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1.1.2 Der Gegenstand von Kulturmanagement

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So wenig ergiebig es ist, den zahlreichen Definitionen von Kultur (EAGLETON 2001) eine weitere hinzuzufügen, so ist es doch unumgänglich, gewisse Abgrenzungen vorzunehmen. Der Kulturbegriff, der einem Kulturmanagement zugrunde liegt, kann weder ein weit gefaßter, anthropologischer sein, der das gesamte Handeln des Menschen umfaßt, noch ein – nun extrem eng ausgelegter – kunsthistorisch orientierter Begriff, der Kunst und Kultur zu Synonymen macht.

In den siebziger Jahren sprach man in der öffentlichen Kulturarbeit gern von einem „erweiterten Kulturbegriff“, der der Tendenz der fünfziger und frühen sechziger Jahre, Kultur vorwiegend mit Kunst gleichzusetzen, entgegenwirken sollte. Es entstand so ein Kulturbegriff, der vor allem auch Elemente unserer Alltagskultur in unser Verständnis von Kultur einbezog. „Unter dem erweiterten’ Kulturbegriff wird all das gefaßt, wie der Mensch lebt und arbeitet, wie er wohnt, seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten entwickeln kann, welche Kunst ihm zugänglich ist und welche er sich selbst schafft, wie er seine freie Zeit verbringt und wie er seine Beziehungen zu anderen Menschen gestalten kann“ (GAU 1990:18f.).

Daß dies kein realitätsfernes Programm war, sondern durchaus auch dem sich wandelnden Alltagsverständnis von Kultur entsprach, zeigen beispielsweise Umfragen zum Kulturbegriff, wie sie vom Institut für Demoskopie Allensbach kontinuierlich seit langem durchgeführt werden. Demnach hat sich der Anteil der Bevölkerung, der Mode oder Kochen als Teil unserer Kultur versteht, zwischen den siebziger und neunziger Jahren mehr als verdoppelt (Institut für Demoskopie Allensbach 1991; vgl. dazu auch ausführlich WOLF-CSANÁDY 1996).

So befreiend dieser erweiterte Kulturbegriff gegenüber dem vorausgegangenen Verständnis auch wirkt, so wenig eignet er sich doch als Gegenstand von Kulturmanagement. Schließlich werden wir weite Bereiche unserer Alltagskultur – also beispielsweise die Wahl unserer Wohnungseinrichtung, die Bevorzugung bestimmter Speisen und Getränke, die Gestaltung unserer Freizeit oder die Auswahl des Urlaubsziels, der Umgang mit unseren Wohnungsnachbarn, die Pflege von Garten oder Balkon usw. – nicht von irgendeinem Kulturmanager organisieren lassen, sondern wollen dies selbst in die Hand nehmen. „Alltagskultur ist zunächst einmal Selbstorganisation, sie ist ein sich selbst regulierendes System. Alltagskultur lebt ohne Kulturanimation, sie braucht grundsätzlich kein kulturelles Management“ (HUGGER 1989:163).

Dennoch war an dieser Stelle eine kurze Beschäftigung mit dem „erweiterten Kulturbegriff“ unumgänglich, denn Ende der achtziger Jahre, als im deutschen Sprachraum die ersten Studiengänge zum Kulturmanagement entstanden (in Wien, Hamburg, Ludwigsburg und Hagen), war der „erweiterte Kulturbegriff“ in aller Munde und schlug sich folglich auch in den Studienplänen nieder. Begriffe wie Soziokultur, Kultursozialarbeit, Kulturpädagogik oder Kulturarbeit standen für Kernkompetenzen im damaligen Verständnis von Kulturmanagement.

Heute ist der „erweiterte Kulturbegriff“ nur noch Geschichte. Was in den siebziger Jahren als revolutionär empfunden wurde, nämlich die Einbeziehung der Alltagskultur in unseren Kulturbegriff, ist uns heute eine Selbstverständlichkeit. Für Kultur im engeren Sinne, wie sie in der Nachkriegszeit verstanden wurde, verwenden wir den Begriff Kunst bzw. sprechen von den Künsten, während Kultur im heutigen alltäglichen Sprachgebrauch immer deutlich über die Künste hinausgeht und selbstredend auch Moden, Verhaltensweisen oder selbst Normen umfaßt. Doch bedarf es zu einem solchen, soziologisch und anthropologisch verbreiterten Kulturbegriff nicht der externen Steuerung im Sinne von Management. Das gilt selbst dort, wo sich der Kulturbegriff wieder den Künsten nähert, wie beispielsweise bei der Hausmusik, dem Hobbymalen oder bestimmten soziokulturellen Verhaltensweisen wie der Organisation von Nachbarschaftsfesten.

Schon diese Vorüberlegungen zeigen, daß wir einen eigenständigen Kulturbegriff für Kulturmanagement benötigen oder doch zumindest eine genaue Beschreibung des Gegenstandes von Kulturmanagement. Spätestens an dieser Stelle kann man aber auch eine gemeinsame Sicht beider Begriffe – Kultur und Management – nicht mehr umgehen. Management als Funktion – und nur davon soll künftig die Rede sein – wurde definiert als ein „Komplex von Steuerungshandlungen, die bei der Leistungserstellung und -sicherung in arbeitsteiligen Systemen erbracht werden müssen“ (STEINMANN/SCHREYÖGG 1991:7).

Management ist folglich vorrangig abgestellt auf Prozesse zur Erstellung oder Sicherung von Leistungen, und zwar von Gütern oder Dienstleistungen. Handelt es sich nicht um Leistungen, sondern um Beziehungen, Befindlichkeiten, Lebensformen usw., so mag es sich durchaus um eine Frage von Kultur handeln, aber wohl kaum um einen Gegenstand des Kulturmanagements. Da diese Prozesse zudem nicht gleichsam freischwebend im luftleeren Raum ablaufen, sondern innerhalb von Systemen und komplexen Umwelten, ist Kulturmanagement immer auch darauf ausgerichtet, die Rahmenbedingungen der Prozesse zu gestalten.

Folglich kann man festhalten, daß sich Kulturmanagement beschränkt auf

1. die Erstellung von institutionellen, rechtlichen, ökonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen, um Kultur ermöglichen zu können,

2. die Steuerung der Prozesse, die zu konkreten künstlerischen und kulturellen Leistungen (etwa in Form eines Kunstwerks oder eines kulturellen Projekts) führen, sowie

3. die Vermittlung künstlerischer und kultureller Leistungen an ein Publikum.

Kulturmanagement will Kultur ermöglichen, d.h., es dient der Kultur, ohne aber die Kunst bzw. Kultur selbst zu schaffen. Auch bietet Kulturmanagement die Grundlagen und Rahmenbedingungen für kulturpädagogische, kultursoziale und andere Sekundärziele, aber es wird nicht selbst in Form von Kulturpädagogik, kultureller Sozialarbeit oder was auch immer tätig. Kulturmanagement würde – sowohl gegenüber der allgemeinen Managementlehre als auch gegenüber den Künsten und den Formen kultureller Vermittlung unglaubwürdig, wenn es die Inhalte und Wirkungen von Kultur selbst schaffen wollte. Diese scharfe Trennung mag im Kontext von Kulturpädagogik oder Kultursozialarbeit noch erstaunen, sie wird aber überzeugender, wenn man auch wirtschaftliche Effekte in die Überlegungen mit einbezieht. Wenn Kulturmanagement in erster Linie dazu dienen soll, beispielsweise den wirtschaftlichen Gewinn eines Kultursponsorings zu sichern, so steht Kulturmanagement nicht mehr länger für die Ermöglichung von Kunst und Kultur, sondern vorrangig für die Ermöglichung wirtschaftlicher Effekte. Andererseits wäre es naiv, wenn man zwischen dem Kulturmanagement als Ermöglichung von Kunst und den wirtschaftlichen oder sozialen Effekten von Kultur trennscharfe Grenzen ziehen würde. Nicht selten wird Kultur überhaupt erst ermöglicht, indem man solche Sekundärziele in die manageriale Planung und Realisierung mit einbezieht. Es kommt nur darauf an, sich der unterschiedlichen Funktionen und Zusammenhänge bewußt zu bleiben. Dazu ist es unumgänglich, sich mit den Inhalten und den Wirkungen von Kultur intensiv auseinanderzusetzen.

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