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Geld ist Macht! Das wissen der alte Wendel und die Annili, aber der junge Andres weiss es auch! Er ist nicht mehr irgendwer, den man aus Gnade und Barmherzigkeit aufnimmt, o nein, der Berghofbauer-Andres ist er, der auf die gefüllte Börse schlagen und sagen kann: Das bin ich, ja, und was seid Ihr?

Der Meister lebt herrlich und in Freuden. In seinen Taschen klappert das Lehr- und Kostgeld für vier Jahre! Im „Engel“ und im „Leuen“ nehmen die Wirte die Kappe vom Kopf, wenn er eintritt. Der Schustertoni und der Schnefflerfranz sind wieder seine dicksten Freunde, solange sie auf seine Kosten Zehnerschoppen trinken. Aber hinter seinem Rücken reissen sie ihre Glossen über ihn.

Auch die Annili ist wie umgewandelt. Wenn ihr Hausherr Geld in Händen hat, fällt für sie mancher Gulden ab. Zudem kennt sie im Wohnzimmer die Truhe, in der er sein Geld aufbewahrt. Es merkt keiner, wenn sie etwas herausnimmt; was weiss der Wendel, wieviel er am Vorabend vergeudet hat?

Andres geht mit offnen Augen einher. Er sieht alles, stellt sich aber, als sei er blind. Die ältliche Annili wirft ihm jetzt verliebte Blicke zu, bereitet ihm seine Lieblingsspeisen und tut alles, um ihn in ihr Garn zu locken. Er aber bleibt freundlich und kühl. Der Maurerwendel hat noch nie solch einen fleissigen Lehrbuben gehabt.

*

So sind nun vier Jahre vergangen. Fast unmerklich hat der Berghofbauersohn die Befehlsgewalt im Hause an sich gerissen. Sein Meister ist längst wieder der armselige Schraffel geworden, der er war. Er faulenzt den ganzen Tag. Warum soll er noch arbeiten, wo der Andres alles besser und zuverlässiger ausführt, als er selbst? Auch die lästige Schreiberei nimmt der Neffe auf seine Kappe, hat sogar etwas Ähnliches wie eine Buchführung eingerichtet. Das ist gut, weniger angenehm ist es jedoch dem Meister, dass der Junge von den Einnahmen erst einmal den Lohn für Annili, den Hauszins und das Geld für Waren und Lebensmittel einbehält. Nur der schäbige Rest bleibt zum Versaufen.

Annili dankt es dem Andres. Seitdem sie sieht, wie er Ordnung schafft und obendrein dafür sorgt, dass ihr Lohn und das Hausstandsgeld pünktlich auf dem Tisch liegen, ist sie eine andere geworden. Blitzblank sind jetzt die Scheiben, weiss die Vorhänge; Fliesen, Dielen und Böden glänzen vor Sauberkeit. Ganz heruntergekommen war sie bei der Bettel- und Lotterwirtschaft zuvor. Den Lohn blieb ihr der Hausherr meistens schuldig, und um für Speise und Trank sorgen zu können, musste sie die Kreuzer heimlich aus der Truhe stehlen, wenn er im Wirtshaus sass. Ist es zu verwundern gewesen, dass sie schlampig und brummig wurde? Ja, der Andres hat dafür gesorgt, dass Annili wieder ordentlich in Kleidung geht und obendrein für Sonn- und Festtag etwas Besonderes anzuziehen hat. Schön ist’s von ihm, nur schade, dass er nicht merkt, dass das Mädel den Staat trägt, um ihm zu gefallen. Von Wendel, dem alten Krauter, hat es mehr als genug. Es möcht auch einmal wissen, wie die Lieb’ eines jungen Burschen tut. —

*

Oben auf dem Hof des Meister Grieshaber kläfft Hektor, der struppige Köter, wie toll.

Der Meister und Leo gucken von der Arbeit auf. Es muss ein seltener Gast sein, sonst würde der Hund nicht anschlagen.

Der Andres ist’s! Nie mehr hat er seit jenen Tagen, wo er bleich und verstört mit Adam eintraf, einen Schritt über die Schwelle des Hauses getan.

Nun sitzen sich die Brüder auf Leos Zimmer gegenüber.

„Es ist schön von dir, dass du zu mir kommst, Andres!“

„Es hat seinen Grund, Abschied will ich nehmen.“

„Ich hörte es schon.“

„Ja, vom Wendel kann ich nichts mehr lernen.“

„Glaub’s dir! Die Vöhrenbacher halten grosse Stücke auf dich. Habe mich immer gefreut, von dir zu hören. Du weisst, Bruder, ich bin dir gut.“

„Wem bist du nicht gut, du Allerweltsfreund?“

„Wäre es nicht schön, wenn alle Menschen gut zueinander sein würden? Wenn einer dem anderen helfen wollte?“

„Hättest Pfarrer werden sollen.“

„Sag, Andres, hast du nicht etwas auf dem Herzen, das du mir anvertrauen möchtest?“

„Nimmst du auch die Beichte ab?“

„Behalt deinen Spott für dich! Ich denke, zwischen uns Brüdern sollte kein Geheimnis stehen, und wir sollten uns gegenseitig die Wege ebnen.“

„Verstehe schon, worauf du hinaus willst. Hab dir nichts anzuvertrauen. Mag jeder von mir glauben, was er will!“

„Ich möchte dich mit Vater und Mutter aussöhnen!“

Der spöttische Zug um Andres’ Mund verschwindet. Hart, wie aus Stein gemeisselt, erscheint in diesem Augenblick sein Gesicht. Er entgegnet: „Wie einem Aussätzigen hat man mir verboten, den Berghof zu betreten. Nicht einmal das Wort zur Verteidigung wurde mir gegönnt. An dem Tage, wo ich für Vater starb, starb er für mich. Ich habe keinen Vater mehr!“

Ganz leise wird die Tür geöffnet.

„Auch keine Mutter?“

Im Türrahmen steht Moni. Wie alt sie in den vier Jahren geworden ist! Ein schlichtes, graues Gewand trägt sie, das freudlos wirkt.

Um die Lippen des Sohnes zuckt es. Die starre Maske, die er krampfhaft zur Schau getragen hat, fällt.

„Mutter!“

All das Weh, aufgespeichert in den langen Jahren, bricht sich Bahn. Stolz und Hochmut verfliegen. Wild schluchzend liegt er der Mutter im Arm. Sanft streicht ihre Hand über sein Haar. Wie oft hat sie ihn, als er noch ein Bub war, so geliebkost und getröstet, wenn der Vater hart zu ihm gewesen ist.

„Hab’s ja gewusst, es ist alles nichts als dummes Gerede gewesen. Hab’ nie an deine Schuld geglaubt, Andres!“

Er löst sich aus ihren Armen. Was ist mit ihm? Ein anderer Mensch steht vor Moni! Ist das ihr Sohn? Ein fremder, kalter Zug breitet sich über sein Gesicht aus. In seinem Hirn formen sich seltsame Gedanken: Wer einmal im Leben der Versuchung zu erliegen drohte, ist ein Verfemter für alle Zeiten! Brennt mir das Kainszeichen noch nicht auf der Stirn? Habe ich nicht in tiefster Seele bereut? Nicht das grosse, gütige Verzeihen war es, das die Mutter hertrieb, sondern nur der Glaube an meine Unschuld.

Der alte Hass flammt in ihm auf.

Hohn und bitterste Enttäuschung sprechen aus seinen Worten: „Hast dich geirrt! Magst du’s wissen: ich war ein Lump! Ich fürchte sehr, dass ich es jetzt für alle Zeiten bleiben werde!“

Ehe einer es hindern kann, hat der Andres seine Mutter beiseite geschoben und ist die Treppe hinuntergestürzt. Er sieht nicht den Grieshaber und nicht die Vrenili, die sich von ihm verabschieden wollen. Er rennt davon, als verfolge ihn jemand. Hektor springt kläffend an ihm empor. Klingt das Bellen nicht wie: „Ein Lump bist du!“ Wütend tritt er nach dem Hund. Heulend, mit eingezogenem Schweif flüchtet das Tier.

Auf der Landstrasse angelangt, hat Andres sich wieder in der Gewalt. Er redet sich ein: an allem Elend ist der Adam schuld. Nicht nur um Haus und Hof hat er mich gebracht, sondern auch um die Liebe der Eltern! Eine alte Wunde, kaum vernarbt, wurde heute aufgerissen. Abgrundtief ist sein Hass gegen den Bruder! O, es wird schon einmal die Stunde der Vergeltung kommen!

Am anderen Morgen heisst es Abschied nehmen.

Ein über’s andere Mal versichert die Annili dem Andres, wenn er heimkehrt, soll es im Hause aussehen, als sei er nie fort gewesen. Und der Wendel schwört bei allen Heiligen, es bleibt nunmehr alles, wie es jetzt ist. Der „Vetter“ mög nicht so lange wegbleiben. Sein Zimmer stehe allzeit für ihn bereit und erwarte ihn.

Die Annili drückt dem Scheidenden die Hand, als wolle sie sie nimmer freigeben. Dicke Tränen rollen ihr über die rundlichen Wangen.

*

Wetterleuchten über dem Schwarzwald

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