Читать книгу Hermann Gundert – Der "Luther von Malabar" - Widmar Puhl - Страница 6

Elternhaus und Familienverhältnisse

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Enger als bei Hermann Gundert kann ein Leben kaum mit der Bibel verknüpft sein. Sein Elternhaus in der Stuttgarter Kirchgasse – das Gebäude brannte im Zweiten Weltkrieg ab – war von tiefer Frömmigkeit geprägt. Der Vater, Ludwig Gundert (1783 - 1854), Sohn eines Lehrers, begann als kleiner Kaufmann und war 1812 Gründungsmitglied und Sekretär der privilegierten Württembergischen Bibelanstalt. Diese Einrichtung wurde von der Deutschen Christentumsgesellschaft zur Pflege der biblisch geprägten Frömmigkeit und von den pietistischen Gemeinschaften zusammen mit der evangelischen Landeskirche getragen. 1816 produzierte noch die Tübinger Druckerei Hopfer de L´Orme die ersten 10 000 Bibeln, da die Bibelanstalt noch keine eigene Druckerei besaß. Nach einigen Jahren konnte man die ersten Druckerpressen in der Eberhardsgasse aufstellen, wo die Bibelgesellschaft Räume gemietet hatte und Hermann Gunderts Vater nebenamtlich im Kontor arbeitete. Es gab aber so viel zu tun und die weltlichen Geschäfte liefen so schlecht, dass die Bibelanstalt Ludwig Gundert 1819 als ersten Sekretär hauptamtlich anstellte.

Hermann Gunderts Mutter war Christiane Luise Enßlin (1792 – 1833), die Tochter eines Kolonialwarenhändlers, zu deren Familie aber auch Lehrer, Stadtschreiber und Pfarrer gehörten. Johannes Hesse, der Vater von Hermann Hesse, der Hermann Gunderts Tochter Marie heiratete und sein Nachfolger als Vorstand des Calwer Verlagsvereins wurde, beschreibt sie in seinem Buch „Hermann Gunderts Leben“ als „zartbesaitete Seele“ mit einem wahren Heißhunger auf alles Schöne und Geistreiche. Sie war aber auch religiös geprägt von ihren pietistischen Lehrern Flatt und Dann. Dass aber der Geist Gottes weht, wo er will – damit hatte es dieser Mann nicht so arg. Trotz des schwülstigen Stils und der bigotten Frömmelei seines Autors bestimmt dieses Buch bis heute das öffentliche Gundert-Bild. Dennoch werde ich daraus zitieren, wenn es um Fakten geht. Fakten sind aber mehr als Lebensbezüge, aus denen Propaganda einen Teil einfach streicht.

Hermann Gundert hat seiner Mutter mit 19 Jahren aus Briefen und Aufzeichnungen zu einer Art Familienchronik ein Denkmal gesetzt, das 1868 als Manuskript gedruckt wurde und 1893 im Verlag der Calwer Vereinsbuchhandlung mit dem Titel „Christianens Denkmal“ erschien. Von ihr hat der Sohn einen bedeutenden Teil seiner schöngeistigen Fähigkeiten geerbt – aber eben auch anderes.

Wie mir Pfarrer Hans-Hermann Enßlin aus Beutelsbach im Remstal berichtet hat, war Christianes Schwester Friederike-Rosine mit dem Dekan Simeon Gundert (zuletzt in Esslingen) verheiratet, und ihr Bruder Karl Heinrich wurde ebenfalls Pfarrer. Von diesen Enßlins stammt auch der Pfarrer Helmut Enßlin ab, dessen Tochter Gudrun Ensslin 1977 als Terroristin durch einen nie ganz geklärten Selbstmord in Stuttgart Stammheim endete. Diese Tatsache kann und darf Gundert nicht rückwirkend in die Nähe des Terrorismus rücken, wohl aber als Beispiel für kritisches Denken im viel zitierten „schwäbischen Pfarrhaus“ dienen. Das wird nämlich gern unterschlagen.

Henriette Enßlin (1824 – 1914), Tochter des Pfarrers Heinrich Enßlin und Nicht seiner Mutter Christiane, war ab 1862 Hermann Gunderts Mitarbeiterin in Calw. Aber zurück zur Chronologie.

Ludwig Gundert und Christiane Enßlin heirateten 1810, und Ludwig wurde Geschäftsteilhaber seines Schwiegervaters. Am 4. Februar 1814 kam der Sohn Hermann zur Welt. Seinen Namen, eine Erinnerung an den Germanenfürsten Hermann den Cherusker, bekam er im Überschwang des Nationalismus nach der Völkerschlacht von Leipzig, mitten im Befreiungskrieg gegen Napoleon. Der Vater unterrichtete ihn im Lesen, Schreiben, Rechnen und sogar in Latein. Und so kam es, dass Hermann im Oktober 1819, im Alter von nur fünf Jahren, zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Ludwig das „Gymnasium illustre“ besuchen durfte. Dieser Vorläufer des traditionsreichen Stuttgarter Eberhard-Ludwig-Gymnasiums, das heute am Herdweg liegt, stand an der Ecke Gymnasiumstraße/Lange Straße, nicht weit von der Bibelanstalt in der Eberhardgasse entfernt.

Als Hermann sechs Jahre alt war, arbeitete der Vater schon ganz im dortigen Kontor. Die Söhne verbrachten viel Zeit bei ihm zwischen Papierballen und Pressen, Büromöbeln und Büchern. Hermann kam von dem Geruch nach Druckerschwärze, Bleisatz und Buchbinderleim nie wieder los.

Er studierte längst in Tübingen, als 1832 das neue Bibelhaus an der Ecke Christophstraße/Hauptstätterstraße fertig wurde, wo im dritten Stockwerk der „Bibel-Gundert“ und seine Familie dann eine schöne Wohnung beziehen konnten. Das Haus war, wie Johannes Hesse berichtet, „freundlich gelegen und hatte ein Gärtchen dahinter“. Doch eine Idylle war dieses Leben nie. Schon der junge Gundert begegnerte dem Tod.

Damals war die Kindersterblichkeit hoch, und so verlor Hermann mehrere Geschwister bereits in der Kinderzeit: Christiane (1813), Emilie (1816), Theodor (1819)m Sophie (1819), Ernst Heinrich (1826) und Marie (1827), Zu all diesen Schlägen kam noch, so schreibt Johannes Hesse, „dass die Firma Enßlin und Gundert sich auflösen musste und man sich in äußerst beengte Verhältnisse zurückversetzt sah. Das alte geräumige Haus musste verlassen und eine kleine Mietwohnung bezogen werden. Man brauchte jetzt allerdings auch weniger Raum, denn die beiden Ältesten, Ludwig und Hermann, waren bereits ausgeflogen, jener nach Basel in ein kaufmännisches Geschäft, dieser nach Maulbronn ins Evangelische Seminar“.

Hermann Gundert – Der

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