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Der Dezember war keine ideale Ferienzeit für die Algarve, den Garten Portugals, aber Lulu Casagrande, die dritte und sechste Frau des bekannten Romanciers, hatte bei ihrem Kurzurlaub mit dem Wetter Glück gehabt — wieder einmal war der Aberglaube der Einheimischen, in ihrem gesegneten Land überwintere die Sonne, gerechtfertigt worden.

Die mittelgroße Blondine auf Zeit hatte überraschend ihre Freundin Milena, die gerade ihr neues Ferienhaus an der Algarve einrichtete, angerufen und sich für ein paar Tage angesagt. Auch wenn die Freundinnen jeden Tag Zeit für eine Partie Golf fanden, hatte die Gastgeberin von vornherein angenommen, daß Lulu nicht nur wegen des königlichen Spiels in Europas südwestlichste Ecke geflogen war. Gelegentlich wirkte die Besucherin wie auf der Flucht vor sich selbst.

Milena wartete darauf, daß die gebürtige Wienerin ihr Problem offenbaren würde, aber entgegen ihrer offen-burschikosen Art schwieg sich Lulu aus, wobei allerdings auffiel, daß sie Cecil nicht ein einziges Mal erwähnte, wiewohl sie sonst beständig über ihren Mann sprach. Längst hatte sie einen Teil seiner Egozentrik angenommen.

Morgen würden sie von Faro aus zurückfliegen. Die Koffer waren bereits gepackt. Sie nahmen den Lunch in Albufeira ein, in einem kleinen Lokal im maurischen Stil — eine Imitation natürlich —, um dann nach kurzer Rast zum Abschiedsmatch nach Vale do Lobo zu fahren, in die Wolfsschlucht. Die Sonne hatte sich durch den Schönwetterdunst gekämpft und feierte ihren Durchbruch.

Die Freundinnen hatten spät gefrühstückt und wollten nur eine Kleinigkeit zu sich nehmen, aber aus der Küche kam der betörende Duft der Amêijoas na cataplana, einer algarvischen Spezialität aus Muscheln, Schinkenspeck, Wurst, Paprika, Knoblauch, Zwiebeln und Chilisoße, raffiniert aufeinander abgeschmeckt. Sie gaben der Versuchung nach und nahmen sich auch noch die Zeit zu einer Flasche Vinho Verde, an dem Milena nur nippte.

Am Steuer wirkte sie heute gelassener als sonst. Die Mittdreißigerin galt als streng, verschlossen, sehr ordentlich und ein wenig humorlos. Irgendwie war sie das genaue Gegenteil ihrer um elf Jahre älteren Begleiterin, die sich gerne salopp und frivol gab: Sie war offensichtlich auch hier bei ihrem Mann in die Schule gegangen. Man sah ihr an, daß sie — wie ein tödliches Kompliment lautet — einmal eine sehr attraktive Frau gewesen sein mußte. Wenn die Sechsuhdvierzigjährige, deren Sprechweise ihre österreichische Herkunft verriet, am Abend zurechtgemacht war und das Kunstlicht ihr schmeichelte, brillierte sie noch immer als Nachtschönheit. Mit ihrem Charme und Witz schlug sie gelegentlich auch jüngere Rivalinnen aus dem Feld. Sie konnte sich verspielt und verträumt geben wie eine Rokoko-Dame, um sich im nächsten Moment wie ein ordinäres Marktsweib zu gerieren. Bei feinen Leuten wurde sie gerne vulgär, bei einfacheren kehrte sie gelegentlich die »grande dame« heraus. Lulu sah nicht aus, als hätte sie in ihrem Leben viel ausgelassen. Sie war überall zu Hause, wenn man damit in erster Linie die Golfplätze, Bridge-Clubs, Pferderennbahnen, Theater- und Buchpremieren meinte. Man sagte ihr nach, daß sie keine Hemmungen hätte, zu vorgerückter Stunde einen Jungen anzumachen und ihn als Bettgefährten dann eine Nacht lang ordentlich durchzuwalken. Ob es nun stimmte oder nicht, man traute es Lulu jedenfalls zu, und das belustigte sie mehr, als es sie erzürnte. Auch ein schlechter Ruf verpflichtet.

Der weiße SL passierte ausgedehnte, nahtlos ineinander übergehende Mandelhaine. Die Landschaft sah aus wie gemalt, von einem einfallsreichen Künstler. »Was meinst du«, schwärmte Milena, »wie das in sechs Wochen blühen wird: Wohin du siehst, ein einziger weißer Teppich.« Sie stellte fest, daß ihre Begleiterin zerstreut wirkte. »Könntest du nicht im Februar wiederkommen?« fragte sie. »Glaub’ mir, es ist ein einmaliges Erlebnis, und du weißt, Lulu, wie sehr du mir jederzeit willkommen bist. Ich bin hier ja ganz allein, Hans-Egon ist in Düsseldorf geschäftlich unabkömmlich und meine Tochter wieder in ihrem Schweizer Internat.«

»Wenn es sich machen läßt, herzlich gerne, meine Liebe«, entgegnete die Golfpartnerin. »Aber ich fürchte, daß mir keine sehr angenehme Zeit bevorsteht.«

»Sorgen?«

»Probleme«, antwortete Lulu. »Es heißt — ja, eigentlich nur ein Problem, aber immer dasselbe —«

»Cecil?«

Sie nickte.

»Du hast Ärger mit ihm?« fragte Milena behutsam.

»Mit einem Mann wie Cecil hat man doch immer Ärger.«

»Aber doch wohl auch Freude?«

Die Frau des Schriftstellers schwieg, zündete sich eine Zigarette an und musterte ausgiebig die Orangenplantage, die sie gerade passierten, und betrachtete dann auch die riesigen Schirmpinien im Hintergrund. »Einmal mußt du es ja erfahren«, begann sie dann. »Ich bin Cecil auf ein paar schlimme Sachen gekommen; seitdem leben wir getrennt.«

Sie waren höchst ungleiche Freundinnen; jede eigentlich das Gegenteil der anderen. Wo sie sich auch zeigten, fragte man sich, warum diese beiden sich so eng aneinander angeschlossen hätten. Milena Deutler, einzige Tochter eines Großindustriellen und Frau eines Managers, war gepflegt, doch reizlos. Man konnte der Mittdreißigerin mit der mehr hageren als schlanken Figur, dem Haarknoten und den ein wenig hektischen Bewegungen kaum das berüchtigte Kompliment machen. Ihr Anblick überforderte die Vorstellung, sie könnte einmal jung, hübsch und lebenslustig gewesen sein.

Milena lebte wie in freiwilliger Quarantäne, in einem Getto des Wohlstandes, uninteressiert an Affären und Skandalen. Bei ihr war alles geregelt. Sie war eine Fetischistin der Ordnung, dabei zufrieden, denn ihrer Meinung nach hatte sie alles, was zum Leben gehörte: Einen unterwürfigen Ehemann, eine gehorsame Tochter, einen überaus erfolgreichen Vater. Ehe, Erziehung und Familie waren für sie selbstverständliche Pflichtübungen. Sie war wohl ihrer Mutter nachgeraten, von der sie auch den Vornamen geerbt und an ihre Tochter, Milena III, weitergegeben hatte. Für Lulu und auch ihren Mann zeigte sie eine unbegreifliche Schwäche, eine für sie untypische Toleranz; sie billigte den Casagrandes zu, daß sie nicht wie die Deutlers lebten.

Manchmal kamen Milena Zweifel über ihr monotones Leben, und sie fragte sich, ob ihr Mann nicht doch nur ein Schlappschwanz und Mitgiftjäger, ihre Ehe ein Zustand zwischen Frost und Frust, ihre Tochter nicht gehorsam, sondern nur farblos sei und sie selbst womöglich eine unterkühlte Frau.

Mit Martin Laimer, dem Tycoon eines Elektrokonzerns, eher in der Welt anzutreffen als zu Hause, verband Milena eine sachliche Beziehung; vielleicht konnte man zu so einem Berserker der Tüchtigkeit und Übervater gar kein herzliches Verhältnis haben. Auch zu ihrer vor zwei Jahren verstorbenen Mutter hatte Milena keine besonders enge Bindung unterhalten, was sie sich bereits zu ihren Lebzeiten manchmal vorgeworfen hatte: Und jetzt stellte sie fest, auch ihre fünfzehnjährige Tochter schien sich genauso zu entwickeln.

»Ihr werdet also Weihnachten nicht zusammen sein?«

»Kaum.«

»Willst du nicht die Festtage bei uns in Düsseldorf verbringen?« fragte die Gastgeberin.

»Nein, Milena, vielen Dank. Ich werde bei meinem Anwalt in Frankfurt die Scheidung einreichen — ich fürchte, das muß über das US-Generalkonsulat gehen, da wir beide ja Papier-Amerikaner sind — und dann nach Wien weiterfliegen.«

»Ich weiß ja nicht, was vorgefallen ist«, erwiderte die Freundin, »aber du wirst schon nicht zu voreilig sein, Lulu.«

»Diesmal ist der Bruch irreparabel«, entgegnete Lulu zornig. »Ich hab’ Cecil gründlich satt. Ich bin am Ende.«

»Aber er ist wirklich ein gefragter Autor —«

»Schreiben kann er, das stimmt«, räumte Lulu ein. »Das ist aber auch alles.« Sie steigerte sich in den Zorn hinein. »Ich mag eine alte Kokotte sein, wie er mir schon vorgeworfen hat, aber er ist ein Schwein — und Schweine müssen bluten. Und das heißt blechen in seinem Fall.« Sie bemerkte Milenas angewiderten Gesichtsausdruck. »Sei nicht so zimperlich. Einmal muß es heraus, sonst ersticke ich noch daran. Die Welt ist nicht so heil, wie du dir einbildest — du hast ja keine Ahnung vom Leben, Milena«, setzte die Blondine angriffslustig hinzu. »Ich kann ihn wirklich nicht mehr ausstehen. Alle drei, vier Monate eine neue Affäre, eine schlimmer als die andere.« Ihr Gesicht war gerötet. »Und kostspieliger; Cecil ruiniert sich noch total, nur um den späten Casanova zu spielen.«

»So schlimm ist es doch wohl nicht«, schränkte die Frau am Steuer ein. »Vielleicht nur eine gewisse Image-Pflege.«

»Schön wär’s — nimm seine letzte, diese abgetakelte Operetten-Soubrette, vier Jahre älter als ich, eine richtige Sacharin-Göschen. Versteh’ mich, Milena. Sicher wäre es nicht angenehmer, wenn er hinter jungen Mädchen herlaufen würde, aber wenigstens natürlicher. Männer sind nun mal so; aber diese gottverdammten alten Schicksen, mit denen er sich herumtreibt und denen er Altäre baut, machen ihn nur lächerlich. Und Lächerlichkeit tötet. Jungen Frauen geht Cecil geflissentlich aus dem Weg«, setzte sie hinzu. »Warum wohl?«

Die brünette Fahrerin schüttelte den Kopf.

»Ich kann’s dir sagen: Entweder kommt sein Schmäh bei den Jüngeren nicht an — oder er hat Angst, sich bei ihnen zu blamieren.«

»Mein Gott«, erwiderte die Freundin, »du solltest Cecil gekannt haben. Du bist doch schon zum zweiten Mal mit ihm verheiratet —«

»Und zum letzten Mal«, versetzte Lulu voller Ingrimm. »Damals, als ich mich von ihm noch mal überreden ließ, war ich gerade ziemlich parterre und auch noch jünger und vital genug, seine ständigen Eskapaden durchzustehen — und dann die Trümmer seiner Hausaltäre beiseite zu räumen. Aus. Vorbei. Mir geht es jetzt nur noch darum, daß er büßen muß, was er mir angetan hat.«

»Ich bedaure das sehr«, erwiderte Milena. »Ich finde es schrecklich und hoffe, daß das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.«

Die Frau am Steuer war froh, als sie zur prächtigen Golfanlage von Vale do Lobo einbog und die Ankunft das unangenehme Gespräch beendete. Die Parkplätze waren dicht besetzt, aber sie hatte sich telefonisch eine Startzeit reservieren lassen. Milena wurde mit großer Aufmerksamkeit behandelt; diesmal galt die Reverenz nicht ihrem gesellschaftlichen Rang, sondern ihrem Status als vorjährige Clubmeisterin. Sie hatte ein einstelliges Handikap, das auch noch in der unteren Hälfte, und das zählte unter Golfern mehr als die wirtschaftliche Potenz ihres Vaters.

»So, Lulu«, ermunterte Milena am Abschlag Nummer eins ihren Gast. »Nun beruhig’ dich bitte und konzentriere dich auf unser Abschiedsspiel.« Sie hatte noch nie ein Match gegen die Freundin verloren, nicht einmal an einem schlechten Tag.

Vor ihnen war ein Flight mit vier Engländern. Die Briten ließen sich sehr viel Zeit, vor allem beim Putten auf dem Grün. Als die Gentlemen merkten, daß sie die beiden Damen aufhielten, ließen sie die Clubmeisterin und ihre Mitbewerberin passieren.

Sie kamen jetzt zügig voran, auf dem am Meer gelegenen Golfplatz mit seinen welligen Hügeln, errichtet vom besten Golfplatz-Architekten, den es gibt, der Natur. Wiewohl Emotionen bei diesem Sport immer schädlich sind, verschaffte der ausklingende Grimm Lulus Schlägen größere Längen als sonst.

Sie erreichten den berühmtesten und meistfotografierten Abschlag der Welt, das Hole sieben, unter Golfern so bekannt wie das Straßburger Münster unter Touristen: Man mußte den Ball durch eine Lücke zwischen zwei Felsen im Atlantik schlagen und die Mitte eines Hintergrunds anvisieren, an dem sich das endlose Blau des Himmels unter dem beifälligen Gluckern der Wellen mit dem weiten Grün vereinigte. Die Wienerin spielte heute mit mehr Glück als Disziplin. Milena war perfekt; vielleicht betrachtete sie Golf ebenfalls als eine Pflichtübung. Sie würde wieder gewinnen, aber heute knapper als sonst.

Am nächsten Dreier-Hole schlug die Düsseldorferin den Ball ein paar Meter zu kurz. Ihre Partnerin setzte den Drive zu weit links an, aber der Wind vom Atlantik trieb den Ball genau in die Mitte; er prallte gegen die Fahne und fiel ins Loch. Zum ersten und vermutlich auch zum letzten Mal hatte Lulu in ihrer Golferinnen-Laufbahn ein As geschossen, das größte Erfolgserlebnis eines Golfers auf dem grünen Parcours.

Milena applaudierte stürmisch.

Auch die Engländer hinter ihnen eilten herbei und teilten die Begeisterung.

Nach dem Spiel hatten alle Gäste des Clubhauses die Pflicht, der »Hole-in-one«-Schützin zu gratulieren und das Recht, auf ihre Kosten reichlich Champagner zu trinken. Die Herren, bereits umgezogen, trugen einheitlich dunkelblaue Blazer mit ihren heimatlichen Clubabzeichen; ihre Begleiterinnen waren in zwangloser Aufmachung. Das Gespräch brodelte mehrsprachig durcheinander. Wetter-Flüchtlinge aus ganz Europa — Briten, Skandinavier, Franzosen, Schweizer, Österreicher, Deutsche — bildeten nach den Kelten, Römern, Mauren, Kreuzfahrern, Franzosen und den portugiesischen Flüchtlingen aus Angola und Moçambique die letzte und willkommenste Invasion der herrlichen Küstenland-Schaft.

Ein Golfer kennt das Handikap seines Partners so gut wie eine Filmdiva die Liebhaber ihrer Rivalinnen. Je niedriger es ist, desto höher steht der Spieler in der Rangliste und um so mehr Schläge muß er einem weniger Angesehenen vorgeben; gelegentlich kommt es dabei am Abschlag eins zu Rechenfehlern. Ein Golf-Crack erzielt natürlich leichter ein As als ein Durchschnittsspieler, aber ein Zufallscoup wird ganz besonders zelebriert. Wer den Haupttreffer in der Lotterie gewinnt, braucht schließlich auch kein Mathematiker zu sein.

Lulu schöpfte ihren Triumph voll aus; es war ein Lastenausgleich für zahllose Niederlagen. Sie stand an der Bar, von durstigen Bewunderern umringt, und mußte bereits zum vierten Mal berichten, wie sie es geschafft hatte, den kleinen Ball mit einem Schlag in ein nur etwas größeres Loch zu befördern.

»Wie ich höre, sind Sie die Gattin des berühmten Schriftstellers, gnä’ Frau«, wandte sich ein höflicher Hamburger an Lulu.

»Er ist die Sonne, ich bin der Mond«, erwiderte sie ironisch.

Ihre Stimme ließ erkennen, daß sie nicht länger mondsüchtig bleiben wolle. Milena warf ihr einen warnenden Blick zu, aber die Freundin beherrschte die Kunst der verschlüsselten Indiskretion.

»Your husband is a very famous author«, bemerkte ein sommersprossiger Engländer und provozierte Lulu zu der gereizten Frage, ob Cecil Casagrande das As geschossen hätte oder sie.

»Ihr Gatte ist kein Golfer?« fragte ein Schweizer.

Die Wienerin verneinte.

»Das ist aber wirklich schade«, bemerkte er mit dem Bedauern eines Missionars gegenüber einem Andersgläubigen. »Können Sie ihn denn nicht überreden?«

»Gott bewahre«, versetzte Lulu lachend. »Hoffnungslos, Cecil wird sich in keinem Fach versuchen, in dem er nicht glänzen kann.«

»Aber das könnte sich doch ändern —«

Sie strich sich die kurzgeschnittenen blonden Haare aus dem Gesicht. »Golf erzieht zur Demut«, stellte sie fest. »Aber mein Mann muß immer gleich im Mittelpunkt stehen«, behauptete sie. »Meinen Sie, daß sich das vereinbaren läßt?«

Es wurde ein kostspieliger Spätnachmittag. Der Ober brachte bereits die elfte Flasche. Immer mehr Spieler kamen jetzt von der Runde zurück, ein Ende war noch nicht abzusehen — aber einem Golfer ist sein größter Parcourstag viel wert. Der Club würde der Organisatorin, einer bekannten Spirituosenfabrik, das Ereignis mitteilen, und Lulu wäre dann die Empfängerin einer wertvollen Flasche und — weit wichtiger für sie — einer Pergamenturkunde über die Aufnahme in den „Hole-in-one-Club«. Asse sind höchst selten — bei großen internationalen Pro-Turnieren setzen Automobilfabriken häufig Nobelfahrzeuge für diesen Coup aus — sie brauchen sie nur selten zu übergeben.

Die ersten Golferfreunde gingen, neue kamen hinzu, unter ihnen Sissy Keil, die alterslose, löwenmähnige Frau eines Bankiers und Milenas Angstgegnerin bei Turnieren.

»Großartig.« Sie umarmte Lulu. »Wie haben Sie das nur geschafft?«

»Der Wind, der Wind, das himmlische Kind«, alberte die Blondine. »Aber sagen Sie es nicht weiter, Sissy.«

»Warum nicht?« erwiderte die andere. »Gute Resultate leben doch meistens von Bahnzufällen.«

Die Umstehenden lachten gequält und schoben der Düsseldorfer Bankiersgattin einen Hocker zu. »Mein Mann ist auch hier«, sagte sie dann, als wolle sie die Schützenkönigin auf ihn aufmerksam machen, beugte sich zu Lulu und raunte ihr zu: »Bitte sprechen Sie mit ihm.« Sie hatte das Gesicht einer Verschwörerin. »Es ist — ist wirklich enorm wichtig.«

Die reife Blondine betrachtete sie verständnislos.

»Wegen Milena«, setzte Sissy Keil hinzu; sie erfaßte Lulus ungestellte Frage. »Sicher weiß ich, um was es geht«, gab diese zurück. »Aber es ist besser, wenn Sie mit meinem Mann sprechen, er kennt die Aspekte im Hintergrund besser als ich.«

Lulu nickte der Frau mit der Löwenmähne zu; sie hatte sie nicht verstanden, aber begriffen, und sie suchte den Bankier mit den Augen.

Er stand ein wenig abseits.

Sie schob sich an ihn heran. »Sie trinken keinen Schampus, Herr Keil?« sprach sie den Bankier an.

»Ich darf doch nicht, gnä’ Frau«, erwiderte er. »Mein Zuckerspiegel — und der Bluthochdruck —« Der Finanzfachmann brauchte keine weiteren Erklärungen abzugeben. Jeder wußte, daß er ein Hypochonder war.

Die beiden gingen unauffällig nach draußen und entfernten sich ein wenig vom Clubhaus, als wollten sie frische Luft schnappen und dem Trubel entgehen.

»Es tut mir leid, Sie bemühen zu müssen«, begann der kleine Mann mit den schütteren Haaren. »Ich weiß gar nicht, ob es richtig ist, aber diesmal folge ich einer Idee meiner Frau.«

»Der Gedanke ist sicher richtig«, ermunterte ihn seine Gesprächspartnerin. »Sissy ist eine patente Person.«

»Sie werden sich wundern, daß ich nicht mit Frau Deutler selbst spreche«, fuhr Keil fort, »aber es wäre mir einfach zu peinlich. Ich hatte gehofft, andere würden es tun, aber es hat ihnen wohl der Mut gefehlt —«

»Sie sind also mutiger als — als weitere Mitwisser?«

Der Bankier überging Lulus Spott.

»Mein Geldinstitut ist seit vielen Jahren die Hausbank der ›Martin Laimer Companie,‹« berichtete er. »Und aus der Zusammenarbeit hat sich auch ein gewisses freundschaftliches Verhältnis entwickelt. So etwas verpflichtet auch privat, selbst wenn es nicht in den Verträgen steht.«

»Ich muß Ihnen gleich sagen, Herr Keil«, unterbrach ihn die Frau des Schriftstellers, »daß ich von wirtschaftlichen Dingen kaum etwas verstehe.«

»Es handelt sich auch — zunächst wenigstens — nicht um eine wirtschaftliche Geschichte. Wissen Sie«, erklärte er, »es gibt im Leben Probleme, die man einfach nicht frontal angehen kann. Man muß versuchen, sie zu umgehen »Sie also von hinten knacken«, versetzte Lulu burschikos.

»Sissy ist der Meinung, daß Frauen besser geeignet sind, solcherlei Dinge an die Frau zu bringen«, erklärte der Bankier mit einem verunglückten Lächeln. »Außerdem ist es eine alte Gepflogenheit, sich zuerst an den Schutzpatron zu wenden, bevor man gleich zum lieben Gott läuft.«

»Besten Dank«, entgegnete Lulu Casagrande; sie hatte ein wenig gegen ihren Schwips anzukämpfen, und so wurde sie jetzt neugierig — und besorgt. Sie verstand sich auf Männer und wußte, daß der Bankier Keil weder ein Wichtigtuer noch ein Panikmacher war.

Als er jetzt zur Sache kam, erfaßte Lulu sofort das Ausmaß des Unheils, das der Freundin, deren Mann, Tochter und Vater drohte; sie wurde auf einen Schlag wieder nüchtern.

Adams Letzte

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