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Vorwort: Wie kommt ein Katholik an Gundert?

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Eigentlich hätte mein Buch „Hermann Gundert – ein Leben für Indien“ heißen und im Herbst 1992 beim Calwer Verlag erscheinen sollen, weil im Mai 1993 ein Kongress zum 100. Todestag Gunderts in Stuttgart stattfand. Alles war fertig, doch dann kam es anders. Warum, steht im Nachwort. Trotzdem hat mir die Arbeit daran sehr viel Freude gemacht. Auch jetzt noch wünsche ich mir, dass es möglichst vielen Zeitgenossen bei Lesen ähnlich gehen wird. Doch vorab möchte ich eine Frage beantworten, die niemand gestellt hat: Wie kommt ein Katholik an Gundert?

Ich habe nicht über Gundert geschrieben, weil ich katholisch bin. Aber Tatsache ist: ich bin, wenn auch mit kritischen Einwänden gegen meine Kirche, Katholik. Entweder habe ich also über Gundert geschrieben, obwohl ich katholisch bin, oder es hat dabei keine Rolle gespielt. Hermann Gundert würde sicher widersprechen und sagen: Nein, das hat der liebe Gott so gewollt.

Also gut. Als Außenstehender habe ich bestimmt ein paar Dinge anders wahrgenommen als jemand, der täglich mit dem geistigen Erbe dieses schwäbischen Pietisten und intellektuellen Kosmopoliten zu tun hat, der den Spitznamen „Luther von Malabar“ bekam. Gundert war der Lieblingsgroßvater von Hermann Hesse, der seinen Enkel stark beeinflusst gat. Ich wollte wissen, was dieser Mann uns heute noch zu sagen hat.

Schon als Student habe ich mich mit Columbus, Pizarro, Cortez und Konsorten befasst und mit dem Dominikanermönch Bartolomé Las Casas, der diesen Abenteurern die Leviten las, weil sie die Indios zu Sklaven machten, statt sie zu bekehren. In Gundert ist mir die Gestalt eines Missionars begegnet, der die Sache anscheinend richtig angefasst hatte. Von dem wollte ich mehr wissen. Mich haben immer Menschen interessiert, die Grenzen überschreiten.

Ich habe etwa über den Dichter Reiner Kunze geschrieben, den Autor des Buches „Die wunderbaren Jahre“, der seine Heimat verlassen musste, weil seine Texte dem DDR-Regime nicht passten. Oder über den Altkommunisten Walter Janka, der sich mit 75 Jahren entschlossen hatte, SED-Literaten wie Anna Seeghers und Hermann Kant ihre „Schwierigkeiten mit der Wahrheit“ vorzurechnen. Oder über Manfred Rommel, dessen pragmatische Lokalpolitik ihn zum einzigen CDU-Politiker Deutschlands machte, den seinerzeit auch die SPD wählte. An Hermann Gundert hat mich fasziniert, dass er als Missionar, Autor und Verleger zugleich Insider eines Systems, Außenseiter und Neuerer war.

Als mich der Filmemacher Franz Lazi 1989 fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm eine Dokumentation über Leben und Werk von Hermann Gundert zu produzieren, sagte mir dieser Name noch nichts. Lazi machte mich mit Dr. Albrecht Frenz bekannt, und der weckte mein Interesse. Ich begann zu recherchieren und wurde immer neugieriger auf diesen Hermann Gundert. Ich schrieb ein Exposé für ein Drehbuch und schickte es dem zuständigen Redakteur des Süddeutschen Rundfunks. Aber leider war dem SDR wieder einmal das Geld ausgegangen, erklärte der. Und so wurde nichts aus dem Film. Jeder, der schreibt, kannt das.

Einige Monate später rief Frenz an und fragte, ob ich vielleicht eine kleine Biographie für den Calwer Verlag schreiben würde. Gundert war immerhin einer der Gründerväter dieses Verlages, und zu seinem 100. Todestag wollte man ein Buch über sein Leben und Werk vorlegen. Nicht wissenschaftlich und dick sollte es sein, sondern allgemeinverständlich und handlich. Man müsse doch etwas tun, um diesen Gundert wieder ins Gedächtnis der Menschen zu bringen. Doch dafür habe er keine Zeit, und außerdem sei das eine journalistische Aufgabe. So stand ich plötzlich vor der Frage, aus meinem Drehbuchentwurf mehr zu machen: keine wissenschaftliche Biographie, sondern eine Version für Heiden, Ketzer, Ungläubige und Laien. Das hat was, dachte ich.

Anfängliche Zweifel beseitigte Frenz, damals Vorsitzender der Hermann-Gundert-Gesellschaft, mit dem Versprechen, mich wissenschaftlich zu beraten. Er hat dies dann während der Arbeit auf vorbildliche Weise getan. Frenz stellte auch den Kontakt mit dem Calwer Verlag her. Wir wurden uns schnell einig. Und dann begann ein Abenteuer, von dem ich bis heute nie mehr ganz losgekommen bin. Je weiter ich mit der Arbeit kam, desto mehr Spaß machte sie mir. Wenigstens das sollte man merken, wenn man das Buch liest, sagte ich mir. Schließlich waren 150 Seiten Manuskript nötig, um diesem Gundert einigermaßen gerecht zu werden. Sein Leben und Werk wurden in ihrer ganzen Vielseitigkeit vor mir ausgebreitet wie in einer Ausstellung. Ich habe dann nur versucht, das Ganze „auf die Reihe zu bringen“.

Ich möchte aus einem ganz einfachen Grund gern Neugier auf Hermann Gundert erzeugen: Es hat mich fasziniert, wie ein gläubiger Mensch die Grenzen von Bekenntnis, Religion und Kultur überschreiten kann. Abgesehen von seiner Leistung als Autor und Übersetzer bewundere ich, wie konsequent er das Ganze über das Einzelne gestellt hat, die Gemeinsamkeit über die Unterschiede. Wir haben als Christen und als Bürger dieser Welt weiß Gott mehr Gemeinsamkeit nötig. Hermann Gunderts Leben war ein einziges großes Zeugnis für diese ebenso große wie einfache Wahrheit. Das macht sein geistiges Erbe heute wichtiger und aktueller denn je: Gelebte Toleranz, ohne die eigenen Wurzeln zu leugnen oder zu kappen, das geht alle an – nicht nur Pietisten, auch nicht nur Christen.

Hermann Gundert – Der

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