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Am 10. Februar kehrt Erik-Jan Hanussen als Triumphator zu einer Extravorstellung zurück. Sowie es sich herumgesprochen hat, reißt man sich um die Eintrittskarten. Der große Kursaal ist sofort ausverkauft. Unter der Hand werden horrende Angebote für die Billetts gemacht. Viele wollen den Mann mit den übersinnlichen Kräften ein zweites Mal erleben, obwohl sie wissen, daß er diesmal keinen Mord aufklären wird.

Eine verärgerte Polizei hat inzwischen etwas kleinlaut bestätigt, daß der Bäckergeselle Walter tatsächlich der Mörder vom Gänsemarkt gewesen war, aber Kriminalkommissar Molitor weist energisch darauf hin, daß der Mann, der sich vor den Zug geworfen hatte, längst der Hauptverdächtige der Polizei gewesen sei und unmittelbar vor seiner Verhaftung gestanden hätte. Das freilich halten die Teplitz-Schönauer für eine Schutzbehauptung, und die 13 Minuten Zeitdifferenz nehmen sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Die Polizei ist eben ein schlechter Verlierer.

Es gibt nur einen Gewinner: Erik-Jan Hanussen. Die Zeitungen in Prag, Berlin, Frankfurt, Wien und Zürich haben groß über den Fall ›Gänsemarkt‹ berichtet; die überseeischen folgen mit kurzer Verzögerung, überall wurden die Leser über das unerklärliche Ereignis von Teplitz-Schönau unterrichtet wie über ein achtes Weltwunder.

Wie üblich späht Hanussen vor seinem Auftritt durch einen Spalt des Bühnenvorhangs und mustert sein Publikum: In der vierten Reihe fällt ihm eine junge Frau mit dunkelblonden Haaren und rehbraunen Augen und einer winzigen, ein klein wenig nach oben gestülpten Nase auf. Sie trägt ihre Robe mit einer Eleganz, mit der man auf die Welt gekommen sein muß. Sie hat die Beine übereinandergeschlagen, rassige Beine, herrliche Beine, Beine, an denen sich die Augen des Hauptakteurs festsaugen. Das gewisse Etwas hat sie genau im rechten Maß, weder führt sie ihre weiblichen Reize vor, noch unterschlägt sie diese.

»Wer ist das?« fragt er den neben ihm stehenden Sekretär Juhn.

»Die Baronin Panwitz. Allererste Gesellschaft. Ihr Mann bewirtschaftet in der Nähe ein Gut und …«

»Wird sie von ihm begleitet?« unterbricht Hanussen seinen. Dauer-Souffleur.

»Ich glaube nicht«, erwidert Juhn, »aber von einem Schwarm Bekannter.«

»Worauf wartest du noch?« fährt der Papier-Tscheche aus Wien seinen Adlatus an: »Ich möchte alles über sie wissen, und zwar schleunigst!«

»Jetzt?« fragt der Ex-Journalist ungläubig.

»Ja«, befiehlt Hanussen. »Eine solche Augenweide sieht man nicht alle Tage.«

»Mein Kompliment, Ihr Geschmack wäre nicht schlecht«, erwidert der Informant süffisant. »Schade um die Mühe«, setzt er hinzu, »diesmal hängen die Trauben verdammt hoch.«

Kurz nach 21 Uhr tritt der Mann im Frack ins Rampenlicht, verbeugt sich, umtost von Ovationen. Der schillernde Prophet muß in der letzten Zeit noch gewachsen sein, irgendwie wirkt er größer als bei seinem letzten Auftritt. Wieder holt er sich Leute aus dem Publikum, stellt sie zur Volksbelustigung bloß, seine unverschämte Selbstsicherheit vorführend wie einen dressierten Zirkusgaul.

Diesmal nimmt Kriminalkommissar Molitor mit zwei weiteren Kripobeamten an der Veranstaltung teil. Dienstlich. Obwohl inzwischen das Dossier auf seinem Schreibtisch beträchtlich angewachsen ist, beginnt der Beamte, den Bühnenzauber zu bewundern. Wie schnell er Zusammenhänge erfaßt, sich korrigiert, wenn er einmal auf dem Holzweg ist, einfach gekonnt. Fraglos ist Hanussen ein erstklassiger Artist, aber ein solcher hat auch die Gesetze zu befolgen und darf keine Gutgläubigen hereinlegen.

Kopfschüttelnd verfolgt der Kriminalist die Demonstrationen. Selbst wenn der Hellseher nur Ortsklatsch wiedergibt, die Art, wie er es tut, ist überzeugend. Keine Verwechslung, keine Unsicherheit, und, dessen ist sich der Mann mit den grauen Locken um die Stirnglatze ganz sicher, mit sehr viel Improvisation. Er ist schlagfertig, verfügt über eine intuitive Menschenkenntnis, errät sicher in einigen Fällen, was ihm die Versuchspersonen verschweigen wollen, verblüfft sie durch spontane Behauptungen, die immer ins Schwarze treffen.

Vielleicht gibt es Gedankenübertragung; Molitor hat erst vor kurzem einen Aufsatz darüber gelesen. Womöglich sind Ausnahmemenschen tatsächlich übersinnliche Kräfte zu eigen. Im deutschen Norden nennt man so etwas ›Spökenkieker‹, andernorts ›das zweite Gesicht. Aber ausgerechnet Hanussen, dieser schräge Vogel, soll der unerreichte Meister dieser wenigen sein? Vielleicht erläge auch Molitor dem Schauder vor dem Übersinnlichen, vor dem das Wissen eines aufgekärten Menschen mitunter kehrtmacht wie die Katze vor dem Hund – wenn da nicht der Akt auf seinem Schreibtisch läge, angefüllt mit teuer bezahlten Fehlleistungen, mit Anzeigen von Geschädigten, die sich nicht erklären können, wie Hanussen den Mord aufgeklärt hat, aber zu Papier geben, warum ihre Firma nach einer Konsultation bei dem berühmten Hellseher in Bedrängnis geriet und in einem Fall sogar in Konkurs gegangen ist.

Eine Stunde lang landet der Magier Schlag auf Schlag; alle sitzen, und nicht wenige unter der Gürtellinie. Die Zuschauer toben bis auf eine damenhafte Endzwanzigerin in der vierten Reihe. Hanussen hat ein Gespür für Menschen, empfindet den Widerstand, sieht in ein hochmütiges Gesicht voller Verachtung. Er weiß, daß die Baronin einer Gesellschaftsklasse angehört, die meistens nichts mit ihm zu tun haben will: alter Adel, blaues Blut, echter Geschmack, Rasse und Klasse – und er, einer aus der Hefe des Volkes, der von ganz unten kommt und seinen Frack uneleganter trägt als jeder Oberkellner im Luxusrestaurant. Die Ovationen nehmen kein Ende. Immer wieder wird der Magier vor den Vorhang gerufen, muß sich verbeugen. Aber trotz des riesigen Erfolges ist Hanussen mit dem Verlauf des Abends unzufrieden. Während er sich in seiner Garderobe abschminkt, läßt er sich von seinem Sekretär mit Details versorgen: »Verena von Panwitz, von ihren Freunden und Bekannten nur Jane genannt, 27 Jahre alt«, berichtet Adolf-Erich Juhn. »Sehr guter Ruf, keine Affären, seit sieben Jahren verheiratet, keine Kinder. Die Ehe scheint nicht sehr aufregend zu verlaufen, und …«

»Um wie viele Jahre älter ist der Baron?« unterbricht ihn Hanussen.

»Um 14 Jahre – sehr wohlhabend, früher ein ziemlicher Windhund«, feixt der Ex-Journalist, »jetzt aber bedeutend ruhiger geworden. Verena stammt zwar aus einer Familie mit Namen, aber sie ist durch Krieg und Inflation verarmt.« »Wie sieht denn der Herr Gemahl aus?« fragt der Spiritist. »Wie ein Baron in einem UFA-Schinken«, antwortet der wendige Sekretär: »Sehr vornehm und leicht vertrottelt. Wenn Sie Ihr Glück versuchen wollen«, setzt Juhn hinzu, und die Schadenfreude läuft ihm wie Sirup über das Gesicht. »Die Baronin sitzt mit ihrer Gesellschaft im Vorraum an der Bar und lästert über Sie.«

»Hol sie her!« befiehlt der Illusionist. »Lade sie ein.«

»Sie wird nicht kommen«, versetzt der Ex-Journalist.

»Sie wird kommen«, fährt Hanussen seinen Adlatus an wie eine Versuchsperson.

Der Mann geht, stößt am Gang auf den Impresario und tippt sich mit dem Finger an die Stirn.

»Hat er wieder seinen Rappel?« fragt der Manager.

»Ja«, erwidert Juhn. »Aber diesmal, verlaß dich drauf, diesmal trägt auch er den Hintern zu tief unten.«

Die kleine Bar ist vollbesetzt mit Zuschauern, die den Abend noch einmal durchgehen und von Hanussen in den höchsten Tönen schwärmen. In ihrer Mitte die junge Baronin. Sie hat wieder die Beine übereinandergeschlagen, raucht aus einer langen Zigarettenspitze, schüttelt den Kopf und lächelt spöttisch und zeigt dabei herrliche Zähne.

»Nein«, sagt sie. »Ich war mal in München auf dem Oktoberfest. Eine Schaubude zeigte als Attraktion das Zersägen einer lebenden Jungfrau in zwei Teile. Ein Spiegeltrick, raffiniert gemacht. Ohne Blutvergießen. Zum Schluß zeigte sich die Zweigeteilte im hübschen Goldlamétrikot als ›one piece‹ auf der Bühne. Und dieser Illusionist arbeitet garantiert mit ähnlichen Gaukeleien.«

»Aber ohne Spiegeltrick, Jane«, erwiderte der dicke Bier-Graf an ihrer Seite.

»Dann eben mit anderen«, versetzt Verena Panwitz. »Ihr könnt euch ja von ihm Hörner aufsetzen lassen«, fährt sie mit angenehmer Stimme fort. »Ich interessiere mich weder für Kartenschlägerei noch für Stühlerücken. Weisheiten aus dem Kaffeesatz lassen mich kalt, die Voraussagen der Sterndeuter werfe ich in den Papierkorb.« Die Baronin pudert sich die Nase und sieht im Schminkspiegel, wie Adolf-Erich Juhn versucht, sich an sie heranzudrängen. »Verzeihung, Frau Baronin. Juhn, mein Name. Ich bin der Privatsekretär von Herrn Hanussen«, stellt er sich vor. »Herr Hanussen würde sich freuen, wenn Sie ihm Gelegenheit gäben, Ihnen in einer kleinen Sonderdemonstration seine hellseherische Fähigkeit vorzuführen.«

»Ach nein«, versetzt die Baronin Panwitz, »sogar nach Feierabend?«

»Herr Hanussen möchte Ihnen Ihre Skepsis nehmen«, erwidert der Sekretär. »Es wird nicht lange dauern.«

»Er wird es nicht schaffen.«

»Das käme auf einen Versuch an.«

»Und meinen Sie«, entgegnet die Baronin mit verengten Augen, »er ruft, und ich folge ihm auf Pfiff?«

»Sei nicht dumm, Jane«, mischt sich der Bier-Graf ein. »Was meinst du, was unsereiner für so eine Einladung geben würde?«

»Du kannst ihn ja auslachen«, sagt ein anderer Umsitzender. »Ja, mach ihn doch fertig – wir sind alle gespannt, ob du das schaffst, Jane.«

»Ihr seid verrückt«, entgegnet die Baronin. Schließlich steht sie doch auf und folgt dem Sekretär. »In drei Minuten bin ich zurück«, behauptet sie. »Und bis dahin hab’ ich diesen Scharlatan auf Null gebracht.«

Der Sekretär geht voraus, geleitet die Baronin beflissen zu seinem Meister, klopft an, öffnet die Garderobentür. Er verschwindet mit einer Verbeugung. Erst als sie Juhns Gesicht nicht mehr sehen kann, setzt sich der Hohn in seinen Mundwinkeln fest: Diesmal ist er der Prophet. Bei Verena von Panwitz wird Hanussen ausrutschen wie der Esel auf dem Eis.

»Entschuldigen Sie, gnädige Frau«, empfängt sie der abgeschminkte Magier und beugt sich über Janes Hand. »Ich muß einfach mit Ihnen sprechen.«

»Warum?«

»Ich spürte den ganzen Abend Ihren Widerstand«, erklärt er. »Sie hätten mich beinahe aus der Fassung gebracht.«

»Das bedauere ich außerordentlich«, spöttelt die Baronin.

»Es stört mich, wenn die schönste Dame im Saal auch die ablehnendste ist.«

»Ich habe meinen Eintritt bezahlt«, kontert sie die Huldigung, »und damit wären wohl unsere beiderseitigen Beziehungen erschöpft. Was ich von Ihren Darbietungen halte, ist meine Privatsache. Und jetzt kann ich wohl gehen.« »Bleiben Sie, Baronin«, bittet Hanussen und schiebt ihr den Sessel zu. »Ich möchte doch einen Versuch machen, Sie umzustimmen.«

»Gut. Fangen Sie an«, erwidert sie lustlos.

»Sie sind 27 Jahre alt. Sie sind mit einem Mann verheiratet, den Sie nicht lieben. Es ist der Baron Panwitz. Sie haben keine Kinder, und Sie wünschen sich auch keine. Sie spielen gerne Tennis. Sie lieben den Foxtrott. Aber Sie gelten nicht ganz zu Unrecht als ein wenig kalt. Sie müssen mich unterbrechen, gnädige Frau, wenn etwas nicht stimmt.«

»Es stimmt fast alles«, entgegnet die Baronin. »Ihre Detektive haben gut gearbeitet.«

»Mein Detektiv ist mein Kopf.«

»Und Ihr Geschäft ist die Dummheit der Menschen, der Größenwahn, der Hokuspokus! Es wäre nichts dagegen zu sagen, wenn Sie hier offen als Zauberkünstler, als Illusionist auftreten würden, wenn Sie vor die Leute hingehen und sagen würden: ›Alles, was Sie hier sehen, ist Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit, Trick. Amüsieren Sie sich gut, aber lassen Sie sich nicht beeindrucken!‹«

»Wenn es aber keine Tricks sind?«

»Es ist sinnlos, daß wir uns darüber unterhalten«, erwidert die Baronin. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen. Es waren ja genug Gutgläubige da. Sie können mit dem Ergebnis dieses Abends durchaus zufrieden sein. Aber mich werden Sie nicht in die Schar Ihrer Mitläufer einreihen; ich bin ein aufgeklärter Mensch …«

»Das denken Sie, Madame«, erwidert Hanussen. Er steht auf. Er sieht ihr in die Augen, als ob er sie hypnotisieren wolle; er beugt sich zu ihr herab.

»Ich will Ihnen etwas sagen, Baronin. Ich werde Ihnen etwas prophezeien. Ich werde Ihnen beweisen, daß ich nicht mit Tricks arbeite. Die Kosten des Beweises werden auf Ihre Rechnung gehen. Sehen Sie mich an, Madame. Sehen Sie die schwarzen, geölten Haare mit dem geradegezogenen Scheitel? Sehen Sie die gelbe Haut des Gesichts? Spüren Sie den Tabakatem? Können Sie sich vorstellen, daß Sie sich in mich verlieben würden?«

»Wirklich nicht«, entgegnet die Baronin zwischen Spott und Zorn. »Vielleicht sind Sie nur betrunken – ich hoffe das für Sie. Andernfalls wären Sie verrückt.«

»Sie werden meine Geliebte werden. Sie werden Ihren Mann verlassen. Sie werden mir nach Berlin folgen. Wir werden eine herrliche Zeit verleben. Ein Leben in Saus und Braus. Kurze Tage und lange Nächte mit heißen Küssen und stürmischen Umarmungen. Aber die Zeit des Glücks wird knapp bemessen sein. Erik-Jan Hanussen, der größte Hellseher seinerZeit, ist nicht nur für eine Frau geschaffen.« Die Baronin in der Garderobe starrt den Wahrsager an wie ein Fabeltier. Sie weiß nicht, ob sie jetzt Reißaus nehmen oder das Monster erschlagen soll. Sein Blick wird zwingend. Seine Augen glühen. Verena möchte sich abwenden, sie schafft es nicht. Aber sie ist keine Frau, der man mit solchen Mätzchen imponieren kann, sie ist die Baronin Panwitz.

»Sie werden die Hölle auf Erden haben«, fährt der Magier fort. »Ich werde Sie betrügen. Ich werde Sie verlassen. Gehen Sie, Madame! Gehen Sie, so schnell Sie können! Versuchen Sie einer Prophezeiung Hanussens zu entkommen! Versuchen Sie es doch! Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei, ich, der Mann, der nur Unglück in Ihr Leben bringen wird. Hören Sie, ich, der Hellseher Hanussen, wünsche Ihnen Glück!«

Er ist noch blasser geworden. Er richtet sich wieder auf. An seiner Stirn treten die Adern wie Schnüre hervor. Er spricht wie im Fieber, wie in Trance. Seine Augen erschrecken die Baronin Panwitz. Sie treten groß hervor, sind leicht verdreht. Der Gaukler sieht aus wie das Opfer in einem Stummfilm, unmittelbar vor seiner Ermordung. Aber die Zeit der Stummfilme ist vorbei; es werden gerade die ersten Versuche mit Tonfilmen angestellt.

»Hören Sie auf mit Ihrer Kaschemmenkunst!« erwidert die Baronin. Ihre Stimme wirkt unsicher. Beim Versuch aufzustehen kommt sie nicht gleich hoch.

»Eines Tages wird man mich beerdigen. Man wird mich wie einen Hund einscharren. Es werden vier Totengräber da sein. Sie werden sich Witze erzählen. Witze über mich. In den Zeitungen wird kein Wort stehen, daß Hanussen gestorben ist. Der große Hanussen! Der Nostradamus des 20. Jahrhunderts! Ein einziger Mensch wird am Grabe stehen. Eine dunkelblonde Frau, deren Lebensglück Hanussen zerstört hat. Die einzige Frau, die an seinem Grab weinen wird. Gehen Sie, Madame – retten Sie sich und mich.«

Der Magier erwacht aus seiner Trance. Fast verwundert sieht er sich ein paar Sekunden in der Garderobe um. Jetzt erst bemerkt er, daß der Sessel leer ist.

Die Baronin ist geflüchtet. Mit großer Anstrengung. Hanussen atmet stoßweise. Er trinkt ein Glas Wasser, wischt sich den Schweiß vom Gesicht. Er merkt, daß auch sein Hemd durchschwitzt ist, will es wechseln.

Da wird an seiner Garderobentür angeklopft. Einen unsinnigen Moment lang hofft Hanussen, daß die Baronin zurückgekommen ist.

Aber in der Tür steht keine Frau, sondern ein Mann, und der Eintretende ist nicht zierlich, sondern ziemlich korpulent.

»Hermann Steinschneider?« sagt er.

»Ich heiße Erick-Jan Hanussen«, fährt ihn der Hellseher verärgert an.

»Ich bin Kriminalkommissar Molitor«, antwortet der Beamte, während sich seine beiden Helfer in den Raum schieben. »Ich habe einen Haftbefehl gegen Sie.«

»Ha – Ha – Haft-befehl?«

»Wegen Betrugs in mehreren Fällen«, erklärt der Mann mit dem Lockenkranz. Er lächelt. »Warum sind Sie so verdutzt? Das kann Sie doch nicht überraschen«, setzt er hinzu, »nicht als Täter. Und schon gar nicht als Hellseher.« Er nickt seinen beiden Begleitern zu. »Ich denke, es ist auch in Ihrem Interesse, kein Aufsehen zu erregen, Herr Steinschneider.«

Hanussen geht wie geschoben.

Er ist überrumpelt, verstört. Er glaubt an einen Spuk, an einen Irrtum, der in ein paar Minuten aufgeklärt sein wird, aber da versagt seine Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, zum zweiten Mal.

Hanussen - Hellseher und Scharlatan

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