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Gespräch über den Tormann
ОглавлениеDu erzählst gerne den Leuten, dass du Tormann warst.
War ich ja.
Du hast im Tor gespielt. Aber die Laufbahn ist nicht hinreichend für die Behauptung: »Ich war Tormann.«
Wenn man weiß, dass diese Tätigkeit an meiner gesamten psychischen Konstitution wesentlich, sehr wesentlich beteiligt ist, dann muss man das einsehen.
Gut, du hast schon als Kind beschlossen, Tormann zu werden.
Diesem Entschluss lagen aber Erfahrungen zugrunde. Mein Vater nahm mich mit etwa vier auf den Fußballplatz mit. Zu einem Ort, den ich angeblich als »Fuffatz« bezeichnete.
Du konntest lange nicht ordentlich sprechen.
Das aber unaufhörlich, wie mir oft erzählt wurde. – Also, auf diesem Fußballplatz sah ich erstmals die zwei bunt gekleideten Mannschaften auf einer annähernd, wenigstens an den Rändern grünen Wiese, sah dieses damals noch weiß lackierte Holzgestänge mit dem Netz und davor einen Spieler, der erstens eine besondere Verantwortung hatte, zweitens eine von den anderen unterscheidbare, eigene Dress. Schon beim Nachhausegehen wusste ich: So einer muss ich werden.
Das ist aufgelegt für Psychologen. Du bist im Begriff, dich auszuliefern.
Du solltest ermessen können, welches Vergnügen mir das macht, zumal es ja noch viel schlimmer kommt.
Du hast dich als Tormann angezogen.
Vor dem Schlafzimmerspiegel der Eltern. Ich bat die Großmutter, den Vorderschlitz einer weißen Unterhose zuzunähen, sodass sie wie eine Sporthose aussah, zog irgendeinen schwarzen Pulli an, wohl einen meiner Schwester, versuchte Schuhe so zuzubinden, wie ich sie bei den Spielern gesehen hatte, betrachtete mich und träumte mich in Tore von rot und blau gekleideten Mannschaften.
Du warst als Kind also leicht irr.
Du kannst das »leicht« ruhig weglassen. Ich erinnere mich genau, wie ich mit etwas sechs den abgerissenen Teufelskopf eines Kasperltheaters gegen die Wand schmiss, um ihn nach dem Abprallen zu fangen. Ich warf ihn schräg links und rechts vom Körper weg und begann mich – wie gesehen – nach ihm zu werfen. Ball hatte ich keinen.
Den ersten richtigen Fußball hast du erst mit elf bekommen.
Ja. Und ich habe ihn beim Einschlafen umarmt und erst am Morgen ausgelassen. Bis dahin hatte ich selbst nur den einen oder anderen Gummiball.
Mit dem hast du auch – sagen wir – trainiert.
Und wie! Ich habe mich nach dem Wurf gegen die Wand um die Achse gedreht, bevor ich ihn fing. Oder drei Mal in die Hand geklatscht. Ich muss das im Turnunterricht mitbekommen haben. Von selbst kann man ja da nicht draufkommen.
Dein Vater war doch Fußballer gewesen.
Hat er behauptet. Das ging bis zur Rechtsaußenposition einmal in einer Wiener Liga-Auswahl. Später haben einige Versuche, auf der Wiese einen Elfmeter zu schießen, das in keiner Weise bestätigt. Ein Meniskusschaden, von dem eine riesige Narbe zeugte, war seiner Auskunft nach an seiner Hilflosigkeit schuld. Aber wir eilen der Geschichte voraus.
Du hast in der Volksschule beim Spiel 1. Klasse A gegen 1. Klasse B zum ersten Mal im Tor gestanden.
Auf dem Turnplatz. Natürlich ohne Dressen. Da kam ein einziger Schuss auf mein Tor, und der war drinnen. Aber es hatte sich um meine erste ernste Begegnung mit einem Lederfußball gehandelt.
Der Schuss war sicher haltbar.
Anzunehmen.
Warum haben sie dich ins Tor gestellt?
Weil ich in dieser Zeit schon zu erzählen begann, welch großartiger Torwart ich wäre. Ich schilderte, wie mein Vater – ein großartiger Ex-Fußballspieler – mir in unserem Garten scharf einschoss und ich die unwahrscheinlichsten Bälle hielt.
Das stimmte nicht.
Keine Silbe. Mein Vater hat mit meiner – sagen wir – Tormannwerdung keine Sekunde zu tun gehabt.
Außer der Initialzündung: Besuch eines Fußballspieles.
So ist es. Also, dass ich ein Tormann war, war in Kreisen der Gleichaltrigen durchgesetzt. Jetzt ging es nur mehr um das permanente Beweisen. Von Frühling bis zum ersten Schneefall kamen wir, ich meine die Kicker, von der Schule nach Hause, stopften das Essen hinein und trafen uns mit einem Ball auf einer – heute längst gesperrten – Wiese. So gut wie jeden Tag. Es war unvermeidlich, Fertigkeiten auszubilden. Im Sommer, im Strandbad, wurde auch täglich auf Kleintore gespielt.
Du wolltest zu einem Verein.
Das war nicht einfach. Meine Mutter fürchtete um das Ansehen der Familie, denn Fußball war für sie ein »Proletensport«. Mit der von ihr angestrebten Außendarstellung der Familie Schneyder war das nicht kompatibel. Ich erinnere mich, dass ich später einmal, um meine Mutter irgendwie zu beruhigen, berichtete, mein Klub wäre ein besserer als der ASK (Arbeiter-Sport-Klub), denn bei meinem spielte in der Verteidigung ein »Ingenieur«. In der Tat war der Klagenfurter-Athletik-Club (KAC) nach allgemeiner Ansicht gesellschaftlich höherwertig, was durch das nachfolgende Mitspielen eines »Doktors« im Mittelfeld auch noch bestätigt wurde.
Du hast dich angeboten.
Beim ersten Mal vergeblich. Da ging ich zur Trainingszeit hin und erklärte, ein Tormann zu sein. Das hat aber niemanden interessiert. Ein Jahr darauf stand auf der Sommerwiese ein Mann an der Seite, sah eine Weile zu, sprach dann eine Gruppe von vielleicht acht Buben an und lud die ein, sich in der Schülermannschaft – heute würde man sagen U12 oder U14 – einzugliedern. Bei denen, die das für eine gute Idee hielten, war ich natürlich dabei.
Dieser Jugendtrainer war ein schlechter Fußballer gewesen und als Trainer eine totale Niete.
Uninteressant. Er akzeptierte, dass die Neuankömmlinge einen Tormann mitbrachten. Der Sonntag, an dem ich zum ersten Mal eine Dress, eine Tormannhose, bunte Stutzen und mir zu kleine, schmerzende Fußballschuhe anhatte, ist eingebrannt. Ich gefiel. Um nicht zu sagen, imponierte.
Du warst unbegabt. Als Tormann unbegabt. Ich schränke ein, als Tormanndarsteller geschickt.
Wie kommst du drauf?
Du warst lang und schlaksig, aber in den Bewegungen nicht dynamisch. Du hattest keinerlei Sprungkraft.
Ich hatte außerordentliche Reflexe und ein gutes Stellungsspiel. Ich – jetzt werde ich sportwissenschaftlich – antizipierte überragend.
Am Anfang. Das verlor sich. Durch Dekonzentration. Durch pubertätsbedingte Nervosität.
Nervosität gebe ich zu. Wenn am Sonntagvormittag ein Meisterschaftsspiel angesetzt war, saß ich die ganze Nacht davor am Thron. Ich habe in meiner späteren Tätigkeit, sei es Bühne, sei es Fernsehen, nie jemals derartiges Lampenfieber gehabt.
Du hattest und hast immer Lampenfieber.
Kein derartiges. Später hat man oft gesagt: »Ich scheiß mich an vor Angst.« Als Tormann hat mich nur das Ausrinnen in der Nacht vor dem Spiel davor bewahrt.
Du warst ein nervlich zerrütteter Bursche.
Familiär bedingt. Ich will es mir nicht zum tausendsten Mal erzählen, was ich in meinem Elternhaus erlebt habe, aber es muss begreiflich sein, welche Wichtigkeit die Lebensebene Fußballklub hatte.
Als Fluchtweg.
Das ist gut gesagt. Aber mich wurmt immer noch deine Ansicht, ich wäre im Prinzip unbegabt gewesen.
Vergiss es.
Ich gebe zu, ich habe grauenhafte Tore bekommen. Aber glaube mir, ich kann jedes Tor, das ich in diesen zwei Jahren, in denen ich die Nummer 1 war, noch genau beschreiben. Wann es fiel, wie es fiel. Wie ich es hätte verhindern können. Müssen.
Weil du die Szenen immer wieder nachgespielt hast.
Bis zum heutigen Tag. Jetzt, wo wir darüber reden, könnte ich sie alle beschreiben.
Nicht nötig. Na ja, vielleicht dein vorletztes Spiel beim KAC, denn das hatte Tragödienausmaße.
Kann man wohl sagen. Es war ja so, dass wir fast alle Mitbewerber hoch schlugen, bei 8:1 hat sich mit dem einen Gegentor niemand danach befasst. Aber der Stadtrivale war immer Meister, weil wir gegen den verloren. In dieser Saison kamen wir im vorletzten Spiel bei Punktegleichstand gegen ihn dran. Bis zehn Minuten vor Schluss stand es 0:0.
Und du hast nur mehr daran gedacht, wie du angeben würdest, endlich einmal ohne Gegentor gespielt zu haben.
Kann sein. Kann sein. Es kam ein Eckball herein, harmlos. Der Verteidiger bekam ihn auf den Kopf, hatte Zeit zur Überlegung, entschied sich, ohne Not den Ball zu seinem Tormann zurückzuköpfeln. Ich schau ihm zu und denke mir, warum köpfelt er den zurück und nicht aus dem Strafraum raus, und da war er auch schon drinnen. Ich hätte nur hochgreifen müssen.
Ich sage ja: unbegabt.
Ich lass das jetzt einmal so stehen. Aber ich bitte um Verständnis für die Glücksmomente, die mir keiner nehmen kann, wenn mir gute Paraden gelungen sind.
Nach denen du immer nach links und rechts geschaut hast, ob sie von draußen jemand gesehen hat.
Gebe ich zu. Und da gab’s eine Situation, die mir unvergesslich ist, weil wiederum existenziell. Du wirst mich wahrscheinlich warnen, sie zu erzählen.
Ich kann dich nicht daran hindern.
Wir hatten die erste Fußballreise vor uns. Von Klagenfurt nach Salzburg. Mit dem Bus. Das ist heute vergleichbar mit einem Flug nach Barcelona. Der Klagenfurter AC hatte gegen den Salzburger AK in einer »Tauernliga« zu spielen, und die Vereine hatten die Idee, ihre U14-Mannschaften als Vorspiel einzusetzen. Wir nahmen die Dressen nach dem letzten Training mit nach Hause. Jeder sollte sie im eigenen Gepäck mitnehmen. Meine Großmutter sah mein Trikot und meinte, das müsse man bügeln, was sie auch tat. Was wir nicht wussten, oder was ich in meiner Aufregung wohl überhört hatte: Vor unserem gab es noch ein Entscheidungsspiel der Salzburger Landesliga. Daher waren 1000 Leute im Stadion.
»Stadion« ist übertrieben. Aber wie kommst du auf 1000?
Waren es ganz sicher.
Ich meine, eher an die 400.
Auch viel. Ein biografisch historisches Spiel war es jedenfalls. Wir liefen ein.
In Deutschland sagt man »auf«.
Das ist jetzt drittrangig. Wir standen also da und erstmals vor – wie auch immer – großer Kulisse. Das Spiel begann. Die rechte Sturmspitze des SAK kam fast bis zur Grundlinie durch und flankte. In für den Tormann dankbarer Distanz und eher weich. Ich nützte die Chance einer erstklassigen Schmähparade. Ich fing den Ball und rollte ab. Der erste Applaus in meinem Leben.
Wer sagt dir, dass der nicht dem Durchbruch des Stürmers gegolten hat.
Das spürt ein »Galerist«. Und es ist unvergesslich.
Ich glaube, das Thema …
Unvergesslich sind mir auch drei Schaukästen in der Stadt Klagenfurt, in denen der KAC die Termine seiner Mannschaften und deren Aufstellung einer interessierten Öffentlichkeit, also den Spielern, mitteilte. Da las ich immer meinen Namen.
Falsch geschrieben.
Das war nicht zu erreichen, dass der Sekretär des KAC mein »y« akzeptierte. So konnte seiner Ansicht nach ein Fußballer nicht geboren worden sein. Aber ich nahm meinen Namen auch mit »i«. Und ging als Tormann durch die Stadt. In der Annahme, als der unübersehbar zu sein.
In der Hoffnung. Mit 15 war der Traum ausgeträumt.
Der Traum war vorbei. Nicht die Persönlichkeitsstanze »Tormann«. Ich spielte auf der Uni, bei Gasthausmannschaften, bei einer Firmenmannschaft. Auch im Feld. Wo einer gebraucht wurde. Immer wieder einmal. In Salzburg und Linz in der Theatermannschaft. Dann auch in einer unterklassigen Reserve.
Du warst viel schwerer geworden. Aber seltsamerweise besser.
Weil nervlich stabiler. Meine Versagensangst hatte sich verlagert.
Du hattest genug andere Felder, dich zu fürchten.
Ich finde es geradezu schicksalhaft, durchaus in der Bedeutung, die dieses Wort in der griechischen Tragödie hat, dass die Kabarettkarriere mit einem letzten Aufblühen des Tormannidols einherging.
Hildebrandt war Fußballer.
Ein guter. Beim »FC Schmiere«.
Und mit diesem, heute noch existierenden, in einem Freizeitverband organisierten Verein kommt die große Figur des Kabarettdirektors Sammy Drechsel ins Spiel.
Sammy konnte kicken. Richtig gut Fußball spielen. Wie man es im Berliner Hinterhof erlernen konnte.
Aber er konnte nicht mehr laufen. Konnte keinen Zweikampf mehr gewinnen. Ein bisschen schießen.
Ganz gut schießen. Nicht scharf, aber technisch gut. Er hätte einmal ein richtiger Stürmer werden können. Er hatte davon geträumt und träumte ein Leben lang weiter.
Wie du deinen Tormann.
Bitte, ich habe – nein, es ist sinnlos. Wir reden über Sammy. Als er Chef der Lach- und Schießgesellschaft wurde und dadurch sehr wohlhabend, realisierte er einen Traum, wie ich ihn als Halbwüchsiger auch hatte.
Einen eigenen Fußball-Klub.
Ja. Er gründete den »FC Schmiere« mit der Idee, eine Kombination von fußballkundigen Kabarettisten oder anderen bekannten Bühnenstars mit ausgedienten Spitzenfußballern zu organisieren.
Um sich in deren Mitte, sowohl als auch, zu sonnen.
Nicht nur. Die Fußballer, von denen der eine oder der andere ganz sicher auch Geld bekam, hatten die Aufgabe, sich bis in den Strafraum durchzuspielen, den Sammy freizustellen, ihm den Ball einschussgerecht hinzurollen und ihn in jedem Spiel zum erfolgreichsten Torschützen zu machen. Er schoss immer, mit Abstand, die meisten Tore, im Grunde alle.
Das fand niemand absurd?
Nein. Wie ich dazu stieß, war das schon über Jahre eingeführt. Sammy stellte die Mannschaft immer mit Rundruf zusammen und immer stark genug, um zu siegen. Und jedes Mal sagte er Stunden vor einem Match: »Ich muss langsam weg. Ich habe heute ein schweres Spiel.«
Dieser Selbstbetrug hat dir imponiert.
Kolossal.
Du hast eine Erzählung geschrieben, »Das tausendste Tor«.
Nach einem seiner letzten Spiele. Als schon Todkranker. Das Buch erschien erst nach seinem Tod.
Du hast oft mit ihm gespielt.
Oft. Jedenfalls immer, wenn ein eben abgetretener Keeper von 1860 München keine Zeit oder keine Lust hatte. Drei, vier Mal haben sie mich dann auch im Sturm spielen lassen.
Du hast den Unwillen Sammys erweckt.
Ein Mal. Da waren wir auf dem Land. Stargastspiel bei einer Sportplatzeröffnung. Der Zufall wollte es, dass ich ziemlich zu Beginn zwei Mal so günstig an den Ball kam, dass ich zwei Tore machte. Da kam ein Alt-Internationaler zu mir und sagte leise: »Hör auf, der Sammy ist schon sauer.«
Du hattest die Spielregeln vergessen.
Ich sage dir, ich habe mit Gerd Müller und anderen leicht gealterten Topstars spielen können. Das nimmt dem Tormann in mir keiner weg.
Das will ja keiner. Nur mit den Jahren wird der Stellenwert …
Das größte war ein Match im Grünwalder-Stadion, da spielten drei deutsche Weltmeister von 1954 mit: Horst Eckel, Karl Mai, Herbert Erhardt. Und da kommt eine Bogenlampe Richtung Strafraum, dreht sich ein Weltmeister um und sagt: »Den macht mein Tormann.«
Du strahlst, als ob’s heute wäre.
»Mein Tormann.« Da soll man nicht strahlen?
Also in der Hinsicht bist du ein hoffnungsloser Fall.
Siehst du’s endlich ein? Noch eine ganz wichtige Geschichte. So zwischen 40 und 50 – ich hatte meinen Hauptwohnsitz noch in Salzburg – hab ich drei Mal im Tor des ORF gegen die Salzburger Festspiele gespielt.
Plácido Domingo zum Beispiel.
Der war leidenschaftlicher Fußballer. Er konnte es nicht. Aber er war selig. Ich werde nie vergessen, wie er sich ungeniert in der Kabine vor allen das Mieder geschnürt hat, damit die Kugel unter der Dress ein bisschen geformter war.
Der wusste, was er dem weiblichen Publikum schuldet.
In einem Spiel hatten sich auch die Festspiele verstärkt. Unter anderem mit dem deutschen Ex-Nationaltormann Sepp Maier. Der wollte, wie alle abgetretenen Torleute, im Sturm spielen.
Nicht nur das. Er wollte auch unbedingt ein Tor schießen.
Und ich wollte das verhindern und hatte ein paar gute Szenen. Da kam er zu mir und sagte: »Sag einmal, warum kannst du denn das?« Ich habe wahrheitsgemäß geantwortet: »Das konnte ich schon mit zwölf.« Er sah mich an und sagte: »Ja, das kann man nur, wenn man’s mit zwölf schon kann.«
Komm zum Ende.
Das waren die drei Spiele in Salzburg gegen die Festspiele. Immer vor vollem Haus. Im ersten war ich wirklich sehr gut. Meine Frau hat das bestätigt, aber einschränkend gesagt: »Du stehst schon ein bissl schwer auf.« Im zweiten haben mir ein paar sehr gute Opernleute sechs Stück eingeschenkt. Da hab ich mir gedacht: So kann man nicht aufhören.
Mit 51 bist du noch einmal ins Tor. Völlig untrainiert.
Das hat sich gerächt. Beim ersten Werfen nach links fiel ich ungeschickt auf das linke Knie. Ein Stich.
Es war dir sofort klar: Das war’s.
Ich humpelte vom Platz. Der Austauschtormann lief aufs Feld. Ich ging in die Kabine. Duschte mich. Nahm dann meinen Kunstledersack, ordnete die Schuhe, die Strümpfe, die Schienbeinschoner, meine drei Dressen – je nach benötigter Farbe besaß ich eine in meiner nicht oft vorhandenen Größe 8 –, zog den Verschluss zu, ging zum Manager des gastgebenden Klubs und sagte: »Hast du einen langen Jugendtormann?« Er sagte: »Ja.« Ich übergab ihm ohne Kommentar meinen Sack, verließ das Stadion und spürte, wie die Tränen herunterrannen.
Siehst du, bei aller Toleranz, das hätte ich der Schilderung erspart.
Du wolltest ja auch bestreiten, dass ich ein Tormann war.
Du projizierst dich ja heute noch, wenn du Fußball im Fernsehen siehst – und wann tust du das nicht? – in die Tormannposition.
Und denke mir in der ersten Zehntelsekunde, wenn ein Tor fällt: Den hätte ich in meiner besten Zeit gehalten. In der zweiten Zehntelsekunde weiß ich dann: Ich hätte ihn nicht einmal gesehen.
Ein Hauch von Wahrheitsliebe.