebenheiten in diesem Buch hautnah dabei.

Ich war in Verona dabei, als Charly der ganze Stolz des britischen Radsports war, und auch ein Jahr später bei den Peinlichkeiten rund um die Titelkämpfe in Plouay. Ich war oft zugegen und hatte sein Gästezimmer in Beschlag genommen, wenn er in seiner Zeit bei De Nardi nach einem Rennen in seine ungastliche Wohnung und zu seinem leeren Kühlschrank zurückkehrte, und ich war nicht nur dabei, sondern mittendrin, als er den größten Fehler in seiner Karriere als Radprofi beging.

Ich kannte das Gefühl, sich im Peloton mittelmäßig zu fühlen und trotz der unbarmherzigen Realität des Sports zu versuchen, ein anständiges menschliches Wesen zu bleiben.

Und trotzdem war ich nicht ganz sicher, ob dies wirklich das Buch war, das ich schreiben wollte. Tatsache war, dass ich, egal wie offen er in unserer gemeinsamen Zeit über sein Leben sprach, nie ganz die Überzeugung verloren hatte, dass Charly Wegelius schon immer ganz genau gewusst hat, wo es langgeht.

Erst als ich eines Vormittags im Dezember 2011 bei ein paar Negronis mit ihm zusammensaß, um über dieses Buch zu sprechen, erkannte ich, wie schwierig auch für Charly das Leben als Radprofi gewesen war. Da wusste ich, dass dies das Buch war, das ich schreiben wollte, denn mir wurde klar, dass seine Geschichte eine über den Radsport war, die noch nicht erzählt worden war.

Das war die Geschichte, die wir beide der Welt erzählen wollten: die Geschichte vom wahren Leben in der Mitte des großen Fahrerfeldes; die Geschichte der Rennfahrer, die jeden Tag einer Profession nachgingen, für die sie alles geopfert hatten – Freundinnen, Jobs, Ehefrauen, sogar ihre kostbare Jugend –, nur um dabei zu sein und sich für nicht mehr als ein Durchschnittsgehalt und die Chance, es am nächsten Tag wieder tun zu dürfen, die Seele aus dem Leib zu fahren.

Charly lebte das Leben, für das er ausgezogen war – bis zum bitteren Ende und trotz des Preises, den er dafür zahlen musste, und all der Narben, die er unterwegs davontrug. Charly lebte ein Leben, wie es nur wenigen Menschen vergönnt oder gegeben ist. Ihn dazu zu bringen, seine Geschichte zu erzählen, fiel uns beiden nicht immer leicht, aber es musste getan werden.

Ich denke, dass es uns mit diesem Buch zum Teil darum gegangen war, mit dem Mythos aufzuräumen, dass ein Radprofi mehr als ein normaler Mensch sei – abgesehen davon, dass er eine gewisse körperliche Begabung besitzt. Aber ironischerweise konnte ich gar nicht anders, als Charly umso mehr zu bewundern, je mehr ich über seine Lebensumstände und die Widerstände erfuhr, mit denen er fertig werden musste, um eine Karriere wie die seine zu haben. Es war ein Leben, das die Kraft und das Engagement eines aufs Äußerste entschlossenen Charakters erforderte. Aber auch für Charly war es ein Leben, das ganz anders war, als er es sich vorgestellt hatte.

Dank der Einblicke, die ich beim Schreiben dieses Buchs erhalten habe, und weil ich Charly schon seit so vielen Jahren kenne, weiß ich, wie und warum er es als Radsportler so weit geschafft hat. Aber selbst jetzt, da alles vor mir ausgebreitet ist, verstreut in Bergen von Papier, aufgezeichneten Interviews und den vielen hundert Gesprächen, die wir bei der Entstehung dieses Buchs geführt haben, gibt es immer noch einen Teil von mir, der sich fragt: »Wie hast du das gemacht?«

Tom Southam, im Dezember 2012

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