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Am Mittwoch, den 13. August kam Hanni der Hammer mal wieder weit nach Mitternacht von Sissi der Nutte zurück. Er stank nach billigem Parfüm und Zwetschgenschnaps. Auf der Straße vor dem Haus parkte der rote Fiat 500. Dieser Wagen war ihm ein Dorn im Auge. Hanni betrat das Wohnzimmer. Seine Frau Jana war, mit dem Neuen Testament in den Händen, auf dem Sofa eingeschlafen. Auf RTL lief eine Wiederholung von Bauer sucht Frau. „Wie es Schäfer Rainer mit seiner Heike erging, werden wir gleich sehen“, verkündete die Moderatorin Inka Bause.

„Nix werdn mir sehn“, widersprach Johann Hammer, „so a Gschmarri“ und schaltete das Fernsehgerät ab. Der grobe Kerl machte keinerlei Anstalten, seine Frau vorsichtig zu wecken. Er packte sie am Oberarm und rüttelte sie kräftig durcheinander. „Is er scho widder da, der Türk?“, polterte er, als sie die Augen aufschlug. „Warum lässt du den überhaupt ins Haus?“, warf er seiner Frau vor. Jana Hammer war noch schlaftrunken und musste sich erst orientieren. Ihr Oberarm schmerzte. Sie riss sich von ihrem Mann los. Augenblicklich stieg ihr der Gestank, den ihr treuloser Mann ausstrahlte, in die Nase. In jungen Jahren musste sie eine wahrlich attraktive Frau gewesen sein, mit ebenen Gesichtszügen und einer kräftigen dunklen Haarpracht, die ihr auch heute noch bis in den Nacken fiel. Doch zwischenzeitlich hatten sich jede Menge Silberfäden in ihre Frisur geschlichen, und die Gräben ihrer Mundwinkel wurden immer tiefer. Mit ihren achtundvierzig Jahren war sie eine gebrochene Frau. Sie konnte und wollte nicht mehr. Ihr war alles egal. Dass ihr Mann sie seit Jahren betrog, hatte sie längst herausgefunden. Am Anfang war sie schockiert, doch zwischenzeitlich war es ihr ganz recht. So hatte sie wenigstens im Bett ihre Ruhe vor ihm. Als überzeugte Katholikin kam für sie eine Scheidung in keinster Weise in Betracht. Lieber lebte sie mit diesem Horror. Dennoch, fünfundzwanzig Jahre Zusammenleben mit diesem Mann hatten sie verändert, gingen nicht spurlos an ihr vorüber. Sie hatte jegliche Eigeninitiative längst verloren. Sie reagierte nur noch – ab und zu, und … sie hatte ihr Leben in die Hände der katholischen Kirche gelegt.

„Wer is da?“, wollte sie wissen, als sie die Frage ihres Mannes begriff.

„Na der Türk. Der Freind vo der Chantal. Sei Klapperkistn steht draußn vorm Haus.“

„Hab ich gar net gmerkt, dass der sich ins Haus gschlichn hat“, antwortete sie sichtlich müde und desinteressiert.

„Dem werd ich etz Beine machn“, brach es voller Wut aus Johann Hammer heraus. „Der hat immer noch net begriffen, dass wir kann Kümmeltürkn im Haus ham wolln. Da kann der su gscheit sei und studiern, was er will. Alles, bloß kan Türkn. Übrigens, da fällt mer nu ei, ich hab den Horst und den Bertl am Samstoch zum Grilln eigladn. Müssn was geschäftlich besprechen. Wegn der Teichgenossenschaft. Waßt scho. Kaffst du bis dorthin nu a Fleisch ei? An eiglechtn Bauch, a poar Steaks, Bratwerscht und vielleicht nu a poar Rippli. Wennst uns an Bodaggnsalat und an grüna Salat dazu machen tätst, wär des a net schlecht. So, und etz haui den Türkn zum Haus naus.“

*

Ungefähr zur gleichen Zeit fuhr Horst Jäschke, Knöllchen-Horst, mit seinem Ford Kuga hinter einem VW Tiguan her. Er wusste, wer da am Steuer saß und am frühen Donnerstagmorgen in Zickzacklinien die B 470 in Richtung Höchstadt an der Aisch fuhr. Der kleine Dicke am Steuer des VW kam aus Uehlfeld. Genauer gesagt aus dem Brauereigasthof Zwanzger. Knöllchen-Horst wusste auch, wohin der kleine Dicke wollte, ohne dass er ihn dazu befragt hätte. Die beiden Pkws näherten sich bereits der Stadtgrenze von Höchstadt an der Aisch. Eine Minute später preschte der Tiguan in Höchstadt in den Kreisverkehr, dort, wo Fridolin, die steinerne Karpfenskulptur steht, nahm die zweite Ausfahrt, gab erneut Gas und raste auf der Bundesstraße weiter. Horst Jäschke folgte dem VW, der fast geradewegs über den Kreisel hinweg gedonnert war. Die Bullen hatte er längst angerufen, als der kleine Dicke schwankend aus dem Gasthaus in Uehlfeld gestolpert war und sich auf die Suche nach seinem Fahrzeug begeben hatte. Die Polizei musste eigentlich jeden Moment auftauchen. Bis Krausenbechhofen würde der Fahrer vor ihm es nicht mehr schaffen. Da war er sich sicher. Ein paar hundert Meter weiter, auf der Höhe vom OBI-Markt, standen sie am Straßenrand der B 470. Als der VW Tiguan sich dem Baumarkt näherte, begann plötzlich das Blaulicht zu rotieren und eine rot beleuchtete Kelle forderte zum Stopp auf. Die Bremslichter des VW leuchteten nur kurz auf, dann gab der Fahrer dem Tiguan erneut die Sporen. Der einhundertachtzig PS starke Motor brüllte auf und das Fahrzeug machte einen Satz nach vorne. Der Polizist mit der Kelle in der Hand vollzog ebenfalls einen Sprung, allerdings in den rettenden Straßengraben. Dann ging alles sehr schnell. Der Beamte krabbelte aus dem Straßengraben, spurtete zum Polizeifahrzeug und hüpfte auf den Beifahrersitz. Sein Kollege hatte den Motor bereits angelassen, schaltete das Martinshorn ein und jagte wie ein geölter Blitz dem Tiguan hinterher. „Das wird lustig“, dachte sich Knöllchen-Horst, gab seinem Ford ebenfalls Zoff und brauste seinerseits dem Polizeifahrzeug hinterher. Die Bescherung sah er wenige Minuten später: Mitten in Gremsdorf, dort, wo eine Abzweigung rechts nach Krausenbechhofen und Poppenwind abgeht, lag ein hoher, gebogener Ampelmast, sauber abgeknickt, mitten auf der Fahrbahn. Die Frontpartie des VWs war eingedellt, und aus dem Motorraum des Tiguan stieg zarter Qualm in die laue Sommernacht. Einer der Polizisten sicherte die Straße, während sein Kollege einen um sich schlagenden, pöbelnden, kleinen Dicken gewaltsam aus dem beschädigten Pkw zog. „Lasst mich in Ruh“, schrie der aufgestellte Mausdreck erbost, „ich kumm scho alla ham. Was wollt ihr denn vo mir? Wisst ihr überhapt, wer ich bin? Haut ab, sonst hau ich eich zwa Kaschper eine in eire Fressn.“

„Des werdn wir scho noch sehn, wer wem eine in die Fressn haut“, reagierte Polizeihauptwachtmeister Max Wunderlich erbost. „Etz kummst erscht amol mit zur Blutprobe, Berschla.“

„Nix, ich will ham“, schrie der kleine Dicke, den der Polizist in den Schwitzkasten nahm, und ihn zum Polizeifahrzeug schleppte.

„Lass mi los“, schrie der Fahrer des Tiguan zappelnd, „ich bin der Hornauers Jupp, der Vorstandsvorsitzende von der Genossenschaft Aischgründer Spiegelkarpfen.“

„Und ich bin Max Um-Lei-Tung, der chinesische Verkehrsminister“, entgegnete ihm Max Wunderlich. „Wennsd weiter so um dich schlägst, muss ich dich fixiern.“

Horst Jäschke hatte seinen Ford in der Nähe geparkt und war ausgestiegen. Er hatte bereits zehn Fotos auf seinem Samsung Galaxy S4 abgespeichert und amüsierte sich königlich. „Kann ich helfen?“, fragte er scheinheilig den Polizeibeamten, der die Straße sicherte. „Ich sehe, Sie haben anscheinend Probleme mit dem Besoffenen da drüben“, und reckte dabei sein Kinn in Richtung Polizeifahrzeug, in welches Max Wunderlich gerade den randalierenden Genossenschaftsvorsitzenden verlud.

„Danke“, meinte der Polizist, „aber die Verstärkung müsste jeden Moment eintreffen.“

„Na, dann is ja gut“, meinte Knöllchen-Horst. „dann kann ich ja weiterfahrn. Ich wünsch Ihnen noch eine ruhige Nacht, und passens auf den kleinen Dicken auf. Der schaut so aus, als ob er net ganz einsichtig is.“

„Des sen die Bsuffna meistens net. Der braucht bloß nu a weng an Ärcher machn, dann wandert der in die Ausnüchterungszelln. Mit dem werdn wir scho fertig. Der hat ja mindestens zweieinhalb Promill.“

„Des waß ich net“, meinte Horst Jäschke hinterlistig, „aber Sie brauchn ja bloß den Wirt von der Brauerei Zwanzger in Uehlfeld zu fragen, was der alles trunkn hat.“

„Woher wissen etz Sie des, wo der einkehrt is?“

„Na, ich fahr dem ja scho seit Uehlfeld hinterher“, erklärte Horst Jäschke, „der is solche Schlangenlinien gfoahrn, dass ich mich net amol überholn hab traut.“

„Könna Sie des bezeugen?“, wollte der Beamte wissen.

„Jederzeit!“

„Derf ich dann noch Ihre Personalien aufnehma?“

„Jederzeit!“, antwortete Horst Jäschke erneut. „Des is ja auch meine Bürgerpflicht, die Polizei zu unterstützen.“ Er war hochzufrieden mit sich selbst. Es hatte sich gelohnt, dass er dem Hornauer gefolgt war, als der ihn am frühen Abend kurz nach Gremsdorf mit Hundert überholt hatte, obwohl dort nur siebzig Kilometer pro Stunde erlaubt waren. Als der Dicke in Uehlfeld im Brauerei Gasthof Zwanzger verschwunden war, witterte er seine große Chance, denn der Hornauer war dafür bekannt, dass er gerne mal einen über den Durst trank, auch wenn er mit dem Auto unterwegs war. Okay, er hatte Stunden mit Warten zugebracht, aber je länger es dauerte, desto mehr wuchs seine Zuversicht, dass sich der kleine Rambo ordentlich angesoffen ans Steuer setzen würde. Seine Rechnung ging auf. Eines würde er daheim noch tun, bevor er zu Bett ging: Er würde seinen Kontakten bei den „Nordbayerischen Nachrichten“ und beim „Fränkischen Tag“ noch eine E-Mail mit ein paar Fotos und einem Kurzkommentar schicken. Er spürte, wie das Adrenalin immer noch in ihm wütete.

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