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ОглавлениеDie improvisierte »Hole-in-one«-Feier im Clubhaus hatte sich in die Länge gezogen, denn die Gäste waren zu Gegeneinladungen übergegangen, um die Heldin des Tages zu feiern. Endlich gelang es den beiden Golferinnen, sich nach einem kleinen Imbiß loszureißen; schließlich würden sie morgen mittag abfliegen.
Es begann bereits zu dunkeln, als sie in Vale do Lobo wegfuhren. Die Nacht warf ihre Schatten voraus, doch ein zunehmender Mond zog am Himmel auf, bereit, die wunderbare Landschaft zu versilbern. »Dieses As war ein herrlicher Abschluß deiner Algarve-Tage«, stellte Milena fest.
»Herrlich schon«, erwiderte Lulu lachend, »aber mit fünfzehn Flaschen Schampus auch ziemlich kostspielig.«
Sie erreichten den Feriensitz der Deutlers. Nach dem Trubel im Clubhaus genossen die beiden nunmehr die Stille; sie war trügerisch — die Ruhe vor dem Sturm, den Lulus Enthüllungen bei ihrer Freundin auslösen müßten. Sie rauchte schweigend, suchte einen Einstieg in ein Gespräch, das sie dem Düsseldorfer Bankier Keil abnehmen sollte.
Der Abend war kühl, aber nicht kalt. Die beiden Frauen saßen auf der Terrasse, hoch über der Steilküste, und sahen auf das Meer hinaus. Ein säuselnder Wind streichelte die Wellen des Atlantiks, sie schrubbten den Strand und gluckerten dabei vor Zufriedenheit. Die Positionslampen der Fischerboote leuchteten wie Glühwürmchen.
»Ganz bestimmt werde ich zur Zeit der Mandelblüte wieder hier sein«, gab sich Milena selbst das Versprechen. »Diese Pracht kann man sich einfach nicht entgehen lassen.«
Lulu Casagrande nickte, wiewohl sie ihre Zweifel hatte. Wenn ihre Freundin nicht sofort handelte, würde sich Milenas Vater — und dadurch auch sein Konzern — in einen beispiellosen Schlamassel hineinmanövrieren. Die Wienerin kannte ihn nur flüchtig; flüchtig schien ihr das richtige Wort zu sein, denn bei allen Ereignissen, die nichts mit seiner Firma zu tun hatten, wirkte der Industrielle wie auf der Flucht. Gesellschaftliche Verpflichtungen, soweit sie Martin Laimer überhaupt anerkannte, absolvierte er gewissermaßen im Laufschritt. Wohl fühlte sich der Unternehmer offensichtlich nur im Kreise seiner Entwicklungs-Ingenieure; er hatte vermutlich nur Bits und Chips im Kopf, was immer das sein mochte.
»Hat sich dein Vater eigentlich nach dem Tod deiner Mutter sehr verändert?« fragte Lulu behutsam.
»Überhaupt nicht«, erwiderte Milena. »Er ist ein Mann, der sich nie ändert; er ist offensichtlich schon fertig auf die Welt gekommen.« Sie sprach ohne Eifer und Zorn. »Ohnedies ist er in letzter Zeit meistens in Amerika. Wir führten von jeher alles andere als ein normales Familienleben.« Ihr Lächeln war zweckentfremdet. »Manchmal habe ich mir überlegt, ob wir überhaupt eine Familie sind.« Milena wickelte sich fröstelnd in ihre Stola. »Vielleicht bin ich auch nur undankbar. Mein Vater hat immer bestens für meine Mutter, für mich und für meine Tochter gesorgt, und letztlich auch für das berufliche Fortkommen meines Mannes. Nie hat er einen Geburtstag überfahren oder sonst ein Familienereignis. Nie blieb ein auch nur angedeuteter Wunsch unerfüllt. Wir bekamen, was wir wollten, stets in allerbester Ausführung. Aber diese Geschenke schienen irgendwie vom Fließband zu kommen. Verstehst du mich, Lulu?«
»Nicht ganz.«
»Alle Aufmerksamkeiten meines Vaters wirkten seltsam unpersönlich, wie fernbestellt, nach dem Terminkalender. Immer großzügig, und doch schien stets etwas zu fehlen.«
»Die persönliche Zutat«, stellte Lulu fest.
»Das ist es wohl«, erwiderte die Freundin.
»Aber das soll kein Vorwurf sein, vielleicht ist es mit den Präsenten, die ich ihm mache, genauso. Vermutlich begehe ich den gleichen Fehler. Wir sind — wir waren — von jeher — eine ziemlich kühle Familie. Auf unseren Beziehungen lag immer so etwas wie Rauhreif.« Milena lächelte gezwungen. »Keine Auseinandersetzungen. Keine Probleme. So gut wie nie Streit. Natürlich auch keine Affären.«
»Wie alt ist dein Vater jetzt?«
»Er wird einundsechzig«, antwortete Milena. »Aber das siehst du ihm nicht an.«
»Macht er sich jung?« fragte Lulu.
»Nein. Er war eigentlich niemals richtig jung, und so wirkt er jetzt auch nicht wirklich alt.«
»Keine modischen Anzüge, keine bunten Krawatten?«
»Wie kommst du darauf?« fragte die Hausherrin verständnislos.
»Nun ja, Martin Laimer ist jetzt ins gefährliche Alter gekommen —«
»Da kennst du ihn aber schlecht. Er hat sich nicht einmal eine Midlife-Crisis geleistet.«
»Er macht sich nicht viel aus Frauen?« fragte die Frau des Romanciers direkt.
»So würde ich es nicht formulieren«, erwiderte Milena nach kurzem Nachdenken. »Mein Vater ist vermutlich im Umgang mit Frauen ein ganz normaler Mann, nur —«
»Nur —?« ermunterte Lulu die Freundin zum Weitersprechen.
»— hat er keinen diesbezüglichen Umgang«, behauptete die Tochter. »Er stellt alles zurück, was ihn auch nur eine Stunde von seinen Firmengeschäften abhalten könnte, Du mußt das verstehen, Lulu. Er kam aus kleinen Verhältnissen und wollte ganz hoch nach oben. Das hat Martin Laimer geschafft, in verblüffend kurzer Zeit, mit seiner exemplarischen Tüchtigkeit. Er ist ein Besessener. Sein Konzern ist sein Lebenswerk, seine Familie, seine Frau, seine Geliebte, die Summe seiner Wünsche und Träume.«
»Keine menschliche Schwäche?« hakte Lulu nach.
»Schwäche nicht«, antwortete die Freundin. »Vielleicht eine Marotte. Er hat sich konstant geweigert, meiner Mutter, mir oder meiner Tochter Firmenanteile zu übertragen.«
»Habt ihr das verlangt?«
»Niemals. Aber der Syndikus und unsere Finanzberater haben es vorgeschlagen, um die Steuerlast durch Besitzverteilung zu verringern. Davon wollte Vater nichts wissen, er antwortete da mit so einem dummen Spruch: ›Sein Hemd behält man bis zuletzt an und liefert es erst am Grab ab‹. Wenn du von ihrem Schmuck — Geschenke meines Vaters — absiehst, ist meine Mutter eigentlich als unbemittelte Frau gestorben.«
»Du hast von ihr die Juwelen geerbt?«
»Allerdings; sie sind übrigens von beträchtlichem Wert.«
Milena hatte nie über diese Dinge gesprochen, aber vielleicht machten sie zwei Glas Champagner heute gesprächiger. »Es war uns auch gleichgültig, denn mein Vater ist immer generös zu uns gewesen. Wir wissen, daß er nicht aus Geiz oder Mißtrauen so handelte, er wollte einfach den Konzern zusammenhalten und den Gewinn wieder investieren. Dadurch hat er sich aber auch eine beispiellose Tretmühle geschaffen; der Erfolg ist die Peitsche, mit der er sich selbst hetzt. Schade«, setzte sie hinzu. »Meinst du, daß es für einen Mann in einer solchen Situation übliche Versuchungen gibt, Fehltritte, andere Frauen?«
»Gerade für einen solchen Mann«, erwiderte Lulu, die Erfahrene. »Absurd«, gab Milena zurück. »Und welche Frau von einiger Qualität würde einen Mann solcher Lebensart überhaupt ei tragen?«
»Oh, da kenne ich viele«, entgegnete die Freundin. »Es ist gewiß ein Allgemeinplatz, aber der Erfolg eines Mannes ist nun einmal sein Sex-Appeal.«
»Du mußt es ja wissen.« Die Gastgeberin wurde anzüglich.
»Natürlich muß ich es wissen«, versetzte Casagrandes dritte und sechste Ehefrau. »Ich bin weder eine Heilige noch eine Heuchlerin, und ich war auch einmal jung und habe Erfahrungen gesammelt mit den Herren in den besten Jahren. Eigentlich gar keine so schlechten. Diese grauschläfigen Gentlemen sind meistens betucht, erfahren und großzügig, pflegeleicht und keine Langweiler. Sie setzen zwar zu großen Sprüngen an und legen dann mitunter Bauchlandungen aufs Parkett, aber im Gegensatz zu ihren jungen Geschlechtsgenossen wissen sie, was sie wollen — und wollen nicht unentwegt wie die Kaninchen. Und man kann sie auch mal allein lassen, ohne daß sie gleich einer anderen hinterherhecheln —«
»Interessant«, antwortete Milena gähnend. »Da hab’ ich ja wohl einiges versäumt in meinem Leben.«
»Wenn du mich fragst, hast du viel versäumt«, bestätigte die Freundin, »aber nicht unbedingt alternde Liebhaber. Sie machen nicht nur Freude.« Lulu schöpfte aus dem Schatz ihrer Erfahrung. »Der Haken ist der, daß die alten Schwerenöter immer älter werden, und ab einer bestimmten Epoche zählen die Jahre doppelt und dreifach. Stets mußt du ihnen bestätigen, wie jung sie eigentlich sind, und das wird, wenn du fünfundzwanzig Jahre und noch weit mehr ausgleichen sollst, mit der Zeit ermüdend. Ich will nicht pietätlos werden, aber diese Schwierigkeiten wären leichter zu ertragen, wenn man wüßte, wann der verliebte Methusalem den Löffel abgeben wird. Man würde dann weniger Gefahr laufen, seine besten Jahre zu vertrödeln — um dann wieder allein dazustehen —, und die Gefahr wäre gebannt, daß du eines Tages nicht mehr die Geliebte sein wirst, sondern nur noch eine Krankenpflegerin oder Nurse, die dem Alternden rechtzeitig seine Medizin verabreicht.« Sie sah, daß ihre Freundin die Stirn runzelte. »Ja, ja«, setzte Lulu hinzu, »Medizin ist bitter.«
»Wie kann man nur so zynisch sein«, rügte Milena. »Du sprichst doch wohl nicht im Ernst?«
»Und ob«, antwortete die Freundin. »Und für das erste Stadium gilt: ›Wenn alte Scheunen einmal in Brand geraten, brennen sie lichterloh‹.«
»Sprichst du jetzt von Cecil Casagrande — oder von Martin Laimer?« attackierte die Gastgeberin ihre Freundin. »Entschuldige, Lulu«, schwächte sie den Angriff gleich wieder ab. »Ich war taktlos — wie kommen wir eigentlich auf dieses Thema?«
»Nicht ganz zufällig«, erwiderte die Zynikerin und drückte ihre Zigarette aus. »Es tut mir leid, aber du mußt dir jetzt eine Geschichte anhören.«
»Wenn du meinst«, entgegnete Milena. »Ich höre.« Sie versteifte sich unbewußt.
»Die Phil-Palance-Story spielte in New York. Der Mann war Industrieller, ein Aufsteiger, ein Gigant des Erfolgs, ein bißchen älter als dein Vater, dem er in vielem ähnelte, zum Beispiel im Fanatismus für seine Firma und —«
»Du brauchts mir den Mann nicht weiter zu schildern«, unterbrach Milena. »Er war bereits Gast in unserem Düsseldorfer Haus — als Geschäftspartner unseres Konzerns.«
»Dann weißt du ja Bescheid. Mit Frauen hielt es Mr. Palance übrigens anders als dein Vater. Für sie hatte er immer eine Stunde übrig, aber die austauschbaren Gespielinnen kosteten ihn keine Minute Zeit darüber hinaus. Übrigens war er seit Jahren Witwer und wollte wohl auch seine männliche Aktivität beweisen. Plötzlich kam dann eine radikale Umkehr: Phil Palance war der Frau begegnet, von der viele Männer insgeheim träumen, zumindest, wenn sie in die Jahre kommen. Angeblich eine Halb-Ungarin, Mitte bis Ende Zwanzig, bildhübsch, anpassungsfähig wie keine andere, offensichtlich eine Spezialistin für gewisse Herren. Der Eintritt in ihren Club hat seine Bedingungen: Der Kandidat muß fortgeschrittenen Alters — sagen wir mal mindestens sechzig —, Millionär und noch gut erhalten sein. Phil Palance zum Beispiel, ein Hüne von einem Mann, angeblich kerngesund, war schon weit über Mitte Sechzig. Ein Autokrat in seinem Konzern, der keinen anderen ans Ruder ließ, schon gar nicht seine unfähigen Söhne. Zunächst wußte niemand von seiner Romanze mit einer jungen Frau, deren Vorleben übrigens auch jetzt noch völlig im Dunkel liegt.«
»Vielleicht ist sie eine Frau ohne Vergangenheit«, spottete Milena.
»Die schöne Unbekannte lebte zurückgezogen. Sie scheute Lärm, Aufsehen, Schwierigkeiten und Schlagzeilen. Sie haßte Skandale, Kunststück, schließlich lebte sie von der Diskretion.« Lulu überzeugte sich, daß die Freundin, wenn auch nur mäßig interessiert, noch zuhörte. »Sie ist offensichtlich auf Herren eines bestimmten Alters abonniert und —«
»Das kann aber auch ein handfester Vaterkomplex sein«, unterbrach Milena.
»Gewiß«, erwiderte die Freundin, »aber genausogut Berechnung. Stell dir vor: Wenn du genau weißt, was du willst, gibt es großartige Gelegenheiten für eine hübsche Spätzwanzigerin. Zum Beispiel ein Rotarier-Treffen, ideal für diesen Zweck, nicht? Die Herren sind meistens unbegleitet — Rotarierinnen gibt es ja nicht —, sind nicht mehr die Jüngsten, mit Sicherheit nicht arm und auch nicht unsolide — das ist doch wie Angeln in einem überfüllten Bassin.«
»Man merkt, daß du die Frau eines Romanciers bist«, sagte die Gastgeberin mit einem Anflug von Ironie. »Seine Phantasie hat sich wohl auf dich übertragen?«
»Zurück zu Phil Palance«, fuhr Lulu fort. »Es war für Wallstreet unvorstellbar, daß der Industrielle über Nacht von seinen Geschäften zurücktrat und — seine Söhne übergehend — einen Bevollmächtigten einsetzte, um künftig auf Privatreisen zu gehen, Auf einmal hieß es in Finanzkreisen: ›Cherchez la femme‹. Und die Dame wurde schließlich aufgespürt — als ständige Begleiterin von Phil Palance, der auf einmal noch etwas vom Leben haben wollte und bereit war, für seine Traumgeliebte alles aufzugeben.«
»Was für eine Schnulze«, sagte Milena. »Woher hast du eigentlich diesen Liebesroman?«
»Direkt aus New York. Philip Palance jr., der älteste Sohn des Verstorbenen, hat in der letzten Woche Bankier Keil — der in Deutschland seine Interessen vertritt — aufgesucht, um ihn zu warnen. Er läßt die Dame nach dem Tode seines Vaters überwachen.«
»Ziemlich unfein, was?«
»Schließlich hat der alte Palance mit diesem semi-ungarischen Wunderwesen den letzten Teil seines Lebens verbracht. Er war ihr völlig hörig und hat ihr in seinem Testament ein größeres Aktienpaket hinterlassen. Sein Konzern ist übrigens heute in einem traurigen Zustand —«
»Weil die Nachfolger nichts taugen«, versetzte Milena. »Woher stammen eigentlich deine Enthüllungen?«
»Von Bankier Keil.«
»Kaum zu glauben.« Milena schüttelte den Kopf. »Ich hätte ihn wirklich nicht für so eine Klatschbase gehalten.«
»Es handelt sich nicht um den üblichen Tratsch, sondern um eine wichtige Information«, entgegnete die blonde Wienerin. »Die geheimnisvolle Dame ist Miterbin eines Mannes, der unter reichlich dubiosen Umständen ganz plötzlich gestorben ist: Gehirnschlag oder Kreislaufkollaps — übrigens am Strand von Copacabana in Rio de Janeiro. Jedenfalls haben die brasilianischen Ärzte die Todesursache ziemlich unpräzise diagnostiziert, deshalb bemühen sich die Palance-Söhne bei den Behörden darum, die Leiche ihres Vaters exhumieren und untersuchen zu lassen. Sie haben den Verdacht, daß die Geliebte ihres Vaters bei seinem plötzlichen Ende etwas — etwas nachgeholfen haben könnte.«
»Du meinst, Phil Palance wurde von ihr vergiftet?«
»Ich meine gar nichts — die Söhne äußern diesen Verdacht.«
»Und so sie ihn begründen könnten, würde das der Dame vererbte Aktienpaket an sie fallen.«
»Anzunehmen.«
»Das wäre also ein Kampf der Erbschleicher gegen eine Erbgewinnlerin«, stellte die Düsseldorferin fest. »Wirklich mehr ein Thema für Cecil, deinen Mann. Unser Hausbankier muß ein Glas zuviel getrunken haben.«
»Er ist Diabetiker und trinkt nie Alkohol«, konstatierte Lulu. »Er wollte mit dir sprechen, aber er meinte, ich als deine Freundin könnte das vielleicht besser erledigen. Er hält sich übrigens morgen früh für ein Gespräch mit dir vor unserem Abflug bereit und erwartet dich in seinem Ferienhaus. Es ist ja nur ein kleiner Umweg auf der Fahrt nach Faro.«
»Kommt nicht in Frage«, erwiderte Milena.
»Die Idee, mit dir zu sprechen, stammt übrigens von Sissy, seiner Frau.«
»Aber was hab’ ich denn mit dieser Phil-Palance-Geschichte zu tun?«
»Mehr als du ahnst«, erwiderte die gutaussehende Blondine, die auch schon mit blauschwarzen und sanftroten Haaren aufgetreten war. »Du zwingst mich, meine Liebe, dir nichts zu ersparen. Weißt du, wo sich dein Vater zur Zeit aufhält?«
»In New York.«
»Nein. Er ist in Bangkok als Teilnehmer eines Rotarier-Treffens. Begleitet von einer Dame mit dem romantischen Namen Ilka, der Exgeliebten des verstorbenen Mr. Palance.«
»Ausgeschlossen«, behauptete die Gastgeberin ebenso verärgert wie verstört.
»Ruf deinen Mann an«, riet Lulu. »Er muß die derzeitige Adresse deines Vaters kennen.«
»Wenn du meinst«, erwiderte die Clubmeisterin nach kurzem Zögern.
Die Freundin wollte taktvoll den Raum verlassen, aber Milena forderte sie auf, dazubleiben. Die Verbindung kam sofort zustande. Die Anruferin hielt sich nicht mit Freundlichkeiten auf; auch auf den Beziehungen zu ihrem Mann schien Rauhreif zu liegen.
»Soweit ist alles in Ordnung, Hans-Georg«, sagte sie hastig statt eines Grußes. »Ich komme morgen wie vereinbart zurück.«
Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Vater ist doch zur Zeit in den USA?«
»Nein«, erwiderte der Frühstücksdirektor des Martin-Laimer-Konzerns. »Er ist, ziemlich überraschend für uns alle, zu einem Rotarier-Treffen nach Bangkok geflogen und wird, wie es scheint, nicht so bald zurückkommen.«
»Rotarier?Treffen?« wiederholte Milena mit ein wenig schriller Stimme. »In Bangkok? Sag mal, Hans-Georg, hat er sich in letzter Zeit verändert?«
»Irgendwie schon —« antwortete ihr Mann. »Er kümmert sich nicht mehr um alles in der Firma, Erstmals delegiert er bestimmte Aufgaben und dann baut er mehr und mehr diesen schrecklichen Mike Nadler als seinen Thronfolger auf —«
»Und warum hast du mich das nicht wissen lassen?«
»Wann hätten wir je miteinander über deinen Vater gesprochen?« versetzte der Schwiegersohn des Industriellen.
»Also — bis morgen«, beendete Milena das Gespräch, legte mit klammen Fingern auf und starrte einen Moment lang ins Leere. »Sorry, Milena«, sagte die Freundin. »Ich wollte dich wirklich nicht quälen, aber du mußt sofort etwas unternehmen, um Martin Laimer von dieser Frau zu befreien. Sie versteht es meisterlich, mit älteren Herren umzugehen — bis zu deren Ende.«
»Das halte ich für Unsinn«, konterte Milena. »Aber es ist auch so schon schlimm genug. Verstehst du, Lulu, ich habe mir immer gewünscht, daß sich Vater etwas Zeit nimmt — aber für uns und nicht für eine andere.«
Die Freundin legte den Arm um Milenas Schultern. »Wenn du nicht sofort das Feuer austrittst«, drängte sie, »bekommst du eine fast zehn Jahre jüngere Stiefmutter, der dein mehr als doppelt so alter Vater mindestens die Hälfte seines Vermögens vererben wird.«
»Aber was soll ich tun?«
»Sprich zunächst mal mit dem Bankier Keil«, riet die Wienerin. »Du solltest ihm wirklich für seine Warnung dankbar sein.« Milenas Widerstand war gebrochen; sie erklärte sich bereit, vor dem Abflug Sissys Mann zu treffen.