Читать книгу Von Heimspielen und Ponyhöfen - Wiebke Saathoff - Страница 7
ОглавлениеHappy Mörtel
Endlich Urlaub! Dass die Handwerker heute Morgen kommen, ist bestimmt kein Problem. Die brauchen nur einen Tag. Höchstens zwei. Und dann sowieso nur einen zweiten halben Tag. Also insgesamt eineinhalb Tage. Und dann ausruhen. In den Tag Leben. Erholung. Ruhe. Wellness. Wie schöööön!
Heute stelle ich mir das letzte Mal den Wecker. Danach wache ich einfach auf, wenn ich fertig bin mit dem Schlafen. Ok, so 6:30 Uhr ist nicht die ideale Zeit, um ausgeschlafen zu sein, aber ein Mal, ja so ein Mal kann man das ja machen.
Jetzt ist es halb 8, gleich kommen sie, die Handwerker. Ich mache schon mal Kaffee. Handwerker trinken gerne Kaffee. Das weiß ich.
Es ist jetzt halb 9. Ich habe sechs Tassen Kaffee getrunken, weil es ja zu schade ist, den frischen Fairtrade Kaffee von Kindern von kolumbianischen Bauern wegzugießen. Ich fühle mich ein wenig aufgekratzt und muss dauernd auf Klo.
Jetzt ist es hab 10. Ich mache mir Sorgen um die Handwerker, nicht dass ihr Handwerker-mobil auf dem Weg hierher kaputt gegangen ist oder abgebrannt ist, weil die Handwerker da drinne geraucht haben. Handwerker machen so was. Das weiß ich.
Ich habe 17 Mal auf ihre Mailbox gesprochen.
Nachricht 1: "Saathoff hier, wir haben heute einen Termin."
Nachricht 2: "Saathoff hier noch mal, ich wollte sagen, dass ich auf Sie warte!"
Nachricht 3: "Saathoff hier, sind sie vielleicht auf dem Weg?!"
Nachricht 4: "Saathoff hier, ich habe Kaffee gekocht."
Nachricht 5: "Saathoff hier, jetzt ist nur noch eine Tasse Kaffee übrig!"
Nachricht 6: "Saathoff hier, die letzte Tasse hat eh nicht mehr geschmeckt, der Kaffee war lauwarm!"
Nachricht 7: "Saathoff hier. Ich verspreche auch neuen Kaffee zu kochen, wenn Sie hier mal erscheinen!"
Nachricht 8: "Saathoff hier. Kaffeemaschine läuft. Wenn sie nicht bald da sind, werd ich sauer!"
Nachricht 9: "Saathoff hier. Also, jetzt haben sie's geschafft! Ich bin sauer!"
Nachricht 10: "Saathoff hier. Wenn sie nicht sofort ihren verfickten Arsch in meine Bude schieben dann.....dann....ach, ich weiß auch nicht!"
Nachricht 11: "Saathoff hier. ....dann reiß ich die verfickten Fenster eben selber raus und die Scheißwand gleich mit!"
Nachricht 12: "Saathoff hier, aaarrrgghhhhh!
Nachricht 13: "Saathoff hier, ich hoffe sie haben Mörtel, das Loch in der Wand ist etwas groß geworden!"
Nachricht 14: "Saathoff hier, beeilen sie sich, es wird kalt hier!"
Nachricht 15: "Saathoff hier, wenn sie anhalten, bringen sie gleich Kaffee mit!"
Nachricht 16: "Saathoff hier, ich bin dann mal im Baumarkt!"
Nachricht 17: "Wichser!"
Auf dem Weg in den Baumarkt fühle ich das Testosteron und den Kaffee in mein Blut schießen. Das Baumarktsyndrom ergreift mich. Ich bin unbesiegbar. Ich bin ein Macher. Mein Mazda Demio hat gefühlte 210 PS. Ich leiste mir ein kleines Rennen mit dem roten Porsche neben mir und gewinne natürlich. Ich wechsle ständig die Fahrbahn ohne zu blinken. Ich nehme alten Damen die Vorfahrt. Ich zeige der Polizei den Mittelfinger. Ich höre Black Metal und nuschle mit. Der Text ist eh egal, den versteht eh niemand, ich nehme an irgendwas mit: "Die Bitch, die!" oder so.
Im Baumarkteingangsbereich hängt ein riesiges Poster von einem Mann in einem Feinrippshirt, der gerade mit einem Hammer eine Wand einschlägt. "Mach es zu deinem Projekt" steht da drüber. Das bin ich. Wie gut es sich anfühlt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Der Baumarkt ist voll mit einzelnen Männern, die wie ich mit einer Kennermiene zielstrebig auf die Regale mit Schrauben, Hämmern, Nageln und Bohrern laufen. Einzelne Frauen schauen sich unsicher um oder laufen ihren Männern hinterher. So ein Baumarkt, das ist kein Ort für Frauen!
Ich kaufe einen Sack Mörtel und eine Marmorplatte für die Schwelle des Lochs. Sie haben keine neuen Fenster. Deswegen brülle ich den Azubi an. Und auch weil er mir die Marmorplatte nicht zuschneiden will. Na dann mach ich das halt selber! Schließlich kann ich alles!
Zu Hause angekommen kommt mir eine eisige Kälte aus der Wohnung entgegen. Ach ja, das Loch in der Wand. Deswegen war ich im Baumarkt. Mein Anrufbeantworter blinkt.
"Sehr geehrte Frau Saathoff, leider konnten wir sie zu dem vereinbarten Termin nicht antreffen. Bitte vereinbaren Sie einen Ersatztermin unter 0421 6846593. Das Geld für die Anfahrt müssen wir Ihnen leider in Rechnung stellen. Ihre Tischlerei Müller."
Sie haben einen Termin in zwei Wochen frei. Ich messe das Loch aus und sie bestellen ein passendes Fenster. Es ist eine Spezialanfertigung. Für die Herstellung werden grob vier Wochen einkalkuliert. In vier Wochen ist aber kein Termin frei. Ich bekomme einen Termin in fünf Wochen.
Ich mörtle die Löcher zu und da es jetzt eh dunkel ist, entschließe ich mich, meiner Wohnung etwas mehr Romantik einzuverleiben. Ich kaufe mir Kerzen bei Rossmann. Ach, wie schön das doch duftet, in so einer Drogerie, die ganzen schönen Cremes und das Erdbeerschampoo und der pinkfarbene Lidschatten ist so neckisch und ich wollte schon immer eine Gesichtsmaske mit Goldpigmenten machen und die Fußnägel rot lackieren.
Mann, wie schön ist es doch eine Frau zu sein!