Читать книгу Die Würde des Menschen ist ein Konjunktiv - Wiglaf Droste - Страница 25
ОглавлениеZonenwelten
Man kennt die Fußgängerzone, die Tempo-dreißig-Zone, die Umweltzone, die Sicherheitszone am Flughafen und die Gebetszone. Frauennormierungszeitschriften erfanden die Bikini-Zone und, ganz besonders niederträchtig, die Problemzone. Auch die Michelhouellebecq’sche »Ausweitung der Kampfzone« steht jedem offen, der sowas mag, und der Fernsehmoderator Dieter Moor erklärte den brandenburgischen Landstrich, dem er zuzog, gleich gewinnbringend zur »arschlochfreien Zone«.
Ein geographisch kleinerer Teil Deutschlands wurde jahrzehntelang als »die Zone« beziehungsweise »sowjetisch besetzte Zone« oder »Ostzone« bezeichnet und nach der Aneignung durch den größeren Part wahlweise durch Partyzonen oder durch »national befreite Zonen« ersetzt.
An Zonen herrscht also keinerlei Mangel, an einer Zonengrenze möglicherweise schon, denn Zonen gibt es so überreichlich, wie es »Kulturen« gibt, beispielsweise die von Wolfgang Thierse ausersonnene »Entfeindungskultur«, auf die Eckhard Henscheid schon vor Jahren hinwies.
Das Wort »Zone« hat die Qualität von »Universum«, »Welt« oder »Philosophie«; jeder Gastronom erklärt seine »Geschäftsphilosophie« – Philosophie bedeutet Liebe zur Weisheit –; Installateure, die Herren von Gas, Wasser und Exkrement, erfinden gänzlich unerbeten die »Erlebniswelt Sanitär«, und schon lange staunen wir über das »Teppich-Universum«, den Perserteppich ad perversum.
Seit dem Frühjahr 2013 gibt es noch eine Zone mehr: die »Komfortzone«. Das klingt komfortabel und ist dennoch offenbar ungeliebt; vielleicht liegt es an den drei »o« in einem Wort, das aber bei weitem nicht so schön klingt wie der auf vier »o« laufende »Ottomotor«?
Oder daran, dass »Komfortzone« an Eltern oder Lehrer erinnert, vor denen man sich unter dem Sofa oder in der Turnhalle hinter dem Mattenwagen versteckte und die dann in scharfem Ton befahlen: »Komm ma’ vor«?
Man weiß es nicht; medial bekannt wurde allerdings, dass die Tatort-Kommissarindarstellerin Maria Furtwängler erklärte, »ihre Komfortzone verlassen« zu wollen, um, wie das branchenüblich heißt, »neue Herausforderungen zu suchen«. Was, ins Deutsche übersetzt, ja meistens bedeutet, dass man in finanziell lukrativere Bequemzonen wechseln möchte und sich zu diesem Zweck öffentlich äußert und anbietet.
So verhält es sich auch mit dem Ex-Shampoo-Model Oliver Bierhoff, seit 2004 Angestellter beim Deutschen Fußball Bund, als – ideales Fitnesswort – »Teammanager« der Nationalmannschaft. Außerhalb des DFB ist weit mehr Fußballgeld zu holen, und so hielt es Bierhoff in seiner Komfortzone kaum mehr aus und wollte raus aus dem Komfort.
Sowas kommt vor in der Welt der Komfortzonen. Wir aber widmen uns lieber einer gefährlichen, reizenden Amazone.