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Es wurde dunkel. Die Stille umhüllte ihn. Wieder explodierte das hohe, rhythmische Piepen im Kopf. Er war nicht mehr allein.

„Wir haben alles versucht“, es war die kalte Stimme des einen Mannes. „Er will einfach nicht. Ich bin mit meinem Latein am Ende.“ Das Spitze stach in die linke Armbeuge und ließ es brennend kalt durch den Körper fließen. Alles in ihm bäumte sich auf, es war vergeblich, er versank in der Dunkelheit. Die andere, besänftigende Stille in ihr vertrieb die Angst in weite unbekannte Ferne, bis die Stimme des anderen Mannes ihn in die Wirklichkeit riss. „Hallo, hallo, können Sie mich hören?“, drang sie in ihn. „Sagen Sie mir endlich Ihren Namen!“, unerbittlich setzte sie ihm zu. Jetzt wollen sie wissen, wann ich geboren bin, wo ich wohne. Als ob sie das nicht wüssten. Immer schärfer wurden die Fragen. Der eine Mann mischte sich ein. Gemeinsam ließen sie nicht ab, ihn zu quälen. Keine Pause wurde gewährt. Er konnte nicht länger widerstehen, wollte antworten, doch im letzten Augenblick wurde ihm klar, dass das der Anfang vom Ende wäre. Nein, nein, ich rede nicht! schrie er stumm. Jedes Wort drehen sie mir im Munde um, verwenden es gegen mich. Ich falle nicht noch einmal auf sie rein. Ich kenne das Spiel! wehrte er sich mit letzter Kraft. Die Zunge glitt über die trockenen, rissigen Lippen. Der Durst hatte ihn in seiner Gewalt. Granna kannte ihn noch von damals. Auch jetzt traf alles andere zusammen, Isolation, Dunkelheit, die lähmende, ohnmächtige Verlassenheit. Selbst im Guten und Bösen sollte er sich wieder verlieren. Damals, in der schlechten Zeit, war es ihm gelungen, sich zu widersetzen. Doch der Durst wurde stärker, trotzdem ergab er sich nicht, schwieg auf alle Fragen.

Die Schritte der beiden Männer entfernten sich. Das rhythmische Piepen marterte sein hitziges Hirn. Niemals würde er sich beugen, das wäre das Ende, sie hätten gesiegt.Er musste die Gedanken über die Erinnerungen arbeiten lassen. Nur so wäre den Männern zu trotzen.

Die beiden Schlosswachen befreiten ihn von der steinernen Pritsche, fesselten die Hände auf dem Rücken, führten ihn durch den mit rußenden Fackeln spärlich beleuchteten, feuchten Gang in den riesigen Festsaal des königlichen Schlosses. Am langen Tisch erwarteten ihn der Kämmerer, als Richter und Kläger in einem, mit den beiden Gehilfen zu seiner rechten und linken Seite. Der König und die Prinzessin waren dem Gerichtstag ferngeblieben, viel zu viel hatten sie gemeinsam nachzuholen, um ihre kostbare Zeit bei dieser Schmierenkomödie zu verschwenden. Die Wachen schoben Granna wortlos zum Stuhl vor dem Richtertisch. Sie hielten ihn an den Ellenbogen gepackt. Er musste stehen, bis der Kämmerer und Oberste Richter des Reiches sich räusperte und grimmig befahl. „Setzen! Soldat! Ich verlese die Anklage.“

„Herr Kämmerer“, unterbrach ihn Granna. „Ich bin nicht der, für den Ihr mich haltet. Ich bin nicht hier. Ein anderer bin ich, nur in Josefs Gedanken gefangen.“

„Halte gefälligst dein Maul, unverschämter Kerl, wenn ich spreche! Du redest nur, wenn du gefragt wirst. Was soll das jämmerliche Gefasel? Glaub ja nicht, Wahnwitz könne dich vor der gerechten Strafe retten. Die Zeugen und Beweise reichen aus, dich im Verließ vermodern zu lassen. Schweig, bis ich dich zu den Beschuldigungen befrage, nur um der Form Genüge zu tun. Schließlich herrscht in unserem Reich Recht und Gesetz, vor dem, vom einfachsten Mann bis zum Fürsten, alle gleich sind.“

„Herr Kämmerer“, unterbrach er ungefragt die Verhandlung. „Herr Kämmerer, so hört Euch doch meine Wahrheit an, ich bitte Euch. Dann könnt Ihr immer noch richten.“

„Du unverschämter, verbrecherischer Wicht wagst es, wieder ungefragt das Wort an mich zu richten!“, brüllte der Kämmerer und Oberste Richter mit zornrot geschwollenem Gesicht. „Das lasse ich mir nicht länger bieten. Ich verweise dich des Saales. Die Verhandlung wird ohne dich fortgesetzt. Dein Gefasel behindert sie nur.“

„Wachen, bringt den Schuft zurück ins Verließ. Dort soll er warten, bis ich das Urteil verkünde. Hinaus mit ihm. Ich will den Verbrecher nicht mehr vor Augen haben!“

Wieder lag er allein auf der steinernen Pritsche. Die Wachen hatten nicht vergessen, ihn auf ihr zu fesseln, die eiserne Tür hinter sich sorgfältig zu verriegelt und noch einmal durch den Spion die Zelle zu beobachten.

„Nun, mein lieber Willem“, war Josef in seinen wehleidigen Gedanken, „bist du endlich zufrieden?“

„Lass mich in Ruhe!“, gab er wütend zurück. „Du hast mir gerade noch gefehlt. Ich brauche deine neunmalklugen Ratschläge nicht. Meine Zukunft findet in diesem finsteren Loch statt und deine auch, mein lieber Freund. Der hinterhältige Kämmerer hat uns überlistet. Jetzt gehören der fliegende Sattel und das sich deckende Tischtuch ihm. Ich kann nur auf mein Ende hoffen, das alles Irdische löst.“

Es war Dunkelheit um ihn, als das marternde Piepen den Rhythmus änderte. Aus weiter Ferne hörte er die Stimmen. „Lass gut sein, wenn er unbedingt gehen will, dann soll er doch. Wir jedenfalls haben uns nichts vorzuwerfen und alles in unserer Macht Stehende versucht. Jetzt kann er sich nur selbst helfen.“ Die beiden Männer verließen Willem Granna, die Stille kam zurück, die ohnmächtige Angst verkroch sich in ihr, doch das Spiel war noch lange nicht zu Ende.

Theater! Ende! Vorhang!

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