Читать книгу Aevum - Werner Karl - Страница 8

Januar 2317

Оглавление

Die 3. Heimatflotte unter dem Kommando von Admiralin Diana Carpenter war immer noch im Laurin-System stationiert. Bérénice und Naya befanden sich in der Kabine der schwarzhäutigen Trooperin an Bord des Flaggschiffes TSS LEONIDAS und hielten jeweils ein Glas rigelianischen Rotweins in der Hand. Beide hatten nur wenig davon getrunken und schienen auf unterschiedliche Weise davon abgehalten, ihn wirklich genießen zu können. Die Verhandlung und der Freispruch lagen erst wenige Tage zurück. Trotzdem herrschte eine undefinierte Spannung zwischen ihnen, die sie ihre alte Unbeschwertheit nicht wiederfinden und die neu gewonnene Freiheit vorerst ungenutzt bleiben ließ.

»Scanne mich!«, stieß Bérénice unvermittelt hervor und stellte abrupt ihr Glas ab. Der schwere Wein schwappte ein wenig über den Rand und rann in einer dunklen Spur auf den Tisch.

»Bist du sicher?«

»Ich vertraue dir mehr als mir selbst.«

Die Rigelianerin nickte unmerklich und dachte darüber nach, wem ihre finstere Freundin wohl überhaupt vertrauen konnte.

Kann ich ihr denn vertrauen? Sie trägt immer noch eine ganze Reihe terranischer und mazzarischer Implantate in sich. Dazu Depots geheimnisvoller Chemikalien, die sonst etwas in ihr auslösen können. Einzig den Sender hat sie sich entfernen lassen. Die Code- und Schlüsselwörter, versteckt in Myriaden von Synapsen und Gehirnwindungen, schlummern aber immer noch in ihr. Kann ich sie entdecken? Und wenn ja: Was soll ich dann tun? Ich bin weder Psychotherapeutin noch Neurologin … nur eine Empathin und Telepathin. Und wenn es kompetente Fachleute dafür gäbe … was würden sie mit ihr anstellen? Würde sie es überhaupt zulassen? Ich fürchte, sie hegt gegen die gesamte terranische Ärzteschaft eher Rache- und Todesgelüste. Rikard … Mister White war nur der Erste.

Naya strich eine widerspenstige rote Locke aus ihrem Gesicht und stellte ebenfalls ihr Glas ab. Ich muss wenigstens versuchen, ihr zu helfen. Dann senkte sie ihre Lider halb herab und sandte ihren Geist zu ihrem Gegenüber. Bérénice saß ruhig in ihrem Sessel und machte ein Gesicht, dem man ansehen konnte, wie gering sie die Chancen einstufte, von der Rigelianerin erhellende Erkenntnisse über ihren Geisteszustand zu erhalten. Und tatsächlich öffnete Naya nach nur einer Minute ihre Augen wieder vollständig und schüttelte bedauernd ihren Kopf.

»Es tut mir leid, Nice. Es geht nicht. Da ist eine Barriere, die ich nicht durchdringen kann. Aus Erfahrung weiß ich, dass solchermaßen konditionierte Gehirne nicht allein auf para-sensitive Weise durchleuchtet werden können.«

»Aber auf chemische Weise.«

Naya erschrak. »Das wirst du doch wohl nicht ernsthaft in Erwägung ziehen? Die Erfolgsaussichten sind mehr als fraglich. Die dabei entstehenden Schäden dagegen treten umso zuverlässiger ein. Ich habe Probanden erlebt, die nach einer solchen Prozedur nicht mehr waren, als stupide vor sich hin glotzende Pflanzen.« Sie schüttelte angewidert ihren Kopf. »Du wirst damit leben müssen.«

»Und mich immer wieder fragen, ob meine Handlungen aus mir selbst entstehen … oder das Reagieren auf irgendein Schlüsselwort sind?« Bérénices Wangenknochen mahlten und ein gehetztes Flackern durchzuckte ihre Augen.

»Ja, so wird dein Leben von jetzt an sein.« Naya beugte sich nach vorne und legte ihre Rechte auf eine Hand der ehemaligen Trooperin. »Auch wenn meine Fähigkeiten bei dir nutzlos sind: Ich werde auf dich aufpassen … wenn du das willst.«

»Was ist mit deiner Dienstverpflichtung?«, fragte Bérénice. »Ich bin ja vorerst davon entbunden.«

Naya lächelte schwach. »Sie haben mir freigestellt, ob ich zu meiner Einheit zurückgehe oder bei dir bleibe.«

»Und?«

»Ich lasse dich nicht allein.«

Das Gesicht ihrer Freundin entspannte sich. Nur um unmittelbar danach die Härte anzunehmen, die eine unausgesprochene Warnung an alle war, die in dieser Frau Black Ice sahen. »Das freut mich … mehr als du glauben dürftest.« Dann nahm Bérénice ihre zweite Hand und legte sie auf die Nayas und ihre eigene. »Ich werde nicht still auf dem Sofa sitzen, meine Liebe. Ich nehme dich und Freitag … und fliege zurück nach Samboll.«

Die Rigelianerin riss die Augen auf. »Was willst du dort? Die Gefangenen werden sicher durch ein Trooperkontingent befreit werden. Die Terranische Föderation wird wahrscheinlich den ganzen Planeten nach Lagern und Überlebenden absuchen. Und wenn die Mazzar Wort halten, werden sie auch ihre Verbündeten dazu bringen, Frieden zu schließen.«

»Ich glaube nicht, dass ich so lange warten kann, Liebes. Siyoss und Bozadd haben schon zugestimmt, als ich sie fragte.« Dann grinste sie und Naya sah förmlich all die kommenden Gefahren darin aufblitzen. »Selbst das Spionageschiff der Mazzar-Agenten darf ich behalten.«

»Is´ nicht dein Ernst!«

»Oh doch. Der Grund dafür ist einfach: Es gibt keinen Menschen außer mir, der es bedienen kann.«

Ihr säuerlicher Tonfall erinnerte Naya daran, dass ihre Freundin nur einen Teil der Mazzar-Einrichtungen bewusst bedienen konnte. Der andere, bislang unbewusste Teil, machte beiden Frauen immer noch Sorgen. Gelinde ausgedrückt.

Bérénice lächelte zaghaft. »Freitag wird aber sozusagen als kleine Nebenaufgabe all meine Schaltvorgänge und sämtliche Daten des Schiffes unter Einsatzbedingungen erfassen und bei jeder sich bietenden Möglichkeit unserem Geheimdienst und dem Militär gleichzeitig übermitteln.«

»An Amélie Colbert und Admiralin Carpenter, nehme ich an.«

»Richtig. AC/DC werden dafür sorgen, dass relevante Erkenntnisse sofort nutzbringend umgesetzt werden.«

»Den beiden scheinst du auch zu vertrauen. Bei der Admiralin stimme ich dir ja zu. Sie war in den Plan nicht eingeweiht gewesen. Colbert dagegen schon …«

»AC war es, die verhindert hat, dass Rikard und seine Kollegen mich fallen ließen wie eine heiße Kartoffel.«

»Nichtsdestotrotz hat sie dem Wahnsinn zugestimmt … den Implantaten … den Stimulanzien.«

Bérénice schüttelte den Kopf. »Ein Teil des Wirrwarrs in meinem Kopf dürfte auf Wechselwirkungen zwischen den terranischen mit den mazzarischen Substanzen zurückzuführen sein. Zumindest behaupten das die Ärzte. Das konnte niemand vorhersehen.«

»Und Freitag? Auch er hat dich hintergangen.« Naya war verblüfft, wie sorglos ihrer Meinung nach Bérénice mit der Angelegenheit umging.

»Ich sehe das nüchterner. Er ist eine Maschine. Er wurde so programmiert.« Dann wurde ihre Miene um eine Nuance finsterer. »Nach Rikards … Tod und der Verhandlung habe ich Freitags Speicher checken lassen. Außer dem Befehl, sich mir erst ab dem Eintritt ins Laurin-System zu offenbaren, hat er keinerlei ähnliche Befehle erhalten. Seine Prägung auf mich hätte auch nichts anderes zugelassen. Die Robo-Techniker haben eine fast schon sprichwörtliche Höllenangst vor Befehlskonflikten … und damit vor amoklaufenden Robotern. Erst recht, wenn es sich um ein Modell der Baureihe BEHEMOTH handelt. Nein, nein: Freitag ist kein Verräter.«

Naya nickte, nur zögerlich zustimmend, löste sich von Bérénice und ließ sich in ihren Sessel zurücksinken. »Also willst du nicht nur wegen deiner Trooperkollegen zurück nach Samboll.«

»Es gibt noch zwei weitere Gründe«, bestätigte Bérénice. »Besser: Lebewesen, die mich dorthin ziehen.«

Die Rigelianerin hob fragend die Augenbrauen. Auch ohne Telepathie wusste sie die Antworten beziehungsweise die Namen. »Doktor Muramasa … und diese Pazifistin. Wie hieß sie noch mal?«

»Kefann.«

»Richtig, Kefann. Siyoss und Bozadd erwähnten in einer ihrer Aussagen, dass sie auf Samboll die einzige Pazifistin sei. Sie waren ziemlich stolz darauf, sie in die geheime Station eingeschleust zu haben. Es war also mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sie, die dir die Mazzar-Implantate verpasst hat.« Naya blickte Bérénice ruhig an. »Wirst du sie töten … so wie Rikard?«

»Nein. Denn ein Gefühl sagt mir, dass ich es vielleicht auch ihr zu verdanken habe, dass ich noch lebe. Laut Siyoss´ und Bozadds Beteuerungen würde eine Pazifistin niemals einem Befehl der Nestführung nachkommen, ohne sicherzustellen, dass sie damit nicht sich selbst und ihre eigenen Interessen verrät.«

»Selbst einem Feind, einem Menschen gegenüber?«

»Ja.« Bérénice lächelte zaghaft. »Wir verstehen noch längst nicht die Psychologie der Mazzar, geschweige denn die ihrer Pazifisten.«

»Deswegen nimmst du die beiden Pazifisten mit.«

»Nicht nur wegen Kefann. Ich will mit ihnen auch zurück nach Eternity.«

Naya wurde blass. »Das ist nicht dein Ernst, Nice!«

»Oh doch, ich meine das todernst.«

Aevum

Подняться наверх