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Chasing Cars

Ein sehr einfacher und effektiver Weg, seinen Mitmenschen Persönlichkeitsmerkmale, Tatsachen oder Einstellungen mitzuteilen, ist das Anbringen eines Aufklebers an der Rückscheibe des Autos.

Häufige Aussagen sind: „Baby an Bord" bzw. „Baby fährt mit!“ oder auch die fremdsprachliche Version „Baby on Board!“. Allerdings sind diese Art von Sticker auch schon wieder voll out. Selbst Eltern von Kleinkindern gehen mit dem Trend und passen sich neuen Entwicklungen an. Heutzutage muss schon was Individuelles her, z. B. „Ann-Jaqueline fährt mit!“. Am besten man hat nicht nur Ann-Jaqueline gezeugt, sondern auch noch Kevin-Horst und dessen Aufkleber befindet sich dann in der anderen Ecke der Rückscheibe. Ann-Jaqueline und Kevin-Horst sind auch individuell gezeichnet, Ann-Jaqueline in rosa und Kevin-Horst in hellblau. Wunderschön und äußerst kreativ! Und wie gesagt, jetzt weiß ich Bescheid!

Aber ein wenig wundert mich, worüber ich Bescheid wissen soll. Wird hier nur dezent auf die Beförderung von Ann-Jaqueline und Kevin-Horst hingewiesen oder will mir das Pärchen vor mir noch weitgehendere Nachrichten überbringen? Ich klebe doch auch nicht „Kiste Becks fährt mit!“ hinten drauf.

Ich denke weiter. Die Existenz von Ann-Jaqueline und Kevin-Horst setzt eine ganz wichtige Begebenheit voraus. Ja genau, die zwei oder nur der oder die eine, je nachdem wer gerade mit der glorreichen Nachricht durch die Gegend fährt, hatte schon einmal Geschlechtsverkehr! Toll, denke ich und möchte am liebsten gratulieren. Aber warum muss man diese Nachricht so versteckt und kompliziert ausdrücken? Wahrscheinlich nur, um den Intellekt der Mitmenschen herauszufordern. Ein einfaches „Poppen 2006!“ hätte doch auch gereicht. Oder „Ficken for Fun 2004 + 2005!“ wäre auch nicht schlecht gewesen.

Da klappt die Überleitung zu meinem nächsten Thema perfekt. „ABI 2008!“. Aus Erfahrungswerten würde ich diese Aussage folgendermaßen übersetzen: „Ich bin nicht so blöd, wie es mein Fahrstil vermuten lässt!“ Und natürlich zählt ein hoher Schulabschluss mehr als ein einigermaßen zumutbarer Fahrstil.

Mittlerweile gibt es aber schon Gegenangriffe. Ich habe Autos gesehen mit „Hauptschulabschluss 1975!“ oder „Rente 2022!“ und muss gestehen, dass ich diese für weitgehend geistreich und niveauvoll halte. Eigentlich sollte sich jeder seinen gesamten Lebenslauf auf die Rückscheibe drucken lassen, angefangen mit Grundschule Heidberg 1981 bis Prüfung zur Fleischereifachverkäuferin 2006.

Was auch ganz toll ist, ist ein richtig schönes Arschgeweih am Arsch des Autos. Eigentlich ja auch logisch, während die blondierte Hüfthosenträgerin vom Frisörtermin zur Jägermeisterparty fährt, kann man das echte Arschgeweih nicht sehen. Nun ist es aber wichtig, dass man immer was zu sagen hat und ständig ein Statement rüberbringt. Da ist ein Autoarschgeweih nur die logische Konsequenz!

Weiterhin gibt es noch die Möglichkeit sein Auto mit gutem Musikgeschmack zu schmücken. Da eignen sich besonders Death-Metal Bands, da diese immer poetische Namen tragen und die Schriftzüge der dem Arschgeweih ähneln. So kann man wunderschöne Namen wie (Achtung, diese Namen entspringen nicht meiner Fantasie!!!) „Fuck…I’m Dead“ (hier wird auch gleichzeitig auf den metalwürdigen Fahrstil hingewiesen) oder „Cock and Ball Torture“ (auch ein kleiner dezenter Hinweis, dass man Erfahrungen mit der Pubertät gemacht hat) dort anbringen.

Am besten wäre jedoch, wenn man sämtliche Möglichkeiten der Selbstauskunft kombiniert. Also ich fange an bei Grundschule Wirdum 1980 (kleine Anmerkung: Wirdum ist ein Dorf in der Gemeinde Krummhörn in Ostfriesland und dort durchaus durch den witzigen Ausspruch: „Ich dumm, du dumm, wir dumm!“ bekannt), weiter dann zum beinahe Hauptschulabschluss 1993, dafür aber Poppen 1994 (Ann-Jaqueline) und noch mal Ficken 1996 (Kevin-Horst), Hartz4 1995 und Peter Zwegat 1997. Das Ganze wird oben von einem Autoarschgeweih geschmückt (für die Mami) und unten mit dem Emblem des GTI-Clubs Wolfenbüttel (für den Papi). Eventuell hört man noch Death-Metal und hat dann noch in Arschgeweihschrift „Dying Fetus“ auf der Rückscheibe, das passt auch sehr gut zu der rosa und hellblauen Babyschrift!

Zum Abschluss muss ich gestehen, dass auch ich in meiner Jugend beinahe dazu verführt wurde, Mamas Auto mit einem wunderschönen Sticker zu bekleben. Auf diesem war ein Auto fahrendes Schwein zu sehen und in der Sprechblase stand: „Ich fahre nicht nur wie eine Sau, ich bin auch sonst eine!“ Als meine Mutter von meinem geplanten Vorgehen erfuhr, hat sie natürlich alles möglich Erdenkliche getan, um das zu verhindern. Ein Glück, es wäre sowieso zwecklos gewesen. 2 Wochen später fuhr ich Mamas Auto zu Schrott!

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