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Gegen 16.30 Uhr kam der General persönlich in mein Apartment. Er war hier gewissermaßen der Hausherr, doch er klopfte höflich an und wartete auf meine Antwort, vielleicht nur, weil er nicht allein erschienen war. Zuerst erkannte ich nur ihn; seine massige Gestalt verdeckte seine Begleiterin.

Dann sah ich rot.

Oder besser: blond.

Ich hatte noch keinen Tropfen aus der Hausbar genascht, aber ich starrte in das Gesicht Dianas, meines Flirts von heute morgen.

Sie lächelte, und an meiner Wahrnehmung war nicht länger zu zweifeln, und so stand außer Frage, daß sie von meiner eigenen Organisation auf mich angesetzt worden war. Dieser Unfug war Usus bei uns, natürlich eine original amerikanische Idee.

Da gab es zum Beispiel einen Elektro-Multi, dessen leitende Manager einmal im Jahr jeweils bei ihrem unmittelbaren Vorgesetzten in einem Gespräch unter vier Augen eine Art profaner Ohrenbeichte ablegen mußten. Dabei war alles aufs Tapet zu bringen, was intim und peinlich war: Daß die Ehe lahmte, weil die Midlife-crises den Hausherrn Bocksprünge machen ließ, daß der Jüngste wegen Latein sitzengeblieben sei und die Tochter sich mit einem türkischen Studenten herumtrieb.

So ähnlich ist es mit den Inspektionen, die unser Verein bei seinen Männern im Außendienst leistet. Sicher war es in meinem Fall nicht darum gegangen, mir meinen Malus gegenüber den Schönen anzukreiden, sondern um meine Beobachtungsgabe zu testen.

Ich betrachtete diese perfide Unschuld namens Diana; ihre fast schulterlangen Haare fielen zur Seite, der blonde Gesichtsvorhang war weit aufgezogen. Des Vizes Helferin trug einen türkisfarbenen, hinreißend geschnittenen Hosenanzug, genau auf die Farbe ihrer Augen abgestimmt. Im Gegensatz zu heute morgen spürte ich keine Ausstrahlung von kühler Hitze, sondern witterte bewährte Unnahbarkeit.

Es war wenig sinnvoll, in meiner Situation den Steher im Ring zu mimen, den kein Boxhieb zeichnet. Meine morgendliche Halb-Eroberung hatte mir einen ganz schönen Tiefschlag versetzt.

»Seien Sie nicht kindisch, Ferry«, sagte der Quadrat-Schädel: »Wir mußten diesen kleinen Test mit Ihnen anstellen.« Sein Lächeln war vergiftet wie Großstadtluft. »Unseren Freund hier«, nickte er Diana zu, »kann man ohne weiteres in die Hölle schicken, aber nicht ungeprüft einem Harem aussetzen.«

»Sir«, griff ich ihn an. »Mir steht keine Kritik an Ihren seltsamen Methoden zu, aber erlauben Sie mir bitte die Feststellung, daß ich Sie für unfair halte.«

»Unsere Gegenspieler sind auch nicht fair«, schnippte der Vize meinen Einwand weg. »Nun regen Sie sich schon ab, Ferry. Sie haben übrigens eine ganz gute Figur gemacht und das Examen bestanden.«

»Mag sein«, konterte ich spitz. »Aber Ihre fünfte Kolonne mit den Sex-Attributen ist bei mir durchgefallen.« Ich attackierte Diana: »Wenn Sie wieder einmal Straßen-Theater spielen, Miß«, sagte ich gönnerhaft, »dann sollten Sie den Autoreifen richtig herzhaft durchstechen, statt bloß das Ventil aufzuschrauben.«

»Warum sind Sie heute bloß so begriffsstutzig?« beendete unsere Nr. Zwo die Debatte. In seinen Mundecken saßen Spottfalten wie Spatzennester. »Gerade das sollten Sie trotz der hübschen Augen Dianas feststellen und der Organisation melden.« Er nickte mir zu. »Gratuliere. Und jetzt wollen wir sachlich werden.«

Er ging an die Wandbar, öffnete sie. »Whisky oder Cognac?« fragte er.

»Milch«, erwiderte ich. Falls das noch eine Prüfung sein sollte.

Der General machte für sich und mich kleine braune Jungs zurecht und mixte, ohne zu fragen der Dame einen Gin-Tonic. »Wir bleiben bei den internen Bezeichnungen Diana Sontag und Ferry Wessen«, begann er. »Was ich Ihnen jetzt sage, ist unverschlüsselter Klartext. Unsere freundliche Helferin«, er nickte Diana zu, »ist im Libanon aufgewachsen. Sie hat an der amerikanischen Universität in Beirut studiert, Wirtschaftswissenschaft und Jura. Verbessern Sie mich bitte, Diana, wenn ich etwas durcheinanderbringe.« Ohne einen Einwand abzuwarten, fuhr er fort: »Sie spricht englisch, deutsch und französisch. Und dazu noch arabisch. Diesem Umstand verdanken Sie ihre Bekanntschaft«, unterbrach er sich kurz, um gleich fortzufahren: »Sie beide werden Zusammenarbeiten. Zunächst einmal hier theoretisch, später im arabischen Untergrund. Diana wird Ihnen in einem Schnellverfahren alles beibringen, was Sie über die Sitten und Unsitten Ihres Einsatzgebietes wissen müssen. Sie wird Ihnen in den nächsten Tagen genauso viele arabische Sprachkenntnisse eintrichtern, wie Lothar Grenzlein aufweist.«

»Wissen Sie denn schon, wieviel?« fragte ich.

»Sie haben Glück, Ferry«, versetzte der Quadrat-Schädel, »ziemlich wenig. Der Bursche ist faul. Das schaffen Sie in einer Woche, falls der linke Vogel uns nicht blufft. Morgen werden wir das wissen. Spätestens übermorgen – es wird gerade ausgelotet.«

»Wie lange haben wir eigentlich Zeit?« fragte ich.

»Überhaupt keine«, erwiderte der General. »Das ist unser Manko, aber wir haben nur die Wahl, den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis vielleicht der Bundestag in die Luft fliegt, oder – entgegen unserer Art – ziemlich unvorbereitet in die Aktion einzusteigen.«

»Wie sicher ist denn die Warnung aus dem Morgenland?« fragte ich.

»Das kann Bluff sein, eine Falle, eine Wichtigtuerei – aber es kann auch stimmen«, erwiderte der Quadrat-Schädel, »und dann ist es eine verdammt heiße Kiste. Und wie immer werden wir uns auf jede Möglichkeit einstellen.« Er sah, daß sein Mitarbeiter skeptisch blieb und erläuterte: »Ich weiß nicht, ob wir diesen Grenzlein-Trick je inszenieren, aber wir bereiten ihn vor, wie hundert andere Dinge auch, von denen wir dann 99 verwerfen. Aber mit Sicherheit liegt Ihr nächstes Operationsgebiet fest, deshalb muß ich Sie wirklich bitten, Ihre Nachhilfestunden bei Diana mit Nachdruck zu betreiben.«

»Ich werde mich bemühen, Sir«, erwiderte ich und riskierte die Frage: »Und dann geht meine Arabisch-Lehrerin wieder nach Beirut zurück?«

»Ja«, entgegnete der Vize. »Und zwar wird sie an der Französischen Botschaft als Sachverständige für Erdöl arbeiten. Sie hingegen treten als Einzelgänger auf. Aber Sie werden natürlich nicht allein sein. Wir gehen diese Geschichte von mehreren Seiten an. Wenn alle Stricke reißen sollten, ist Diana Ihr Notausstieg. Sie kennt halb Beirut. Sie ist sehr beliebt bei den Libanesen und den anderen Arabern. Mitunter tritt sie auch als Party-Girl auf, wenn auch am Schluß nach der Melodie: »The party is over.« Er lächelte Diana an. »Wenn sie der Versuchung widersteht, einen Ölscheich zu heiraten, ist sie für uns die Idealbesetzung.«

»Ich werd’ mich beherrschen«, versprach sie lachend.

Daß unsere Organisation jetzt auch mit Frauen arbeitete, war neu für mich. Ich hatte unseren Verein immer für einen Haufen wilder Männer gehalten, nicht gerade James Bonds oder Jerry Cottons, aber doch wetterfeste Burschen, deren Lebenserwartung verdammt kurz war, falls sie nicht höllisch aufpaßten. Sonst lautete ein ehernes Gesetz: Trau keiner Frau.

Schließlich hing ja auch der Minuspunkt meiner Beurteilung nicht von ungefähr an.

»Bei diesem Fall ist eben alles ganz anders«, beantwortete der Vize – er könnte in jedem Zirkus als Gedankenleser auftreten – meine stumme Frage. »Sie werden sich auf’s Hochseil schwingen, ohne Fangnetz, ob Sie sich nun dieses Schafsfell Grenzlein überstreifen wie eine zweite Haut oder nicht. Vielleicht gelingt es Ihnen dann unten an der Seeräuberküste den Laurence von Arabien zu spielen.« Der General war jetzt für seine Verhältnisse ziemlich ernst und mitfühlend. »Aber die geringste Panne liefert Sie ans Messer. Wenn die Sache schiefläuft, ist eine stille Gedenkminute das einzige, was die Organisation noch für Sie tun kann.«

Diana wirkte angespannt. Über die rechte Hälfte ihres Gesichts war wieder der blonde Vorhang gefallen. Sie lehnte sich bequem zurück, die Beine übereinandergeschlagen. Unter der blaugrünen Seide hob sich ein wohlgerundetes Knie ab. Nicht eine Spur eckig, und das war wichtig, denn knochige Typen kann ich nicht ausstehen.

Ich haderte nicht mehr mit Diana und war eigentlich ganz zufrieden, daß sich mein neuer Einsatz zunächst einmal von der schönsten Seite präsentierte. Und schließlich mußten wir – sogar der Vize – aus Sicherheitsgründen laufend gecheckt werden wie Piloten, die zweimal jährlich in den Flug-Simulator gehen. Bei uns freilich stand oft mehr auf dem Spiel als der Absturz eines womöglich vollbesetzten Jet-Riesen.

»Sie fangen sofort an mit dem Unterricht«, befahl der General. »Diana wohnt neben Ihnen in diesem Fuchsbau. Es ist natürlich klar, daß Sie sich außerhalb unseres Hauptquartiers nicht kennen. Es tut mir leid, Herrschaften, aber ich muß Euch um größte Mühe und Konzentration bitten.« Er erhob sich. Auf einmal war sein Spott wieder da, schwamm wie ein Fettauge auf der Suppe. »Ferry, hier unter diesem Dach entbinde ich Sie von Ihrem Minuspunkt. Machen Sie Ihrer hübschen Partnerin ruhig schöne Augen. Von mir aus können Sie zu ihr sagen: Ich liebe Dich.« Er schärfte seine Stimme: »Aber sagen Sie es auf arabisch.«

Er stand an der Tür, musterte uns wohlgefällig, ein tückischer Kuppler. »Noch etwas«, sagte er. »Ihre Begegnung von heute morgen ist auch Ihre Legende.«

Legende ist die gestellte Geschichte, die ein Agent für seine eigene ausgibt. Je näher sie an der Wahrheit bleibt, desto überzeugender wirkt sie. In unserem Fall also hatte ein ehrlicher Tagedieb mit einem gelegentlichen Wolfshunger auf das schöne Geschlecht eine Gelegenheit beim blonden Schopf gefaßt und Pannenhilfe zu einem verhaltenen Liebeswerben ausgebaut. Nur das aufgeschraubte Ventil hätte natürlich wegzubleiben.

»Noch Fragen?« sagte der Vize.

»Einen Moment, Sir, please«, erwiderte ich.

Ich ging rasch diesen Tag noch einmal durch, durchwühlte ihn wie Hosentaschen nach Kleingeld, es war noch etwas offen.

Eine Unterlassung.

Ich spürte sie verschwommen, und dann griff ich sie mir.

»Ich wurde per Computer für diese Operation ausgewählt?«

»Ja, das sagte ich Ihnen schon«, erwiderte der Vize leicht ungeduldig. »Nachdem einem unserer Leute eine gewisse Ähnlichkeit mit Grenzlein aufgefallen war.«

»Bestens«, entgegnete ich. »Und wer ist der Mann?«

Der General kam zurück, ärgerlich auf sich selber. »Gute Frage«, tadelte er sich, und dann suchte er einen Namen. Das Gedächtnis ist an der unsichtbaren Front eine Lebensfrage. Er begann die Schaltstellen seines Gehirns in Bewegung zu setzen, aber die Ganglien verweigerten ihm den Gefallen.

Es gelang nicht auf Anhieb, er wollte sich keine Blöße geben. Einen Moment lang wirkte er wie eine Schlange, die vergeblich versucht, ein zu großes Kaninchen zu schlucken. Schließlich schaffte er es, die Beute zu verschlingen, lebend:

»Dave«, nannte er mir den Namen eines Top-Agenten. »Sie haben schon mit ihm zusammengearbeitet.«

»Ja«, antwortete ich, »damals in Bangla Desh.« Ich setzte hinzu: »Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Sir: Entweder Dave so lange unter Verschluß zu halten, wie ich an diesen Fall gesetzt bin, oder ihn mir an die Hand zu geben.«

»Entscheidungen treffe ich«, rettete sich der General in einen halbwegs geordneten Rückzug.

Er schloß die Türe hinter sich.

Diana und ich lächelten uns an, ziemlich unbefangen.

»Ich hab’ dich lieb«, begann ich. »Wie sagt man so etwas auf arabisch?«

»Am besten gar nicht«, erwiderte sie. »Fangen wir lieber bei den Grundbegriffen an. Bitte wiederholen Sie: Mumkin ähud ilfutûr sabâhan?«

Ich versuchte es. »Und was heißt das?« mißtraute ich ihr.

»Kann ich morgens ein Frühstück bekommen?« antwortete Diana.

Der Tag begann mir wieder zu gefallen. Ich wünschte, daß ich diese zweisame Etappe nicht allzuschnell mit einer Front von Blut, Bluff und Dreck vertauschen müßte.

Krisenkommando

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