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IV
ОглавлениеAuf der Alpennordseite endet schlagartig das Schönwetter. Die Cessna muß sich durch das Gewölk pflügen und gerät in heftige Turbulenzen, aber Schmeißer, der wendige und mitunter auch windige z.b.V.-Agent, verläßt sich auf Robeller, einen erfahrenen Piloten, den Kamossa der Lufthansa abgeworben hat. Der 35jährige sieht wie ein moderner Wikinger aus, hat ein ebenmäßiges Gesicht mit Augen, die es gewohnt sind, in große Weiten zu blicken. Am frühen Nachmittag kurvt die Cessna über München-Riem. Bayerns Hauptstadt liegt unter einer dichten Wolkendecke, und Robeller wirkt auch dann noch gelassen, als ihm der Tower Platzrunden vorschreibt und er vierzig Minuten lang auf die Landeerlaubnis warten muß.
Der Pilot startet gleich wieder zum Rückflug.
Vereinbarungsgemäß wird der Mann mit dem Spezialauftrag von Lapinsky empfangen, dem Presse- und Werbechef der Münchener Kamossa-Vertretung. Entgegen ausdrücklicher Absprache begleitet Grawutke den Kontaktmann, der Statthalter des Konzerns in der Isarstadt. Der Ehrgeizling mit dem übertrieben gepflegten Aussehen schiebt sich geschäftig in den Vordergrund.
»Ich habe erfahren, daß Sie wegen eines schwierigen Auftrags nach München gekommen sind, und so möchte ich Ihnen meine Hilfe anbieten«, begrüßt er Schmeißer.
»Besten Dank, Herr Grawutke«, erwidert der Ankömmling. »Aber Sie nutzen mir am meisten, wenn Sie sich aus der Sache heraushalten.«
»Das würde ich mir an Ihrer Stelle überlegen«, entgegnet der Schönling. »Unterschätzen Sie meine Verbindungen nicht.«
Lapinsky hält sich aus der aufkeimenden Kontroverse heraus. Er steht hinter seinem um einen Kopf größeren Chef und lächelt schiefmundig. Er hat früher schon mit dem Spezialrechercheur zusammengearbeitet und weiß, wie er mit Grawutke umspringen wird.
»Falls ich Ihre Verbindungen brauche, werde ich sie in Anspruch nehmen«, wehrt der Privatdetektiv auch die zweite Anbiederung ab. »Aber danach sieht es nicht aus.« Schmeißer verfolgt, wie der Zorn den Vordrängier in Rage bringt. »Überlassen Sie die Sache bitte Lapinsky und mir.«
»Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?« plustert sich Grawutke auf.
»Der Schwiegersohn des Konzernchefs«, antwortet der Privatdetektiv. »Aber Herr Kamossa ist nicht so familiär. Und solange Sie nicht auf seinem Stuhl sitzen, befolge ich ausschließlich seine Weisungen.«
»Wir sprechen uns noch«, droht der Münchener Statthalter, bevor er sich verärgert zurückzieht.
»Einen Freund haben Sie sich hier nicht gemacht«, stellt Lapinsky fest.
»Freundschaft gibt es nicht in meinem Metier«, erwidert der erfolgreiche Schnüffler. »Wie hat Grawutke erfahren, daß ich nach München komme?«
»Sehr einfach«, erklärt der Pressechef. »Er hat sich eine Abhöranlage einbauen lassen und vermutlich das Gespräch aus Ascona mitgehört.«
»Da hätten wir bereits die erste Panne«, entgegnet Schmeißer. »Machen Sie dem Mann klar, daß er fliegt, wenn er auch nur ein Wort über meine Anwesenheit in München verlauten läßt.«
»Bitte übernehmen Sie das an meiner Stelle«, erwidert Lapinsky. »Sie kann er ja nicht feuern.« Er setzt sich ans Steuer. »Wohin?« fragt er den neben ihm sitzenden Ankömmling.
»Richtung Innenstadt«, entgegnet der Akteur der Blitzaktion. »Also«, kommt er zur Sache, »ich brauch so rasch wie nur möglich Insider-Informationen über den Kronwein-Buchverlag. Ich muß sofort wissen, wie ein heißes Manuskript in die Hände des Lektorats gekommen ist und wer dahintersteckt. Sie haben sicher einen Informanten im Haus?«
»Einen?« entgegnet Lapinsky. »Das Betriebsklima in diesem Verlag ist so miserabel, daß man bei den Mitarbeitern nur anzutippen braucht, und die Informationen purzeln vom Baum wie wurmstichige Äpfel.«
»Also tippen Sie an«, fordert der Sonderbeauftragte.
Lapinsky nickt und steuert den Wagen geschickt durch den Verkehrsstrom. Er reiht sich auf der rechten Straßenseite ein, um an der nächsten Telefonzelle halten zu können. »Moment mal«, entschuldigt er sich, hält den Wagen an. Sein Gespräch dauert nicht einmal eine Minute. »Okay«, erklärt er, als er wieder in den Wagen einsteigt. »Die Leute, die Sie sprechen wollen, treffen wir zufällig nach Dienstschluß in ihrer Stammkneipe – also bereits in eineinhalb Stunden. Ich lade die Lektoren öfter ein, so daß dieses Treffen nicht weiter auffällt. Ich werde Sie dabei als meinen neuen Mitarbeiter einführen.«
Es klappt vorzüglich. Nach der dritten Runde Bier mit Schnaps beginnen die Versammelten – fünf Lektoren und drei Sekretärinnen – von selbst mit einer Schimpf- und Schmähkanonade auf die Kronweins.
»In der vergangenen Woche hat dieser feine Konsul 50 000 Mark an seine frühere Sekretärin bezahlen müssen«, tratscht einer. »Und wißt ihr, warum?« Er gibt sich gleich selbst die Antwort: »Er zwang während La Carotas Abwesenheit die Dame Melber jeweils am Morgen, die Tür abzusperren und ihm die Post splitternackt zu servieren. Dabei spielte er dann ›Hasch mich‹ mit ihr um den Schreibtisch herum – bis es ihr zu dumm wurde und sie einen Anwalt aufsuchte. Damit die Sache nicht über das Arbeitsgericht publik wird, mußte Kronwein Schweigegeld bezahlen.«
Sie sind nicht bösartig, aber frustriert. Dank ihrer Arbeitsleistung ist es den Kronweins möglich, unter südlicher Sonne zu sitzen und sie von dort aus telefonisch nach Laune zu kujonieren. Sie geizen dabei nicht mit Beschimpfungen und Drohungen. Selbst ein so tüchtiger Mann wie Cheflektor Doppelschmidt muß es sich gefallen lassen, von den Kronweins in aller Öffentlichkeit als ›Deppenschmidt‹ beleidigt zu werden.
Die beiden Zuhörer erfahren von den Schluckspechten Amüsantes und Interessantes, nicht aber das, was sie hören wollen. Der Kamossa-Pressechef gibt Schmeißer nach Tisch ein Zeichen, und gemeinsam ziehen sie den Cheflektor in eine Ecke. Er ist ein zurückhaltender, verläßlicher Mann, ein Könner, der im Kronwein-Verlag weit unter seinem Wert arbeitet.
»Haben wir nicht immer prima zusammen gewirkt, Herr Doppelschmidt?« beginnt Lapinsky mit der Massage. »Waren wir nicht gut Freund miteinander?«
»Das kann man ohne Übertreibung sagen«, bestätigt der Mann mit dem schmalen Kopf, dem linksgescheitelten Haar und der Halbglas-Lesebrille, deren Absetzen er meistens vergißt.
»War ich je kleinlich zu euch? Hab ich getratscht oder euch gar in die Bredouille gebracht? Hab ich euch nicht manchmal sogar aus der Klemme geholfen?«
»Das stimmt alles …« Doppelschmidt begreift offensichtlich nicht, worauf sein Gastgeber hinauswill. Schmeißer verfolgt, wie geschickt Lapinsky es anstellt, und läßt ihm freie Hand.
»Warum verschweigen Sie mir dann etwas, das mich brennend interessieren muß?«
»Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen«, erwidert der Angegriffene.
»Was soll ich schon meinen? Ich spreche vom Kamossa-Manuskript.«
»Kamossa?« fragt der Cheflektor betroffen. »Woher wissen Sie etwas darüber?«
»Dreimal dürfen Sie raten«, erwidert der Inquisitor.
»Da außer mir niemand im Hause etwas erfuhr, kann diese – diese Durchstecherei doch nur vom Verleger selbst kommen …«
»So sehen wir das auch«, antwortet Lapinsky. »Aber so wie wir miteinander auskommen, hätten Sie mich sofort benachrichtigen müssen, was uns da ins Haus steht. Im vergangenen Jahr haben wir über eine Viertelmillion in Kronwein-Blättern inseriert«, erinnert ihn der Presse- und Werbeleiter. »Da hätte ich mir schon etwas mehr Entgegenkommen ausgebeten.«
»Das ist doch noch gar nicht spruchreif«, versichert die Nummer eins des Lektorats. »Es steht noch alles offen. Es handelt sich um einen von zwanzig oder dreißig Vorschlägen, die täglich bei uns eingehen und meistens in den Papierkorb fliegen.«
»Alles Vorschläge über Henry Kamossa?« hämt Schmeißer.
»Natürlich nicht.« Der Verlagsmann gerät ins Schlittern. »Es handelt sich hier um kein Manuskript, sondern um ein Exposé, eigentlich nur um eine Stoffsammlung für eine – sagen wir mal – Skandal-Biographie.«
»Sind Sie sicher, daß Ihr Verleger dieses Exposé nicht selbst in Auftrag gegeben hat?«
»Absolut.«
»Auch nicht hinter Ihrem Rücken.«
»Das hätte ich erfahren.« Doppelschmidt wirft ein letztes Zögern ab und springt ins kalte Wasser. »Ich will Ihnen mal was sagen: Ich pfeif auf Ihre Werbung. Aber Sie können trotzdem mit mir rechnen. Ich bin nun mal gegen krumme Touren.« Er sieht sich um, stellt fest, daß keiner seiner Kollegen in der Nähe ist und der Lärm, den die Angeheiterten machen, so groß ist, daß sie nicht einmal Wortfetzen aufschnappen können. »Also«, sagt er, »es war vor ein paar Tagen. Ich weiß gar nicht, wie der Kerl an meiner Sekretärin vorbeigekommen ist. Plötzlich stand er im Raum, wedelte mit Manuskriptblättern und sagte: ›Wenn Sie das lesen, werden Sie an die Decke springen. ‹ Der Eindringling hatte ein geradezu unverschämtes Selbstbewußtsein. ›Bringen Sie diese Biographie als Buch heraus, und Sie machen das Geschäft Ihres Lebens. ‹ Der Mann nannte sich Hans-Peter Müller, aber ich hatte gleich den Verdacht, daß es sich dabei um einen fingierten Namen handelte. Irgendwie hatte ich diesen Typ schon mal gesehen, zumindest auf einem Foto. Aber so angestrengt ich auch nachdachte, ich kam zunächst nicht drauf. Der Bursche war hartnäckig, und schließlich schaffte er es, daß ich ihn aufforderte, Platz zu nehmen, und mir sein Angebot ansah. Es war nicht viel zu lesen, an die elf, zwölf Seiten, aber die hatten es in sich. Ich war wie elektrisiert. Gift und Galle. Brandgefährlich, um nicht zu sagen explosiv. Ich kann nicht beurteilen, ob an den Vorwürfen gegen Henry Kamossa etwas dran ist, aber wenn sie stimmen, könnten sie sich katastrophal für ihn auswirken.«
»Nicht, wenn die Anwürfe stimmen«, korrigiert ihn Schmeißer, »sondern wenn sie sich beweisen lassen.«
»Da hab ich allerdings meine Zweifel«, räumt Doppelschmidt ein. »Ich pickte ein paar der vergifteten Rosinen heraus und fragte den Mann, wie er sie rechtlich abstützen könne. Er wußte auf jede Frage eine Antwort, ob sie allerdings stimmte, ist eine andere Sache. Aber das war nicht mein Bier. Ich ließ den ungebetenen Besucher, von meiner Sekretärin bewacht, in meinem Büro sitzen, ging ins Vorzimmer und unterrichtete Kronwein telefonisch in Moscia. Er war sofort Feuer und Flamme. ›Sie müssen dieses Manuskript um jeden Preis erwerben, Doppelschmidt‹, insistierte er mich. »Sehen Sie zu, daß Sie es billig einkaufen können. Ich verlaß mich auf Sie. Wenn Sie’s schaffen, fallen Sie die Treppe hinauf, wenn nicht … ‹ Die Drohung versandete auf halbem Weg. »Halten Sie mich auf dem laufenden. ‹ Seitdem löchert er mich dreimal täglich mit seinen Anrufen.
Ich ging zu diesem Hans-Peter Müller zurück: »Ich kann meinen Verleger im Moment nicht erreichen‹, behauptete ich. ›Aber ich nehme unser Gespräch auf meine Kappe. Das hier ist ja nur ein Entwurf; wann würde das Gesamtmanuskript fertig sein? ‹
›Bald‹, erwiderte er wie das Orakel von Delphi.
›In einem Jahr, in zwei oder überhaupt nicht?‹
›Es ist schon fast abgeschlossen‹, behauptete der Verfasser.
›Und warum haben Sie es dann nicht mitgebracht?‹
›Ich geb meine Munition doch nicht aus der Hand, solange wir keinen Vertrag haben. Und zuerst will ich mal Knete sehen. ‹
›Für die Katze im Sack?‹ fragte ich ihn.
›Es hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen‹, erwiderte er und erhob sich.
›Ein paar Fragen werde ich Ihnen schon noch stellen dürfern, hielt ich ihn auf und lenkte wieder ein, ›Sind wir das erste Verlagshaus, dem Sie das Manuskript anbieten?‹ ›Dafür verbürg ich mich. ‹
›Und warum kommen Sie zu uns?‹
›Sie sind in der Branche bekannt dafür, daß Sie vor hohen Honoraren nicht zurückschrecken. ‹
›Da täuschen Sie sich mal nicht‹, erwiderte ich. ›An welche Summe dachten Sie denn? ‹
›Ich hatte hohe Auslagen. Mindestens 100 000 Mark Vorschuß‹, versetzte der Mann in der Lederjacke, ›und dann gestaffelt, je nach Auflage, 12 bis 15 Prozent Tantieme gegen Verrechnung mit dem Vorschuß.‹
›Das ist verdammt viel‹, antwortete ich. ›Vor allem für einen Anfänger – aber darüber können wir später reden. ‹ Ich lehnte mich zurück, als müßte ich angestrengt nachdenken. Dann bot ich ihm eine Vier-Wochen-Option gegen 5 000 Mark Honorar an; danach sollte der endgültige Kaufpreis festgesetzt werden. Der Mann handelte mich auf eine Woche herunter und auf 10 000 Mark hinauf. Er gab sich naiv, aber er war gerissen. Um die Sache geheimzualten, tippte ich den Optionsvertrag selbst auf der Schreibmaschine. Beide Seiten verpflichten sich darin zu absoluter Verschwiegenheit. Falls wir uns mit dem Autor nicht einigen oder die Geheimhaltung verletzen, kann er aussteigen und das Manuskript anderweitig anbieten. Nach Ablauf der Optionszeit und bei gleichzeitiger Vorlage zumindest eines erheblichen Teilmanuskripts soll dann der endgültige Vertrag geschlossen werden.«
»Und wann läuft die Optionsfrist aus?« fragt Schmeißer.
»Am Freitag – übermorgen also. Ich ging mit dem Mann zur Kasse«, berichtet der Lektoratsleiter weiter, »um ihm die 10 000 Mark gleich auszahlen zu lassen. Wieder fiel mir auf, wie selbstverständlich ihm das alles war. Er gab sich für einen freien Journalisten aus, der unter anderem auch für den ›Spiegel‹ und für ›Visier‹ arbeitet, gute Verbindungen zu Archiven unterhält. Abermals musterte ich das blasse Gesicht, den Ziegenbart, die unordentliche Frisur, das offenstehende Hemd, die abgenutzte Lederjacke. Auf einmal wußte ich: Der Autor heißt nicht Hans-Peter Müller; es ist Peter Raguse.«
»Der Enthüllungsspezialist?« erwidert Lapinsky erschrokken. »Dann ist die Scheiße am Dampfen.«
Einen Moment lang wirkt selbst der unerschütterliche Schmeißer konsterniert. In bestimmten Industriekreisen ist Raguse so bekannt, daß an den Wänden der Personalabteilungen seih Foto als Warnung hängt. Er hatte sich mit falschem Namen und fingierten Papieren in ein Atomkraftwerk eingeschlichen, dort wochenlang gearbeitet und dann – gestützt auf Kantinengespräche mit gestreßten Mitarbeitern – in einem fundierten Bericht die Sicherheitsmängel enthüllt. Er hatte sich in einem Edelbordell als besserer Rausschmeißer anheuern lassen, um dann hinterher über die Extratouren und Zuwendungen der prominenten Gäste zu berichten. Immer mit demselben Trick war er als Gastarbeiter, als Krankenpfleger, als Tellerwäscher, als Taxifahrer, Ohrenbeichter und Privatpolizist aufgetreten. Immer in Verkleidung, unter falschem Namen und mit gefälschten Personalpapieren.
›Warum stellen Sie sich mir als Hans-Peter Müller vor, wenn Sie in Wirklichkeit Peter Raguse sind?‹ fragte ich den Enthüllungsspezialisten.
Er lächelte mir ohne eine Spur von Zerknirschung ins Gesicht. »Damit Sie sich nicht gleich in die Hose machen, Herr Doppelschmidt‹, erwiderte er. ›Hätte ich ernsthaft gewollt, daß Sie mich nicht erkennen, wäre mir das auch gelungene Er zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch aus wie jemand, der verärgert ist, daß er rückfällig wurde. ›Sicher möchten Sie mit mir nicht viel zu tun haben‹, grinste er frech. ›Aber Ihr Prinzipal denkt darüber vielleicht ganz andes.‹«
»Sie haben Kronwein gesagt, wer dieser angebliche Müller wirklich ist?« fragt Schmeißer.
»Das mußte ich tun. Dann habe ich mir im Archiv Material über den Enthüllungsspezialisten besorgt.«
»Wo ist das Material jetzt?«
»In meiner Schreibtischschublade.«
»Und der Optionsvertrag?«
»Ebenfalls bei mir unter Verschluß.«
»Und die Kopie des Manuskripts?«
»Ich habe keine gemacht«, beteuert Doppelschmidt.
»Lügen Sie mich doch nicht an!« erwidert Schmeißer. »Sie verabschieden sich jetzt von Ihren Kollegen, weil Sie müde sind. Dann fahren Sie im Verlag vorbei, holen sämtliche Unterlagen und kommen damit zu uns ins ›Hilton‹.«
»Mein Gott, Sie bringen mich um Kopf und Kragen!« Der Mann in der Klemme erfaßt die Situation richtig.
»Nun hören Sie mir mal gut zu, Doppelschmidt«, entgegnet der Pressechef. »Ihre Mitteilungen bleiben unter uns. Trotzdem sichern wir Sie ab. Falls Sie in Schwierigkeiten kommen sollten, erhalten Sie von uns Ihre Bezüge weiter, und zwar in doppelter Höhe. Und das so lange, bis Sie oder wir in einem anderen Verlagshaus eine mindestens gleichrangige oder bessere Position gefunden haben.«
Doppelschmidt nickt.
»Ich werde Ihnen das morgen schriftlich bestätigen.«
Der Verlagsmann verabschiedet sich offiziell. Lapinsky fordert den Wirt auf, ihm morgen die Rechnung zu schikken. »Ihr könnt noch tagen, so lange ihr wollt«, wendet er sich dann an die feuchtfröhliche Gesellschaft. »Es ist alles erledigt.«
»Eine verdammte Geschichte«, schimpft Lapinsky auf der Fahrt zum »Hilton‹. »Ein Schlimmerer als Raguse, dieses wildgewordene Trüffelschwein, hätte uns nicht in den Weg laufen können. Dem Kerl ist alles zuzutrauen.«
»Mir doch auch«, erwidert der Meister der Finten und Finessen.
Lapinsky lacht, mehr höflich als überzeugt. »Also«, kommt er zum Psychogramm des Verhaßten, »Raguse ist unbestechlich. Geld ist für ihn nur Mittel zum Zweck. Er wird von seinem Anwalt, einem früheren Klassenkameraden, blendend beraten. Zwar hat er bei einigen Prozessen schon Haare lassen müssen, aber aus mehr als einem Dutzend Scharmützeln ist er als der Sieger hervorgegangen.«
»Ein linker Spinner?« fragt Kamossas Mann fürs Grobe.
»Viele halten ihn dafür, aber das stimmt nicht. Er hat bei gewerkschaftseigenen Konzernen Mißstände aufgedeckt und ihre Manager rücksichtslos in die Pfanne gehauen. In einigen Großstädten wurde von ihm der Genossen-Filz schonungslos enthüllt. Wenn Sie mich fragen, ist er kein Roter, kein Grüner und schon gar kein Schwarzer.«
»Was dann?«
»Ein Jäger«, erwidert Lapinsky. »Und ein Fallensteller.«
Schmeißer ist längst nicht so optimistisch, wie er sich gibt. Allein was er vom Hörensagen über Raguse kennt, suggeriert ihm schlimme Vorahnungn. Am schwierigsten ist es immer, Kontrahenten hereinzulegen, die sich persönlich nichts aus Geld machen, ob sie nun Hohlköpfe oder Fanatiker sind.
»Zuerst einmal werden wir Kronwein das Manuskript wegnehmen«, sagt er.
»Das dürfte nicht schwierig sein.«
»Als nächstes brauche ich einen Verlag, an dem unser Konzern maßgeblich beteiligt sein müßte, um Raguse ein Superangebot zu unterbreiten.«
»Auf lange Sicht auch kein Problem.«
»Die lange Sicht endet morgen früh«, erwidert Schmeißer.
Noch bevor Doppelschmidt mit den Unterlagen im Hotel eintrifft, ruft Schmeißer in Ascona an und führt ein langes Gespräch mit Michael Budde.
»Hören Sie gut zu«, endet der Chefmanager des Konzerns schließlich und erteilt dem Spezial-Rechercheur präzise Anweisungen und weitreichende Vollmachten.