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Kapitel 2: Hamids Flucht

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Die drei Freunde und Hamid hatten es sich in der Luxus-Suite des Grand Hôtel de Marseille bequem gemacht. Bobine servierte eine Limo, die Hamid durstig in sich hineinschüttete. Dann hielt es Karl nicht länger aus. »Also«, sagte er und Bobine übersetzte simultan, »nun mal raus mit der Sprache: Was hat es mit diesen Männern auf sich, die hinter dir her waren wie der Teufel hinter der armen Seele?«

Hamid setzte das Glas ab und begann seinen Bericht. Er hatte allerhand zu erzählen.

Kein halbes Jahr war es her, da hatten seine Eltern den Zehnjährigen dem Kapitän der Dolores anbefohlen. Dolores war der Name eines kleinen Handelsschiffs, das zwischen verschiedenen Häfen des Mittelmeers verkehrte und zumeist Teppiche aus Nordafrika in südfranzösische und italienische Hafenstädte brachte und dort Lebensmittel an Bord nahm, die nach Marokko eingeführt wurden. Die Abmachung war, dass der Kapitän Hamid bei Leuten in Marseille unterbringen sollte, damit er in Frankreich ein besseres Leben hätte als im armen Nordafrika. In Hamids Heimatdorf gab es nämlich kaum Arbeit, keine gute Schulausbildung und seine Eltern waren so arm, dass sie manchmal nicht mal genug zu essen hatten. Dann hatte man von der Möglichkeit gehört auf der Dolores nach Frankreich geschleust zu werden. Für sich selbst konnten Hamids Eltern unmöglich das Geld aufbringen, das der Kapitän und seine Unterhändler für die Schlepperaktion verlangten, aber für ihren Jungen wollten sie eine bessere Zukunft. Sie hatten ihr letztes Geld geopfert, Verwandte um Hilfe gebeten, alles getan, um ihm die Überfahrt nach Europa zu ermöglichen, und Kapitän Gilbert hatte versprochen Hamid bei Freunden unterzubringen. Die würden ihm Papiere beschaffen und für einen legalen Aufenthalt in Frankreich, für Essen und Schulbildung sorgen. Käpt’n Gilbert hatte Hamids Zukunft in den buntesten Farben gemalt. Doch kaum hatte die Dolores vom Kai in Casablanca abgelegt, da begann der Alptraum: Hamid musste schwerste Arbeiten verrichten, wurde schlecht verpflegt und ständig herumgeschubst. Die Matrosen trieben ihren Schabernack mit dem hilflosen Jungen und manchmal wurde er sogar geschlagen. Von den Freunden in Marseille war überhaupt nicht mehr die Rede. Stattdessen hieß es, Hamid könne sich sein Brot als Schiffsjunge verdienen, wenn er nicht verhungern wolle. Kurz bevor sie in Marseille anlegten, hatte Hamid bei Reinigungs­arbeiten unter Deck ein Gespräch zwischen Käpt’n Gilbert und den beiden Männern belauscht, vor denen Karl ihn heute gerettet hatte. Der Kapitän hatte wütend mit der Faust auf den Tisch gehauen und gebrüllt, so laut, dass Hamid es durch die geschlossene Kajütentür hören konnte: »Hier wird gemacht, was ich sage! Und ihr kümmert euch um die Sache. Dieser Martinez ist stinkreich, ihr wisst ja, was Rennfahrer für Unsummen verdienen. Also seht zu, dass ihr den Auftrag erledigt – sauber und gewissenlos.« In dem Moment begann das Schiff im Wellengang schwer zu schaukeln. Hamid verlor das Gleichgewicht und fiel mit einem lauten Poltern zu Boden. Sofort stürzte Alfredo, der kräftigere der beiden Helfershelfer des Käpt’ns, zur Tür und entdeckte den Jungen.

»Dieser Nichtsnutz bespitzelt uns!«, schrie der Kapitän aufgebracht. Im Nu hatte Hamid sich links und rechts eine Ohrfeige eingefangen. Dann wollte der Gangster nach ihm treten, aber mit einer raschen Körperdrehung konnte der Junge dem Tritt ausweichen. Alfredo geriet aus dem Gleichgewicht und stürzte ebenfalls zu Boden. Schon näherten sich Käpt’n Gilbert und Alfredos Kumpan Laurent. In Panik rappelte Hamid sich auf, rannte zur Reling, drehte sich noch einmal um und sah die Männer mit wütender Drohgebärde auf sich zukommen. Hamid zögerte nicht lange und sprang über Bord. Der Hafen von Marseille befand sich in Sichtweite und Hamid war ein guter Schwimmer. »Hinterher! Na los!«, hörte er hinter sich den Kapitän rufen. Noch war Hamid nicht in Sicherheit, zumal er rasch merken musste, dass er seine Kräfte überschätzt hatte. Der Hafen wollte einfach nicht näher kommen. Dabei hatte er vom Schiff aus schon so nah ausgesehen. Zum Glück war ein kleines Fischerboot auf den Jungen aufmerksam geworden und fischte ihn aus dem Wasser. Hamid atmete auf. Doch dann musste er zusehen, wie sich das Beiboot der Dolores rasch näherte. Es war viel schneller als das schwerfällige Boot der Fischer. Schon von weitem sah man Laurent und Alfredo wild gestikulieren. Dazu riefen sie immerzu: »Halt! Stopp!« Die beiden Fischer wurden unruhig und begannen Fragen zu stellen, aber Hamid tat, als verstehe er sie nicht. Schließlich erreichten die beiden Boote fast zeitgleich den Hafen von Marseille. Als das Fischerboot in der Nähe einer Yacht vorbeikam, die dort vor Anker lag, griff der Junge reaktionsschnell nach dem Ankerseil, das, straff gespannt, Bug und Meeresboden verband. Während das Boot weitertrieb, blieb er mit beiden Händen an dem Seil hängen und hangelte sich an Bord der Yacht. Dort war niemand zu sehen. Hamid rannte einmal quer über das Schiff und wagte zunächst nicht von Bord zu gehen. Nach einer Weile sprang er aber doch vom Heck auf die Kaimauer, nur um wenige Sekunden später Alfredo und Laurent in die Arme zu laufen, die in einem Versteck nur darauf gewartet hatten, dass er die Yacht verließ. Hamid sah nur einen Ausweg: sich ins Getümmel des Marktes zu stürzen, dessen endlose Reihen von Tischen und Buden fast bis an den Kai reichten.

»Und hier kamen wir dann ins Spiel«, schloss Karl.

»Wir müssen sofort die Polizei benachrichtigen!«, meinte Bobine. Aber als Hamid das Wort Polizei hörte, schoss er wie ein geölter Blitz von seinem Platz in die Höhe und stürzte zur Tür. Sofort hechtete Karl ihm hinterher und konnte ihn gerade noch am Verlassen der Suite hindern. »Schon gut, schon gut, keine Polizei«, suchte Karl, im ständigen Blickkontakt mit seiner Übersetzerin, ihn zu beschwichtigen.

»Aber warum nicht?«, wunderte sich Kurt. »Wir haben es hier ohne Frage mit einer illegalen Schlepperaktion, ja sogar mit Kindesentführung zu tun.«

»Je n’ai pas de permis!«, erklärte Hamid mit völlig verängstigter Miene.

»Er hat keine Aufenthaltsgenehmigung für Frankreich«, übersetzte Bobine. »Er weiß, dass er damit so schnell wie möglich wieder nach Marokko abgeschoben wird.«

»Und dann: aus der Traum vom Leben wie Gott in Frankreich«, führte Karl den Gedanken zu Ende. Hamid sprach hastig weiter und Bobine machte deutlich, dass es eine Riesenenttäuschung für seine Eltern wäre, wenn er hier nicht Fuß fassen könnte. »Sie haben ja schließlich ihren letzten Heller in dieses Frankreich-Abenteuer investiert.«

»Aber das sind Verbrecher, gemeine Verbrecher«, wandte Kurt ein. »Sollen wir die vielleicht dingfest machen? Ich meine, gut, wir haben schon einiges erlebt und der Polizei schon so manche Arbeit abgenommen, aber das Ding hier ist doch wohl ’ne Nummer zu groß, oder?«

»Was wir auf jeden Fall tun können, ist Martinez zu warnen.«

»Weißt du denn, wer das ist?«, wollte Bobine wissen.

»Meine liebe Bobine, du bist leider eine fast schon traurige Bestätigung des Vorurteils, dass Mädchen die schlimmsten Sportmuffel sind«, entgegnete Karl mit der Bobine so verhassten Blasiertheit. Sie zuckte beleidigt mit den Achseln. »Würdest du unsere liebenswerte, aber manchmal etwas unterbelichtete Freundin bitte aufklären, Superhirn?«

»Moment!«, rief Kurt. »Nicht, dass ich die Lebensdaten des 1958 geborenen dreifachen Formel-1-Weltmeisters nicht im Kopf hätte, aber wir wollen da doch ganz genau sein.« Also warf Kurt sein Allzwecktelefon der Marke Icony an und gab »Renaultzéro Martinez« bei Toodle ein. Als wäre er selbst der Computer, spuckte er daraufhin die wichtigsten Daten zu Renaultzéro Martinez aus: »Renaultzéro Martinez, wie gesagt Jahrgang 1958, geboren in Valencia/Spanien, Vater Spanier, Mutter Französin. Einstieg als Rennfahrer in die Formel 1 vor ziemlich genau 25 Jahren, zuerst für Williams. Bereits in seinem zweiten Jahr in der Formel 1 WM-Vierter. Nach fünf Jahren bei Williams Wechsel zum Pariser Rennstall Vaillant, mit dem er seine größten Erfolge feierte. Insgesamt 27 Grand-Prix-Siege, im Verlauf eines Jahrzehnts insgesamt dreimal Formel-1-Weltmeister. Nach dem dritten Titel überraschend der Rücktritt vom Rennsport. In dritter Ehe verheiratet mit Sandrine Débonnaire, einem ehemaligen Fotomodell. Ein Kind: Sylvain Martinez, genannt Silly, zehn Jahre alt. Geschätztes Gesamtvermögen: 60 Millionen Euro.«

»Ich heiß’ Egon, wenn das nicht genau der Mann ist, auf den es unsere Freunde von der Dolores abgesehen haben!«, verkündete Karl. »Und um ihn zu warnen brauchen wir auch keine Polizei. Wir sollten aber so schnell wie möglich herausfinden, wie seine Telefonnummer lautet. Ich schlage vor, dass ich ins Internet gehe, Daten-Genie Kurt mir dabei ein bisschen auf die Finger schaut und du, Bobine, mit deinem blendenden Französisch die gute, alte Telefonauskunft bemühst.«

»Du kannst so charmant sein, Karlchen«, lächelte Bobine ihn bissig an. »Wie war das noch: trauriges Beispiel für den schlimmsten Sportmuffel, nur weil ich irgend so’nen PS-Protzer nicht kenne?«

»Ich korrigiere«, erwiderte Karl. »Streiche: Sportmuffel, setze: überempfindliche Mimose!«

Hamid, dem die kleine Auseinandersetzung nicht übersetzt worden war, schaute ein bisschen ratlos drein. »PS-Prodsär, c’est quoi?«, fragte er. Und Bobine antwortete kurz angebunden, das sei nicht übersetzbar.

Es war schwieriger als erwartet die Telefonnummer des Rennstars herauszubekommen. Autogrammadressen und Agenturnummern gab es im Internet zuhauf, aber die private Telefonnummer von Martinez: Fehlanzeige. Bei der Auskunft und diversen Agenturen, deren Nummern Karl ihr vorgelegt hatte, biss Bobine auf Granit. Offenbar verfügte der Formel-1-Star nur über eine Geheimnummer – typisch für Prominente. Und als Bobine drängte, es handle sich um Leben und Tod, bekam sie zur Antwort, dann solle sie sich doch an die Gendarmerie wenden. Für Leben und Tod seien die schließlich die Experten.

»Dann schlage ich vor, wir kontaktieren diese komische Agentur, die für Martinez’ Werbeverträge zuständig ist«, meinte Karl.

»Mir glüht schon das Ohr«, beschwerte sich Bobine.

Doch endlich stellte sich ein Erfolg ein. Bobine wurde zweimal weiterverbunden, dann hatte sie endlich Martinez’ Agenten an der Strippe. Und der sagte zu, nach Rücksprache mit Martinez persönlich zurückzurufen. Zur Überraschung aller meldete sich dann aber jemand ganz anderer.

»Oh, Monsieur Martinez?«, staunte Bobine und plötzlich geriet ihr sonst so souveränes Französisch etwas ins Stocken. Kurt betätigte rasch die Lautsprechertaste des Zimmertelefons.

»Weiß gar nicht, warum sie jetzt so nervös wird«, spottete er. »Sie kennt den Typen doch gar nicht.«

»Pst!«, gebot Karl, der das Telefon­gespräch gebannt verfolgte, auch wenn er fast nichts verstand. Immerhin verriet Bobines nervöses Mienenspiel doch einiges.

»Kindermärchen«, wiegelte der einstige Formel-1-Star ungeduldig ab, nachdem Bobine ihre Warnung mit dem ihr möglichen Nachdruck vorgetragen hatte. (Wir geben hier der Einfachheit halber die übersetzte Fassung des Gesprächs wieder.) »Ihr müsstet mal sehen, wie ich hier wohne! Mein Haus ist ein gut bewachter Palast, nach vorn, nach hinten, nach allen Seiten gesichert! Hier kommt keine Mücke rein, ohne dass sie von meinen Videokameras aufgezeichnet wird.«

»Aber es könnte doch –«

»Mein Kind, ich bin ein viel beschäftigter Mann und habe wirklich Besseres zu tun, als mir hier Fantasiegeschichten anzuhören. Ich hätte es wissen müssen, aber was tut man nicht alles für seine Fans!«

»Ich bin nicht Ihr –«

»Also, du kannst gerne deine Adresse bei meinem Agenten hinterlassen, dann schick’ ich dir ’ne Autogrammkarte zu.«

»Nun«, sagte Bobine schließlich, »wir wollten Sie nur gewarnt haben. Sie sind ein reicher Mann, Sie haben viele Neider. Sie wissen jedenfalls jetzt Bescheid, dass da jemand –«

Bobine sprach nicht weiter. Martinez hatte aufgelegt.

»So ein arroganter Ar –«

»St-Ar, wolltest du sagen«, schnitt Karl ihr das Wort ab.

»Ja, und ich bin lieber ein unwissender Sportmuffel als so einen... Star auch nur eines Blickes zu würdigen!«

Die drei ?!? Nervensägen!?!

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