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1.1.1 Management

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Das Management kann die Führungsmannschaft eines Großunternehmens sein, es kann aber auch für die Techniken des Planens und Organisierens stehen oder aber für den sehr schwierigen Bereich der unmittelbaren Mitarbeiterführung. Folglich spielen im Management nicht nur rein betriebswirtschaftliche Aspekte eine Rolle, sondern auch psychologische, soziologische, soziale und soziokulturelle. Zu Recht spricht deshalb Grochla von „der interdisziplinären Komplexität des Management-Phänomens“ (GROCHLA 1974:11).

Doch auch die heutige Erscheinungsweise des Phänomens Management geht letztlich zurück auf das Grundproblem einer verbesserten Betriebsführung, wie es schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts diskutiert wurde (TAYLOR 1903). Von Beginn an spielte bei diesem Verständnis von Betriebsführung die Einwirkung auf Mitarbeiter zur Erreichung von Zielen eine entscheidende Rolle. Diese Einwirkung ist nicht als psychologische Beeinflussung zu verstehen, sondern als eine komplexe Organisations- und Steuerungstechnik, mit deren Hilfe Mitarbeitern die Möglichkeit eröffnet wird, vorgegebene Ziele zu erreichen. Die „American Management Association“ definiert deshalb auch: „Managing is getting things done through others“, was Korndörfer treffend übersetzt als „eine zielorientierte personelle Einwirkung auf das Verhalten von Menschen“ (KORNDÖRFER 1979: 22).

Management ist ein Teil der Betriebswirtschaftslehre, der als „Unternehmensführung“ gleichberechtigt neben anderen Bereichen wie „Materialwirtschaft“, „Marketing“, „Rechnungswesen“ usw. steht. „Management ist ein Komplex von Steuerungsaufgaben, die bei der Leistungserstellung und -sicherung in arbeitsteiligen Systemen erbracht werden müssen. Diese Aufgaben stellen sich ihrer Natur nach als immer wiederkehrende Probleme dar, die im Prinzip in jeder Leistungsposition zu lösen sind, und zwar unabhängig davon, in welchem Ressort, auf welcher Hierarchieebene und gleichgültig auch, in welchem Unternehmen sie anfallen“ (STEINMANN/SCHREYÖGG 1991: 7). Diese Steuerungsaufgaben und -handlungen können höchst unterschiedlicher Art sein; sie können sich sowohl auf Prozesse als auch auf Personen beziehen.

Zum weiteren Verständnis von Management ist es sinnvoll, den Begriff differenziert zu verwenden:


Abb. 1: Zum Begriff von Management.

„Als Institution beinhaltet das Management alle leitenden Instanzen, d.h. alle Aufgaben- bzw. Funktionsträger, die Entscheidungs- und Anordnungskompetenzen haben“ (SCHIERENBECK 2008: 113). Dazu gehören in Wirtschaftsunternehmen zunächst einmal die Mitglieder des Vorstands – in großen Betrieben häufig als das „Top-Management“ bezeichnet –, aber auch Geschäftsführer, Direktoren, Abteilungsleiter, Prokuristen usw. In der kommunalen Verwaltung ist an Bürgermeister/Stadtdirektor/Dezernenten, Amtsleiter sowie Abteilungsleiter/Institutsleiter zu denken.

Das Management als Funktion bezieht sich dagegen nicht auf Personen oder Personengruppen, sondern auf Aufgaben. Es faßt alle jene Aufgaben zusammen, die zur Steuerung einer Unternehmung notwendig sind. Diese Steuerungshandlungen sind deutlich abzusetzen von Aufgaben, die lediglich ausführender Natur sind. Sie umfassen im wesentlichen die Hauptfunktionen Zielsetzung, Planung, Organisation, Führung und Kontrolle.

Zur Wahrnehmung der Managementfunktionen stehen verschiedene Techniken zur Verfügung. Darunter sind „alle Instrumente, Methoden, Modelle und Verfahren zur Lösung von typischen Managementproblemen“ (ebd. 188) zu verstehen. Die Liste solcher Managementtechniken ist außerordentlich umfangreich, die Fachliteratur hierzu (vor allem aus dem amerikanischen Bereich) nahezu unüberschaubar.

„Die Managementsysteme dienen der Realisierung derivativer Führungsaufgaben. Sie stellen methodische Empfehlungen für die Gestaltung von Teilsystemen und die Steuerung von Teilprozessen im Rahmen der Unternehmensführung dar. Das Schwergewicht der auch als ‚Management by-Prinzipien‘ bezeichneten Verfahren liegt im Bereich der sachrationalen Führungsfunktionen“ (BESTMANN 1992:129). Managementsysteme streben eine möglichst systematische Verflechtung der verschiedensten Funktionen und Techniken nach einem ausgewählten Grundprinzip an.

Im Kontext eines solchermaßen gegliederten Verständnisses von Management umfaßt Kulturmanagement vorwiegend die Methoden und Techniken, um Kultur zu ermöglichen, also ein Management im funktionalen Sinne. Gerade die Managementfunktionen sind darauf ausgerichtet, unabhängig vom jeweiligen Betrieb und losgelöst vom konkreten Aufgabengebiet zur Anwendung zu kommen. Ein funktionales Management ist demnach in einem Betrieb, der Industriegüter produziert, ebenso anwendbar wie in einem Dienstleistungsunternehmen.

Folglich müßte es möglich sein, das funktionale Instrumentarium der Managementlehre ohne weiteres auch im kulturellen Bereich anzuwenden. Und in der Tat bereitet es keine Probleme, beispielsweise für eine Kunstausstellung eine Ablauforganisation zu erstellen oder für einen Theaterbetrieb ein betriebswirtschaftliches Controlling zu konzipieren. Hier handelt es sich vorwiegend um technische Fragen, zu deren Beantwortung auch im Kulturbereich betriebswirtschaftliche Handbücher mit Gewinn herangezogen werden können.

Doch diese etwas unbekümmerte Übertragung der allgemeinen Managementlehre auf den Kulturbetrieb stößt leider sehr bald an Grenzen. Folglich bemühte man sich schon früh, eine eigene Theorie des Kulturmanagements (FUCHS 1993) zu entwickeln, und hat nun auch im deutschsprachigen Raum an wissenschaftlichen Hochschulen entsprechende Studiengänge für Kulturmanagement eingerichtet, die inzwischen auch forschend tätig sind (MANDEL 2009).1 Dabei stehen drei Argumente für eine eigenständige Lehre vom Kulturmanagement im Vordergrund:

1. Jedes Management ist in seiner funktionalen und technischen Anwendung zwar grundsätzlich losgelöst von seinem Objekt, aber in der Praxis beeinflußt doch die Steuerungshandlung sehr häufig das Produkt. In einer Automobilfabrik beispielsweise bestimmen nicht nur die Ingenieure und Designer das Aussehen und die Funktionalität eines Autos, sondern – häufig weit mehr – auch die Manager.

Das gilt im Kulturbetrieb in gleichem Maße. Der Ausstellungsmacher sucht die Exponate seiner Kunstausstellung aus und trifft damit eine wesentliche Entscheidung über die Kunst, die Zugang zum Publikum findet. Der Kulturreferent einer Stadt wählt für sein Kulturangebot die Themen, die Künstler und die Darbietungen aus, was bedeutet, daß er häufig allein bestimmt, welche Art von Kunst und Kultur in seiner Stadt realisiert wird. Der Verleger entscheidet mit der Annahme oder der Ablehnung eines Manuskripts immer auch darüber, ob ein neues Werk zu einem Stück künftiger Literaturgeschichte wird oder nicht.

Wie an anderer Stelle noch deutlicher werden wird (vgl. auch Abschnitt 1.2.1), ist das Kulturmanagement durch eine besonders enge Verbindung von Steuerungshandlung und Handlungsgegenstand gekennzeichnet. Darin liegt zugleich die große Gefahr für jeden Kulturmanager: nur allzu leicht kann er der Versuchung erliegen, kulturelle Inhalte sekundären Vermittlungs- und Managementzielen unterzuordnen.

Deshalb muß Kulturmanagement auf den verantwortungsvollen Umgang mit künstlerischen und kulturellen Inhalten ausgerichtet sein. Ein solcher verantwortungsvoller Umgang mit Inhalten ist aber wohl nur möglich, wenn von den wichtigsten künstlerischen Sparten entsprechende Grundkenntnisse vorhanden sind. Nicht zufällig sind viele Belletristik-Verleger exzellente Literaturkenner, Galeristen hervorragende Kunsthistoriker oder bisweilen auch städtische Kulturdezernenten Kulturwissenschaftler von beachtlichem Format (man denke beispielsweise an den früheren Nürnberger Kulturdezernenten Hermann Glaser). Einige Hochschulen, die das Studienfach Kulturmanagement anbieten, haben daraus die Konsequenz gezogen, daß neben der Managementlehre immer auch ein kulturwissenschaftliches Fach zum Pflichtprogramm gehört.

2. Management-Handeln ist durchaus nicht vorrangig ein gewinnorientiertes Handeln; es ist zuallererst immer ein zielorientiertes Handeln. Im Kulturmanagement steht in jedem Falle die Ermöglichung von Kunst und Kultur als oberstes Ziel im Vordergrund und dies sowohl im gemeinwirtschaftlichen (öffentlich-rechtlichen) als auch im privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb. Erst in einer zweiten Stufe folgt im privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb die Orientierung auf einen Unternehmensgewinn. Dem entspricht im öffentlich-rechtlichen Kulturbetrieb die Umsetzung und Realisierung kulturpolitischer Ziele.


Abb. 2: Ziele des Kulturmanagements.

Weit stärker als diese Unterschiede zählt aber im Kulturbetrieb die Gemeinsamkeit, daß nämlich die Ermöglichung von Kultur im Vordergrund steht. Eine solche Gemeinsamkeit über die Grenzen unterschiedlicher Rechts- und Betriebsformen hinaus kennt man in anderen Bereichen nur selten. Das Management im Kulturbetrieb ist deshalb mit dem primären Ziel des Betriebs in besonderem Maße verbunden, was sich nicht selten auch in einer großen Affinität der Manager zur Arbeit im Kulturbetrieb niederschlägt. Die in anderen Branchen durchaus zu beobachtende Praxis, daß nämlich Manager relativ leicht von einer Branche zu einer völlig anderen wechseln und dort ebenso erfolgreich sein können wie in der vorhergehenden, ist im Kulturbereich die große Ausnahme.

Ein Grund für diese starke Branchenbindung dürfte darin bestehen, daß viele Künstler sich in ihrer Arbeit eher an Personen als an Institutionen binden. Langjährige Vertrauensverhältnisse zwischen Künstlern auf der einen Seite und Agenten, Galeristen, Regisseuren oder Kulturreferenten auf der anderen Seite zählen hier weit mehr als die vertragliche Bindung an eine anonyme Institution. Solche Verbindungen aber – man spricht heute gern von Netzwerken – lassen sich nur über viele Jahre hinweg aufbauen und pflegen; ein Branchenwechsel in den Kulturbetrieb hinein würde deshalb einem völligen beruflichen Neuanfang gleichkommen. Das personenorientierte Management im Kulturbetrieb unterscheidet sich mithin ganz wesentlich vom produktorientierten Management in anderen Bereichen.

3. Und nicht zuletzt ist die Art und Weise, wie wir Kultur ermöglichen, selbst schon ein Stück Kultur. Dies zeigt sich etwa darin, wie wir mit unseren Künstlern und der Kunst umgehen und wie ernst uns die Freiheit von Kunst und Kultur ist. Leben wir in einer Staatskultur oder – wie es das Bundesverfassungsgericht einmal formulierte – mit „einer Staatszielbestimmung als Kulturstaat“ (BverfG E36/321ff.)? Wodurch unterschied sich in ihrem Selbstverständnis etwa die Kultur der Bundesrepublik Deutschland von der der DDR? Schon in den siebziger Jahren wies Hermann Glaser ganz richtig darauf hin, daß „die totalitären Staaten … in der Kulturpolitik eines der wichtigsten Mittel der Manipulation (sehen); selbst in der Perversion wird so die Bedeutung des Kulturellen noch sichtbar“ (GLASER 1974: 55).

Man kann das Argument sogar umkehren: Unser staatliches und gesellschaftliches Selbstverständnis ist ganz wesentlich durch den Grundsatz der Freiheit von Kunst und Kultur (Art. 5 des Grundgesetzes) geprägt. Dies wirft Fragen auf nicht nur hinsichtlich einer Manipulation durch Kultur, sondern auch hinsichtlich einer Instrumentalisierung von Kultur. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht verstehen Kultur als einen eigenständigen Wert, der nicht vorrangig sekundären Zwecken dient. Eine Kultur, die beispielsweise nur als Wirtschaftsfaktor Chancen einer Realisierung hätte, unterschiede sich allein schon in der Art des Ermöglichens deutlich von einer Kulturstaatlichkeit im Sinne des Grundgesetzes. Nicht nur das Was, also die kulturellen Inhalte, sondern auch das Wie, nämlich die Art und Weise, wie wir Kultur politisch, finanziell oder gesellschaftlich möglich machen, ist eine Form von Kultur. Dies aber ist eine Verbindung zwischen Gegenstand und Handlungsweise, die es in anderen Zusammenhängen im betriebswirtschaftlichen Management nicht gibt.

Es sind mithin drei gewichtige Gründe, die gegen eine unbesehene Übertragung der Managementlehre auf den Kulturbetrieb sprechen. Kunst und Kultur sind sensible Bereiche; sie haben Anspruch darauf, daß wir auch die Art des Ermöglichens und des Vermittelns von Kultur mit der notwendigen Sensibilität betreiben.

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