Читать книгу Bürgerwache - Wildis Streng - Страница 9
Parkfestsamstag
Оглавление»Wirklich schön hier«, fand Lisa und streichelte Heiko über die Wange.
Der brummte und lächelte leicht. Dieses Brummen war es, was seine Freundin Lisa, die aus Westfalen stammte, dazu gebracht hatte, ihn »Bärchen« zu taufen, allerdings nannte sie ihn niemals in der Öffentlichkeit so. Und schon gar nicht auf dem Revier. Da waren sie Kriminalkommissarin Luft und Kriminalkommissar Wüst. Heiko kratzte die letzten Reste des leckeren Spaghettieises aus der erdbeerförmigen rot-grünen Schale, steckte sich den Löffel in den Mund und lehnte sich dann zurück. »Scho«, gab er zu, und sein Blick schweifte zum plätschernden Brunnen mit den zerfetzten Bronzeschweinen und den marmornen drehbaren Kugeln, der den Crailsheimer Schweinemarktplatz dominierte. Es war ein wunderschöner Julitag, und normalerweise hätten sie Sita, Heikos Rauhaardackeldame, dabeigehabt. Aber nachher wollten sie noch aufs Parkfest, und der kleine Hund würde wohl zu Tode erschrecken, wenn in seiner Nähe die »Gertrud« abgefeuert werden würde. Heikos Blick wanderte zurück zu Lisa, die ein letztes Mal an ihrem Eiskaffee sog. Sie sah schon gut aus mit ihren blonden Haaren, die sie oft zu einem Pferdeschwanz gebunden trug. Und heute hatte sie ein grünes Sommerkleid mit weißen Blumen darauf an. Jetzt, wo er sie so musterte, zog sie irritiert die Augenbrauen zusammen.
»Ist irgendwas?«, erkundigte sie sich.
»Nein, nix«, beeilte sich Heiko zu versichern.
»Wann fängt das denn an, dieses Parkfest?«
»Um fünfe«, antwortete Heiko.
»Dann müssen wir jetzt aber los«, erklärte Lisa und wies auf die Uhr, die am Tiefgaragenaufgang angebracht war. »Schau mal, es ist Viertel vor fünf.«
»Des haaßt drei viertel fünf«, korrigierte Heiko grinsend und winkte dem Eiscafébesitzer, einem sehr schlanken Italiener mit dunkelblondem Spitzbart und Brille, um die Rechnung zu begleichen.
Minuten später waren sie unterwegs zum Spitalpark – und sie waren nicht die Einzigen. Das Parkfest der Bürgerwache war eine feste Größe im Crailsheimer »Festmarathon«, es fand kurz vor dem Kulturwochenende statt. »Und diese Bürgerwache … das sind doch die mit den Federhüten, gell?«, erinnerte sich Lisa.
»Richtig. Crailsheimer Tradition. Die Ursprünge der Bürgerwache reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück. Und bis heute bewacht die Bürgerwache die Stadt.«
Lisa verdrehte unmerklich die Augen. »Ist ja auch dringend notwendig«, befand sie.
Heiko schnalzte mit der Zunge. »Na, stell dir mal vor, was wäre, wenn die Haller bei uns einmarschieren würden! Nicht auszudenken!«
Lisa grinste. Heiko fand, dass es schön war, bei der Eröffnung dabei zu sein, und hatte vorgeschlagen hinzugehen. Sie überquerten den Zebrastreifen, der früher zur Musikschule geführt hatte, die längst gesprengt worden war. Dann standen sie vor dem Park.
»Da haben die sich aber richtig Mühe gegeben«, lobte Lisa und ließ ihren Blick über die zahlreichen Buden schweifen, die unter den hohen Bäumen im Karree aufgestellt waren. Mittig befand sich eine Bühne, davor und rechts daneben warteten Dutzende Bierzeltgarnituren auf die Besucher. Zwar waren schon einige Leute da, allerdings würden es im Lauf des Abends und auch morgen wohl noch deutlich mehr werden.
»Ja, das ist immer schön, komisch, dass wir da noch nie waren.«
Lisa zuckte die Achseln und nahm seine Hand. »Jetzt sind wir ja da«, meinte sie, und gemeinsam schritten sie die Treppe hinunter.
»Da hinten ist die Eröffnung«, erklärte Heiko und deutete auf einen Pulk Menschen, die im Halbkreis versammelt standen. Sie stellten sich dazu, möglichst leise, da anscheinend bereits eine Rede im Gange war.
»Und wir bedanken uns sehr herzlich bei unserem scheidenden Kommandanten Walter Lilienfelder, Walter, du hast das echt super gemacht, und deshalb wird dir jetzt die Ehre zuteil, unsere ›Gertrud‹ abzufeuern.«
»Wen soll der abfeuern?«, wisperte Lisa konsterniert, in der Hoffnung, sich verhört zu haben.
»Das ist die Kanone der Bürgerwache. Die haben alle Namen«, informierte Heiko grinsend.
»Ach so«, lachte Lisa. »Na, dann bin ich ja froh, dass die Kanone nicht Lisa heißt.«
»Nee, da nehmen sie andere Frauennamen, so ältere …« Heiko hielt inne, denn er bemerkte an Lisas Stirnrunzeln, dass sie drauf und dran war, etwas gegen die Namensdiskriminierung älterer Frauen einzuwenden. Gott sei Dank wurde ihre Aufmerksamkeit aber wieder von der Szene angezogen, die sich vor ihnen abspielte. Mehrere Mitglieder der Bürgerwache, trotz der drückenden Hitze sämtlich in Uniform und mit Hüten auf dem Kopf, die mit verschiedenfarbigen Federn geschmückt waren, hantierten an der Kanone, die in Richtung der Volkshochschule gedreht war. »Maaacht scharf!«, rief soeben einer, der einen schneeweißen Federbusch trug, einigen Männern mit grünen Federn zu. Der mit den weißen Federn hob einen Säbel waagerecht vor sich.
»Schnell, halt dir die Ohren zu!«, riet Heiko, und Lisa fragte zurück: »Warum denn?«
Der Mann senkte den Säbel, der scheidende Kommandant Walter Lilienfelder betätigte daraufhin irgendeine Vorrichtung an der »Gertrud« und die Kanone wurde mit einem unsagbar lauten Knall abgefeuert. Lisa stieß einen spitzen Schrei aus, was Heiko zu einem Grinsen verleitete.
»Deshalb!«, entgegnete er und nahm die Hände herunter.
Lisa versetzte ihm einen Klaps auf den Arm. »Du hättest mich vorwarnen müssen!«
»Habe ich doch!«, verteidigte sich Heiko.
»Maaacht scharf!«, erscholl es wieder zackig aus dem Mund des Weißbefederten, und diesmal presste Lisa geistesgegenwärtig ihre Hände auf beide Ohren. Der Knall, der entstand, als »Gertrud« ein weiteres Mal abgefeuert wurde, war auf diese Weise immer noch laut, aber Lisa musste nicht mehr um ihr Hörvermögen fürchten. Inzwischen erfüllte Rauch die Luft, es roch nach Schwarzpulver, und Lisa fühlte sich ein klein bisschen an Silvester erinnert. Der Einfachheit halber ließ sie ihre Hände dort, wo sie waren, bis »Gertrud« zum dritten Mal geschossen hatte. Und dann noch ein paar weitere Sekunden, zur Sicherheit, bis sich endlich alle von der Kanone entfernt hatten und die unmittelbare Gefahr eines Hörsturzes gebannt war.
»Hiermit erkläre ich das Parkfest für eröffnet«, rief der Hagere mit den weißen Federn auf dem Hut. Die Menge spendete Applaus, und die Szenerie sah seltsam idyllisch aus, weil der Rauch, den die Kanonenschüsse erzeugt hatten, nur sehr langsam aufstieg. Die Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch die Baumwipfel und erleuchteten die Rauchschwaden, als seien sie einzelne Nebelbahnen, die sich vom Boden bis zum Himmel zogen. Bezaubernd wirkte das, auch wenn die Ursache eigentlich ein Kanonenschuss war. Irgendwie märchenhaft.
Alle bewegten sich zu den Bierbänken, in Erwartung der »Bierprobe«, die als nächster Programmpunkt vorgesehen war. Der Name »Bierprobe« war eigentlich Quatsch, denn wirklich »erproben« musste man das Crailsheimer Engel-Bräu nicht, es war ja bekannt, dass es gut war. Trotzdem war die Stimmung sehr andächtig, als der Junior-Chef der Brauerei, Alexander Fach, in ein kariertes Hemd und Lederhose gewandet, mit feierlichem Ernst den Bierhahn an das Fass ansetzte und mit drei gekonnten Hammerschlägen versenkte. Applaus brandete auf, und die ganz Durstigen beeilten sich, nach vorne zu drängen und etwas vom Freibier abzubekommen.
Heiko war nicht der Typ, der an der Bühne um Freibier rangelte, aber Durst hatte er trotzdem. Die sommerliche Hitze hatte dafür gesorgt.
»Da hinten ist der Getränkestand«, machte Lisa ihn auf den achteckigen Stand in sattem Engel-Brauerei-Gelb aufmerksam.
Heiko schüttelte den Kopf. »Anfängerfehler«, belehrte er. »Auf dem Parkfest muss man zuerst Bons kaufen.«
Weil es praktisch war, kaufte er an der Bude mit der Aufschrift »Kasse« – quasi auf Vorrat – zwei Bier für sich und zwei Apfelschorle für Lisa sowie zwei Gulasch-Bons. Lisa konnte ihn allerdings davon abhalten, sofort einen Teller des deftigen Fleischgerichts zu ordern. Immerhin kamen sie gerade erst aus der Eisdiele. Sie holten sich die Getränke und setzten sich mit Blick auf die Bühne auf eine der Bierbänke, um dort mit einem Ohr dem folgenden Programm zu lauschen und sich ein wenig zu unterhalten, wie es alle hier taten.
»Also, die Musik ist ja schon … gewöhnungsbedürftig«, fand Lisa.
Heiko stellte sein Bier ab, schluckte und meinte dann: »Wieso? Ist doch nett. Ist halt Marschmusik. Polkas und so …«
»Kann man dazu nicht auch tanzen?«, hoffte Lisa und hielt Ausschau in Richtung Bühne, ob da jemand tanzte.
Heiko brummte unwillig – Tanzen war so gar nicht seins. »Ich hoffe nicht«, murmelte er und trank erneut einen Schluck Bier.
Tobias Baumann entdeckte seinen alten Kumpel André auf einer der Bierbänke. Er hatte ihn gesucht, denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass es seinem Freund nicht so gut ging. Er wirkte unsicher, irgendwie fremd. Und das, obwohl er schon so lange bei der Bürgerwache war. Und obwohl sie schon so lange befreundet waren. André tat sich gerade an einem Gulasch gütlich, saß mit einem der Ehinger Bürgerwachler zusammen und unterhielt sich angeregt. Tobi fasste seinen Halbekrug fester und marschierte auf die entsprechende Bierbank zu, um sich neben André zu setzen.
»Und dann hat die dicke Bürgermeisterin ihren Arsch über die Stadtmauer gehängt«, erzählte André soeben dem Gast, der einen braunen Rock zur blauen Hose trug und ungläubig zuhörte. Sein schwarz-goldener Helm ruhte neben ihm auf der Bank. Offenbar ging es um die Horaffen-Sage, und diese rief bei den meisten, die sie zum ersten Mal hörten, mildes Erstaunen, wenn nicht sogar Unverständnis hervor.
»Da bisch ja«, grüßte Tobi und quetschte sich neben seinem Freund auf die Bank.
André rutschte ein kleines bisschen und biss in sein Weckle, das er zuvor in das appetitlich rotbraune Kanonengulasch getunkt hatte.
»Is alles recht?«, erkundigte sich Tobi, während er dem Mittfünfziger, der gegenüber saß, freundlich zunickte. »Du bisch so allein.«
André schwieg und kaute. Schluckte. »Tja, da kannsch ja mal überlegen, warum das so ist«, versetzte er endlich, und ein schmales Lächeln trat auf seine Lippen. Eines, bei dem die Augen nicht mitlächelten.
Tobi seufzte. »Immer noch beleidigt«, vermutete er. »Aber weisch was, du bisch mir mal noch dankbar, eines Tages.«
»Möglich«, gab André zurück, es klang nicht wirklich überzeugt.
»Das wär eh nicht gut gegangen, glaub mir. Die ist …«
»Ich will nicht darüber reden, Tobi, ja?«, unterbrach André.
»Ja, und die hat wirklich den Belagerern ihren nackigen Arsch gezeigt?«, schaltete sich der Ehinger ein, dem die schlechte Stimmung offensichtlich unangenehm war.
»Ja, hat sie. Und dann sind die Belagerer abgezogen und Crailsheim war gerettet«, erzählte André weiter und löffelte wieder Gulasch.
Tobi erhob sich und tätschelte die Schulter seines Eigentlich-Freundes. »Waasch was, wenn dii abgsponna hasch, noa trink mer nochher an Asbach-Cola zsamm«, raunte er ihm ins Ohr, bevor er zurück zu seiner überaus heißen Ehefrau Ezgi ging.
»Jetzt habe ich aber wirklich Hunger«, erklärte Heiko und blickte Lisa auffordernd an.
Die verdrehte die Augen und sah auf die Uhr. »Noch nicht mal sechs!«, klagte sie.
»Das Gulasch ist soooooo gut!« Heiko grinste derart entwaffnend, dass Lisa ihm ein Lächeln schenkte und mit ihm seufzend zu jenem Stand ging, der schlicht »Gulasch« hieß.
Ein Pärchen stand vor ihnen, die Frau, die rotblonde Locken hatte und ein orangefarbenes Crinkle-Kleid trug, wandte sich gerade an ihren Mann, einen schütterhaarigen Endfünfziger im Karohemd.
»Also, Karl-Heinz, mir ist das Ganze hier eigentlich viel zu martialisch, du weißt doch, dass ich Pazifistin bin!«
Karl-Heinz lächelte sie leutselig an. »Margit! Das ist nur die Bürgerwache! Entspann dich! Kein Grund für linkspolitische oder radikale Diskussionen!«
»Nur weil ich Pazifistin bin, muss ich noch lange nicht linksradikal sein! Du weißt, dass ich nicht linksradikal bin, jede Form von Gewalt ist mir zuwider! Ich löse meine Probleme verbal, durch Diskussion.«
»Entschuldigung«, mischte sich Heiko ein, »des glaab ii glei. Aber vielleicht däda Sie etz bstella? Mir warta nämlich.«
Die Angesprochene drehte sich überrascht zu ihm um, beschloss dann jedoch anscheinend, ihn mit Missachtung zu strafen, und wandte sich endlich den beiden Herren zu, die für die Gulaschausgabe zuständig waren. »Also, dann bitte zweimal Gulasch …«, begann sie, erstarrte aber mitten im Satz und rief: »Halt!«
Die beiden jungen Männer hinter dem Stand, die sich schon in Bewegung gesetzt hatten – der eine hielt bereits einen Teller in der Hand, der andere ein Brötchen –, erstarrten, irritiert ob des scharfen Befehlstons.
»Sagen Sie mal, ist das Ihr Ernst?«, fragte Margit und pikte mit spitzem Zeigefinger auf das Schild, das »Gulasch aus der Gulasch-Kanone« anpries. »Wieso muss das denn immer was mit Krieg zu tun haben?«, wandte sie sich an den jüngeren der beiden Männer, den mit dem tiefen Teller, und stemmte die Hände in die Seiten.
»Das heißt halt so«, stammelte der.
»Nennen Sie das Gericht doch Gulasch-Töpfchen«, schlug Margit honigsüß vor. »Was ist daran so schwierig?«
Karl-Heinz verdrehte die Augen, murmelte etwas von Bier holen und ließ seine Frau stehen, was die allerdings gar nicht bemerkte, weil sie dermaßen in Fahrt war.
»Des is ja woll kaum a ›Töpfchen‹, guadi Fraa«, wandte der mit dem Brötchen ein und wies auf den Kochtopf, der sicherlich 30 Liter fasste.
»Wir könnten auch ›Feldküche‹ dazu sagen!«, schaltete sich der Jüngere ein, der den Teller inzwischen wieder abgestellt hatte.
Margit schnappte nach Luft. »Wie bitte? Feldküche? Ist das Ihr Ernst, junger Mann? Wollen Sie wirklich in den Krieg ziehen? Wissen Sie, wie das damals war, als Napoleon, der Erfinder der Feldküche, Europa verwüstet hat? War Ihr Uropa nicht auch im Krieg? Schämen Sie sich!«
»Wella Sie jetz a Gulasch odder net?«, traute sich endlich der Ältere nachzufragen.
Die Dame straffte sich, strich sich die rotblonden Locken aus dem Gesicht und rauschte mit einem »Mir ist der Appetit vergangen. Ich kaufe mir eine Wurst!« davon.
»Sie awwer«, wandte sich der Mann an Heiko, absolut unberührt.
»Zweimal, mit Weckle«, bestellte Heiko, und er sah sehr glücklich aus dabei.
Christian Blumenstock betrachtete den weißen Federhelm, der neben ihm auf der Bank ruhte. Er hatte ihn seit diesem Jahr. Schneeweiß waren die Federn, reinweiß, blütenweiß. Bewundernd ließ er seine Finger durch den Busch gleiten, zart, um sie nur ja nicht zu zerzausen. Normalerweise hätte er einen roten Federbusch getragen, aber jetzt war er Oberst, Oberst der Bürgerwache, ein Ehrentitel. Er freute sich darüber, trug die Epauletten mit den goldenen Fransen mit Stolz. Er fuhr sich durch das schüttere Haar, das das magere Gesicht krönte. Es war nicht leicht gewesen, den Rang verliehen zu bekommen, und der Tobi war ein scharfer Konkurrent gewesen, der es durchaus auch mit unlauteren Mitteln versucht hatte. Aber Christian Blumenstocks Ruf war untadelig, würde es immer sein. Und so waren die fiesen Attacken des Musik-Gefreiten an ihm abgeperlt wie Wasser von einem Waschbecken mit Lotuseffekt. Nichts war kleben geblieben, und das war gut so. Allerdings wusste er nicht, ob es bei der nächsten Wahl auch so sein würde. Er würde sich bis dahin beweisen müssen, als Offizier. Und keinesfalls würde er weitere ungerechte Attacken dulden.
Später am Abend standen Tobi und Ezgi am Weinstand. Ezgi trank zwar selbst keinen Alkohol, hatte aber kein Problem damit, wenn sich Tobi mal einen genehmigte. Und er besoff sich selten bis zur Besinnungslosigkeit, da gab es andere.
»Der Tobi!«, erklang es plötzlich von rechts, und Ezgi sah Lars auf ihren Freund zuwanken. Der war eindeutig einer von denen, die nie wussten, wann es genug war. Er hatte seine Jacke ausgezogen und den Helm abgelegt, in der Hand hielt er ein Longdrinkglas, das verdächtig nach Jacky-Cola aussah.
»Hey, Lars!«, grüßte Tobias zurück und prostete ihm mit seiner Weißherbstschorle zu.
Lars lehnte sich theatralisch nach hinten. »Auf dich, mein Freund!«, prostete er, leerte das Glas in einem Zug, stellte es auf der Theke ab und ließ sich dann beinah unkontrolliert nach vorne fallen, wohl in der Absicht, Tobias Baumann zu umarmen. »Weißt du, ich habe dir längst verziehen, die Sache von damals, hat ja noch alles geklappt«, lallte er.
Ezgi trat einen Schritt zurück und vergewisserte sich mit einem Blick, dass ihr Freund klarkam.
»Scho recht, bisch mei Kumbel«, versicherte Tobi und tätschelte Lars die Wange.
»Des wor scho scheiße von dir, weisch, aber ich hab’s dir verziehen!«, versicherte Lars.
»Was meint er denn?«, wollte Ezgi wissen.
Tobi winkte ab. »Ach. Alte Geschichte. Vergiss es.«
»Willsch a Kippe?«, bot Lars an und nestelte in seiner Hosentasche herum. Es waren die guten, selbst gedrehten, ganz speziellen, das wusste Tobi.
»Heut net, Lars. Und du lässt das besser auch.«
»Jaja, net, dass mir des noch amol bassiert, gell!«, grinste Lars und hob gespielt mahnend den Zeigefinger. Er steckte die Zigarette wieder ein und wankte davon.
»Was war denn da los?«, erkundigte sich Ezgi noch einmal.
»Wie meinsch?«, fragte Tobi zurück.
»Was hat er denn gemeint?«, insistierte sie. »Komm, sag!«
Aber Tobias winkte in einer Art ab, die klarmachte, dass er nicht darüber reden würde.
Und Ezgi kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das unumstößlich war.