Читать книгу Gewalt des Glaubens Teil 2: Blut für die Kirche - Werner Diefenthal - Страница 14

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Augsburg, März 1530

Markus staunte, als sie in Sichtnähe Augsburgs ankamen. Schon von weitem war es offensichtlich, dass man sich hier auf etwas Großes vorbereitete.

Mehrmals waren sie von schwer bewaffneten Soldaten, die zu den Truppen des Kaisers gehörten, angehalten worden, doch nachdem von Waldow das Schreiben des Bischofs von Würzburg vorgezeigt hatte, konnten sie jedes Mal ohne Probleme passieren.

Von Ravensburg saß in der Kutsche und sah scheinbar emotionslos hinaus. Diese Kontrollen waren ein Ärgernis für ihn. Früher hatte er an der Spitze einen Bannerträger gehabt, der ihm als Gesandten der Kirche schon von weitem den nötigen Respekt verschaffte, doch ein solches Privileg hatte ihm der Bischof noch verwehrt.

»Ich muss Geduld haben«, murmelte er. »Dann wird sich alles fügen.«

Die Reise war lang und anstrengend gewesen. Ein plötzlicher Schneesturm hatte sie mehrere Tage in einem unwirtlichen Dorf festgesetzt, dann hatte ein Achsbruch der Kutsche sie wertvolle Zeit gekostet.

Seit ein paar Tagen jedoch schien eine wärmende Sonne vom Himmel und vertrieb die Finsternis nicht nur aus den Gedanken.

Einzig für Markus war die gesamte Reise eine Qual gewesen. Nicht nur, dass er jeden Tag und jede Nacht den Mann sehen musste, der seinen ehemaligen Lehrmeister und dessen Frau hatte umbringen wollen. Jede Nacht, wenn er müde und durchfroren seine Wache beendete und verzweifelt nach Schlaf suchte, erschien ihm Anna. Tief im Inneren brodelte es. Auf der einen Seite liebte er sie, auf der anderen Seite jedoch spürte er beinahe schon Hass. Er fühlte sich von ihr im Stich gelassen, mehr noch, er fühlte sich von ihr verraten. Doch immer wieder erschien sie ihm. In betörender Nacktheit stand sie vor ihm, lockte ihn, versprach ihm das Paradies, zeigte ihm überdeutlich, was sie wollte. Aber jedes Mal, wenn er nach ihr greifen wollte, stand der Inquisitor vor ihr, lachte ihn aus, verhöhnte ihn.

Oft erwachte er schweißgebadet, mit pochendem Geschlecht, das sich nach Erlösung sehnte. Nur ein einziges Mal war es ihm auf der Reise gelungen, sich an einer Hure abzureagieren. Doch wie bereits bei den anderen Dirnen war sie für ihn nur Fleisch, ein Gegenstand, den er lieblos bearbeitete. Hinterher hatte er sich noch schlechter gefühlt.

Zusätzlich belastete ihn ein Problem, für das er verzweifelt eine Lösung suchte. Von Ravensburg schien ihn nicht erkannt zu haben, was kein Wunder war. Seit der Zeit in Rothenburg hatte Markus sich äußerlich stark verändert. Er war breiter geworden, das Gesicht reifer und der Bart, den er trug, tat sein Übriges. Nichts erinnerte mehr an den schlaksigen Jungen von damals. Aber er war sich sicher, dass von Ravensburg sofort Max erkennen würde, wenn nicht an seinem Äußeren, dann auf jeden Fall an der eigentümlichen Sprache. Und umgekehrt würde sein Freund natürlich wissen, um wen es sich handelte. Dass Ravensburg ihn hatte auspeitschen lassen, hatte der Hüne nicht vergessen, und Markus fürchtete, dass Max etwas Unbedachtes tun könnte, was zu fürchterlichen Konsequenzen führen würde. Er hoffte, dass er seinen etwas tumben Freund vorher sehen und ihn auf die Begegnung vorbereiten konnte, obwohl er noch keine Idee hatte, wie er das bewerkstelligen sollte.

Endlich erreichten sie das Jakobertor, durch das sie in die Vorstadt einzogen. Direkt dahinter führte eine gepflasterte Straße sie zur Kirche St. Jakob, wo sie bereits erwartet wurden. Von Waldow ließ den Trupp anhalten, gab Markus einen Wink und sie stiegen von den Pferden, dann begab er sich zur Kutsche, aus der von Ravensburg aussteigen wollte.

»Eure Eminenz, bitte habt noch ein wenig Geduld. Ich werde herausfinden, was dieses Empfangskomitee zu bedeuten hat.«

Der Inquisitor nickte bedächtig. Er hatte sich zwar in der Gewalt, aber in seinem Inneren brodelte es heftig. Von Ravensburg war es nicht gewohnt, sich aufhalten zu lassen. Früher hatten die Menschen eine Gasse gebildet, wenn er kam. Mit einem kurzen Blick hatte er festgestellt, dass sich bei den Männern, die vor der Kirche standen, weder der Bischof noch sonst ein Mitglied der Kirche befand. Das beleidigte ihn zutiefst, hatte er doch damit gerechnet, dass er sofort in die Bischofsstadt geführt und dort Quartier beziehen würde.

»Nun, Hauptmann, Ihr habt Recht. Geht und findet heraus, ob unsere Reise hier endet.«

Von Waldow deutete eine Verbeugung an, dann winkte er Markus zu sich.

»Nimm deinen Wolf mit. Ich glaube, das wäre keine schlechte Idee.«

Markus grinste. Bandit hatte sich immer wieder als unverzichtbar erwiesen und mittlerweile auch die Zuneigung des Hauptmanns erworben.

In einer Nacht, in der sie in einem Wald hatten lagern müssen, wäre es einigen Banditen um ein Haar gelungen, sie zu überfallen. Doch der brave Wolf hatte die Wachen rechtzeitig aufmerksam gemacht und damit eine Katastrophe verhindert. Nur von Ravensburg ging das Tier aus dem Weg. Und auch der Inquisitor hielt sich von Bandit fern. Der Wolf schien instinktiv zu spüren, dass er dem Mann nicht trauen konnte.

An der Seite seines Hauptmanns marschierte Markus auf die Truppe zu, die sich auf dem Platz vor der Kirche aufhielt. Diese bestand aus etwa zehn Männern, vornehm gekleidet und mit ernsten Gesichtern. Begleitet wurden sie von mehreren Soldaten der Stadtgarde. Von Waldow sah in die Runde und deutete eine Verbeugung an.

»Ich wünsche einen guten Tag, die Herren. Mein Name ist Hauptmann von Waldow, ich führe die Abordnung an, die den Abgesandten des Bischofs von Würzburg hierher geleitet.«

Ein Mann trat einen Schritt vor. Er war etwas kleiner als von Waldow, aber seine Robe und die Kette, die er um den Hals trug, wiesen ihn als eine der höhergestellten Persönlichkeiten aus.

»Hauptmann von Waldow, es ist mir eine Ehre, Euch und Eure Begleiter in Augsburg willkommen zu heißen.« Er verbeugte sich leicht. »Mein Name ist Hieronymus Imhof, Stadtpfleger von Augsburg und als Kaufmann Vertreter der Zünfte.«

Von Waldow nickte.

»Habt Dank für den Empfang. Doch, mit Verlaub, wir sind erschöpft von der langen Reise und würden gerne zum Bischof.«

»Darum bin ich hier«, erwiderte Imhof. »Ich habe den Auftrag, Euch und Euren Männern sowie seiner Eminenz auszurichten, dass der Bischof momentan nicht zu sprechen ist. Ihr sollt derweil hier Quartier beziehen, es ist bereits alles vorbereitet.«

Er deutete auf den Platz hinter sich, auf dem mehrere große Zelte aufgebaut waren.

»Vor ein paar Tagen sind bereits Männer eingetroffen, die wohl zu Euch gehören. Für Euch, Hauptmann, und für den Abgesandten sind Quartiere in den Häusern vorbereitet.«

Von Waldow knirschte mit den Zähnen. In den letzten Tagen hatte er ein gewisses Bild von Ferdinand von Ravensburg erhalten.

»Das wird dem Abgesandten nicht gefallen«, sagte er leise.

»Es tut mir leid, Hauptmann, aber das ist die Botschaft. Bischof von Stadion hat heute leider zu viel zu tun, aber er hofft, dass er morgen den Abgesandten empfangen kann. Bis dahin bittet er um Geduld.«

»Nun, guter Mann«, erklang die leise schnarrende Stimme des ehemaligen Großinquisitors, »dann werden wir uns eben in jene üben müssen.«

Von Waldow drehte sich um. Er hatte von Ravensburg nicht kommen gehört, lautlos wie ein Schatten war er zu ihnen gestoßen.

Die Reaktion des Mannes verblüffte ihn, hatte er doch damit gerechnet, dass er eher ungehalten sein würde ob der Verzögerung.

Hieronymus Imhof verbeugte sich leicht.

»Vielen Dank, Eminenz. Wir werden dafür Sorge tragen, dass es Euch an nichts fehlen wird. Was es auch sei, sagt es meinen Männern.«

»Ihr seid zu gütig, Stadtpfleger. Doch für den Anfang hätte ich gerne nur die Möglichkeit, mich zu reinigen und dann zu beten.«

»Gewiss, Eure Eminenz. Man wird Euch zu Eurem Quartier geleiten …«

In dem Moment wurden sie jäh unterbrochen. Die Männer, die hinter dem Stadtpfleger standen, wurden zur Seite geschoben, als ein Berg sich durch sie hindurchzuschieben schien und eine laute Stimme alles übertönte.

»MARKUS! Max froh, dich zu sehen!«

Der Riese bahnte sich seinen Weg, die Männer ließen ihn passieren, lachten über den Kerl, der sich freute wie ein kleines Kind. Die meisten hatten ihn schon kennengelernt, nachdem er vor ein paar Tagen mit den übrigen Soldaten in Augsburg angekommen war. Von Waldow verdrehte die Augen, grinste aber dabei. Damit hatte er gerechnet, kannte er doch den Freund seines Begleiters. Doch was dann geschah, das hätte er sich in seinen schlimmsten Träumen nicht ausdenken können.

Markus stöhnte innerlich auf, als Max auf ihn zustürmte, ihn umarmen wollte und dann, wie zur Salzsäule erstarrt, stehenblieb.

»Nein!«, murmelte er, als er von Ravensburg erkannte. »Hexenjägermann!«, wimmerte Max. »Du nicht hier sein dürfen!«

Damit drehte er sich um und rannte davon, als wenn der Teufel persönlich hinter ihm her wäre.

Gewalt des Glaubens Teil 2: Blut für die Kirche

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