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Stadtfeiertag Crailsheim

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Es war kalt an jenem Mittwoch im Februar. Walter Lilienfelder ließ den Blick wohlwollend über seine Bürgerwache schweifen. Er war stolz auf seine Truppe. Stolz darauf, dass sie in den letzten Jahren wieder gewachsen war, auf beachtliche Stärke. Und das, nachdem der Verein beinah wegen Mitgliedermangels hätte aufgegeben werden müssen.

Gerade eben waren der Fanfaren-, der Spielmanns- und der Musikzug vorausgegangen und hatten die Kreuzritterfanfare gespielt, gefolgt von der Kompanie. Jetzt standen sie bei bedecktem Himmel – wenigstens betrug die Regenwahrscheinlichkeit nur fünf Prozent – vor dem Rathaus der guten Stadt Crailsheim. Die Bürgerwache war auch an diesem Stadtfeiertag angetreten, um der Stadt die Ehre zu erweisen. Etwa 200 Menschen hatten sich auf dem Marktplatz unweit des Brunnens mit den steinernen Marktfrauen Dorle und Paula versammelt, der Dicken und der Dürren. Es war extrem kalt an diesem Mittwoch im Februar, die Leute wickelten ihre Mäntel enger um ihre Körper. Die Mitglieder der Bürgerwache froren genauso, aber sie hielten durch.

»Ach-tung!«, kommandierte Walter Lilienfelder. Dann drehte er sich zur Rathaustreppe um. Der Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer stand im Anzug und mit der schweren goldfarbenen Ehrenkette der Stadt behangen auf den Stufen des Rathauses vollkommen aufrecht da, als Lilienfelder mit lauter Stimme rief: »Herr Oberbürgermeister und Ehrenleutnant der Bürgerwache Crailsheim, ich melde, die Bürgerwache ist anlässlich des Stadtfeiertags vollständig angetreten zum Ehrensalut auf die gute Stadt Crailsheim. Ich bitte um Abnahme der Ehrenformation.«

Walter Lilienfelder entfuhr ein kleiner, von den meisten unbemerkter Seufzer, es war wirklich, wirklich schade, dass dies sein letzter Stadtfeiertag als Kommandant war. Aber er wusste, dass sein Nachfolger das ebenso gut machen würde, und es war nun mal Zeit für den Ruhestand.

Christoph Grimmer nickte würdevoll und ernst und kam die Treppe herunter zum Kommandanten. Der Präsentiermarsch setzte ein, und gemeinsam schritten sie langsam die Reihe der Bürgerwache ab, die Arkaden entlang und endlich wieder zurück. Die Menge wippte teilweise im Takt mit, war aber ansonsten für Hohenloher Verhältnisse relativ aufmerksam. Dann folgte Walter Lilienfelders Lieblingsteil. Nach dem Präsentiermarsch war es ganz still. »Ach-tung!«, rief er wieder, und seine Stimme echote von den umliegenden Hauswänden wider. Seine Leute nahmen Haltung an. »Präsentiert–das–Gewehr!«

Zackig waren die Bewegungen seiner Kompanie, perfekt einstudiert. So war es recht, ein gutes Vermächtnis, das war keine Schande. Er wartete eine Sekunde, bevor er befahl: »Hoch!«

24 Schweizer Ordonnanzgewehre richteten ihre Läufe gen Himmel, alle genau im selben Winkel ausgerichtet.

»Geeeeebt Feu-er!«, befahl Lilienfelder und war zufrieden mit den fast unisono erklingenden ersten Salutschüssen. »Laden!«, ordnete er an, dann zum zweiten und dritten Mal, »Geeeeebt Feu-er!« und »­Geeeeebt Feu-er!«

Und Walter Lilienfelder lauschte lange, lange dem verklingenden Schuss nach, denn er glaubte fälschlicherweise, dass dies sein letztes Ehrensalut-Kommando gewesen war.

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