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7.

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Der alte Uhrmacher, der sonst Tag aus Tag ein über seine Arbeit gebeugt sitzt und kaum ein Wort spricht, ist heute seltsam schwatzhaft.

„Gelt, Leo, es macht Freud’, in einer so gesegneten Zeit leben und schaffen zu dürfen?“

„Freilich, Meister Grieshaber, es ist eine grosse Gnade Gottes!“

„Ja, ja, wir dürfen noch die Grössten unter den Grossen unter uns sehen: Philipp Matthäus Hahn in Echterdingen, dessen Werke wie seine Globenuhr und sein Planetarium noch nach Jahrhunderten bewundert werden! Und unser grösstes Genie, Thaddäus Rinderle! Wenn er nichts anderes geschaffen hätte als nur seine astronomische Kunstuhr, sein Name würde schon deswegen unvergänglich sein.“

Nach einer Weile fährt er fort: „Mög der Herrgott nur verhüten, dass die Menschen in ihrer Habsucht den Segen in Unsegen verwandeln! Denn schon machen sich Zeichen des Verfalls bemerkbar. Es ist mehr als ein Meister unter uns, der nur ans Geldverdienen denkt. Die Leute arbeiten nicht mit der nötigen Sorgfalt. Sie sind die ersten Schädlinge, die den guten Ruf unserer Schwarzwalduhr gefährden!“

„Ausnahmen, die es immer geben wird!“ entgegnet Leo.

Von Furtwangen her ertönt das Klappern von Pferdehufen. Nun biegt ein leichter Wagen von der Landstrasse ab, fährt über den holprigen Seitenpfad und macht vor Grieshabers Haus Halt. Hektor bellt wie toll und läuft immer im Kreis um das Gefährt herum. Ein frisches Maidli mit rosigem Gesicht springt vom Bock herunter und ist einem Mann, der bereits die Achtzig überschritten hat, beim Aussteigen behilflich.

Nun eilen auch Leo, der Meister und Vrenili herbei.

„Die Freud’! Der Faller Matthes scheut nicht die weite Reis’ von St. Märgen und kommt selbst! Nein, das ist meist zuviel der Ehr’ für mich!“

Grieshaber hat vor lauter Eifer sein schwarzes Käppchen vom Kopf genommen und sein weisses, spärliches Haar wird sichtbar. Demutvoll verneigt er sich ein über das andere Mal.

Der Faller Matthes ist trotz seines Alters noch sehr rüstig. Er hält sich ein wenig gebeugt. Das mag von der bückenden Beschäftigung herrühren, die sein Beruf als Holzbildschnitzer mit sich bringt. Er hat einen hohen, kräftigen Körper, ein ovales Gesicht, lebhafte Augen, die unter mächtigen Brauen fast verdeckt liegen. Eine schlohweisse Mähne und ein Vollbart bilden die Umrahmung seines edelgeformten Kopfes. In beiden Händen trägt er — wie ein kostbares Kleinod — ein Paket. Er reicht es dem Meister. Der nimmt es sorgsam, als sei es ein Heiligtum. Wer aber würde anders gehandelt haben, wenn ihm ein Werk des berühmten Matthäus Faller, des Schöpfers der Schwarzwälder Uhrengehäuseschnitzkunst, von ihm selbst ins Haus gebracht wird?

Während jetzt die drei alten Leute zur Tür hineintreten, sorgen Leo und Marie, des Bildhauers Enkelkind, für die Unterbringung und Pflege des Pferdes.

„Ist es für Ihren Herrn Grossvater nicht eine gar zu grosse Anstrengung, die weite Fahrt zu machen?“

„Er wollte es sich ja nicht nehmen lassen. Gestern wurde das Gehäuse vollendet. Viele Wochen hat er daran geschnitzt.“

„Merkwürdig, auch Meister Grieshaber gönnte sich seit Wochen keine Ruhe. Beide wollen wohl ihre Gemeinschaftsarbeit vollendet sehen, ehe ein Stärkerer ihnen die Werkzeuge aus der Hand nimmt.“

Im Wohnzimmer in der „besten Stube“, die nur Sonntags benutzt wird, wenn Gäste im Hause sind, haben die Freunde die Uhr aufgehangen.

„Faller, du hast dich dieses Mal selbst übertroffen! Diese Schnitzerei ist von einer Zartheit und Gleichmässigkeit, die nicht zu überbieten ist! Wieviele Stiche und welche Sicherheit der Hand gehören dazu, nur allein das Schallgitter zu schaffen! Aus wievielen Einzelblümchen — jedes ein Kunstwerk an sich und eines genau wie das andere — besteht es? Und gar erst der darüber schwebende Korb, aus dem die von Blättern und Blüten umrahmte Rose hervorragt! Wundervoll! Herrlich auch die ovale Form, die dem Gehäuse ein so gefälliges Aussehen verleiht! Und die harmonische Farbenzusammenstellung: das zart aufgetragene Gold auf den hellbraunen Grundton des Holzes!“

Der alte Uhrmacher ist vor Begeisterung und Bewunderung ganz überwältigt. Andächtig sitzt die kleine Gemeinde im Betrachten der prächtigen Arbeit vertieft. Da rückt der Grieshaber den Zeiger seiner Uhr auf sechs. Ein wundersames Klingen, Flöten und Musizieren beginnt. Kaum sind die letzten Töne verhallt, rückt er die Zeiger um eine Stunde weiter und dann fort bis zwölf. Bei jedem Stundenschlag ertönt ein Lied, eines immer schöner und inniger als das andere.

Worte können es nicht ausdrücken, was im Innern der Freunde vor sich geht. Solche Augenblicke höchster Seligkeit vermag nur der zu verstehen, der selbst Werke schuf, die ihm wie ein Wunder erschienen.

Beider Werk auf Erden ist vollendet. Die Pforte zu jenem unbekannten Reich, aus dem noch niemand wiederkehrte, ist für sie geöffnet. Wer gelebt hat wie sie, kann ohne Furcht und Bangen eintreten.

Am anderen Tag heisst es Abschied nehmen. Es ist ein sonnenbeglänzter Sommertag, voller Pracht und Jubel. Leo und Marie reichen sich die Hände, die länger ineinander ruhen als sonst. Sie schauen sich in die Augen und lesen darin das alte Lied vom Glück der reinen Liebe.

Auch Faller, Grieshaber und Vrenili drücken sich lange die Hand. In ihren Blicken steht ebenfalls ein Glück geschrieben, zu dem sich aber der Schmerz des Scheidens für immer gesellt.

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Wetterleuchten über dem Schwarzwald

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