Читать книгу Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare, William Shakespeare - Страница 63

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DRITTE SZENE

Inhaltsverzeichnis

Bruder Lorenzos Zelle

[Lorenzo und Romeo kommen.] Bruder Lorenzo tritt auf.

LORENZO

Komm, Romeo! Hervor, du Mann der Furcht!

Bekümmernis hängt sich mit Lieb an dich,

Und mit dem Mißgeschick bist du vermählt.

Romeo tritt auf.

ROMEO

Vater, was gibts? Wie heißt des Prinzen Spruch?

Wie heißt der Kummer, der sich zu mir drängt

Und noch mir fremd ist?

LORENZO

Zu vertraut, mein Sohn,

Bist du mit solchen widrigen Gefährten.

Ich bring dir Nachricht von des Prinzen Spruch.

ROMEO

Und hat sein Spruch mir nicht den Stab gebrochen?

LORENZO

Ein mildres Urteil floß von seinen Lippen:

Nicht Leibes Tod, nur leibliche Verbannung.

ROMEO

Verbannung? Sei barmherzig! Sage: Tod!

Verbannung trägt der Schrecken mehr im Blick,

Weit mehr als Tod! - O sage nicht Verbannung!

LORENZO

Hier aus Verona bist du nur verbannt;

Sei ruhig, denn die Welt ist groß und weit.

ROMEO

Die Welt ist nirgends außer diesen Mauern;

Nur Fegefeuer, Qual, die Hölle selbst.

Von hier verbannt ist aus der Welt verbannt,

Und solcher Bann ist Tod. Drum gibst du ihm

Den falschen Namen. - Nennst du Tod Verbannung,

Enthauptest du mit goldnem Beile mich

Und lächelst zu dem Streich, der mich ermordet.

LORENZO

O schwere Sünd, o undankbarer Trotz!

Dein Fehltritt heißt nach unsrer Satzung Tod;

Doch dir zulieb hat sie der gütge Fürst

Beiseit gestoßen und Verbannung nur

Statt jenes schwarzen Wortes ausgesprochen.

Und diese teure Gnad erkennst du nicht?

ROMEO

Nein, Folter; Gnade nicht! Hier ist der Himmel,

Wo Julia lebt, und jeder Hund und Katze

Und kleine Maus, das schlechteste Geschöpf,

Lebt hier im Himmel, darf ihr Antlitz sehn;

Doch Romeo darf nicht. Mehr Würdigkeit,

Mehr Ansehn, mehr gefällge Sitte lebt

In Fliegen als in Romeo. Sie dürfen

Das Wunderwerk der weißen Hand berühren

Und Himmelswonne rauben ihren Lippen,

Die sittsam in Vestalenunschuld stets

Erröten, gleich als wäre Sünd ihr Kuß.

Dies dürfen Fliegen tun, ich muß entfliehn;

Sie sind ein freies Volk, ich bin verbannt.

Und sagst du noch, Verbannung sei nicht Tod?

So hattest du kein Gift gemischt, kein Messer

Geschärft, kein schmählich Mittel schnellen Todes,

Als dies »Verbannt«, zu töten mich? Verbannt!

O Mönch! Verdammte sprechen in der Hölle

Dies Wort mit Heulen aus; hast du das Herz,

Da du ein heilger Mann, ein Beichtiger bist,

Ein Sündenlöser, mein erklärter Freund,

Mich zu zermalmen mit dem Wort Verbannung?

LORENZO

Du kindisch blöder Mann, hör doch ein Wort!

ROMEO

O du willst wieder von Verbannung sprechen!

LORENZO

Ich will dir eine Wehr dagegen leihn,

Der Trübsal süße Milch, Philosophie,

Um dich zu trösten, bist du gleich verbannt.

ROMEO

Und noch verbannt? Hängt die Philosophie!

Kann sie nicht schaffen eine Julia,

Aufheben eines Fürsten Urteilspruch,

Verpflanzen eine Stadt, so hilft sie nicht,

So taugt sie nicht, so rede länger nicht!

LORENZO

Nun seh ich wohl. Wahnsinnige sind taub.

ROMEO

Wärs anders möglich? Sind doch Weise blind.

LORENZO

Laß über deinen Fall mit dir mich rechten!

ROMEO

Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden.

Wärst du so jung wie ich und Julia dein,

Vermählt seit einer Stund, erschlagen Tybalt,

Wie ich von Lieb entglüht, wie ich verbannt,

Dann möchtest du nur reden, möchtest nur

Das Haar dir raufen, dich zu Boden werfen

Wie ich und so dein künftges Grab dir messen.

[Er wirft sich an den Boden.] Man klopft draußen.

LORENZO

Steh auf, man klopft; verbirg dich, lieber Freund!

ROMEO

O nein, wo nicht des bangen Stöhnens Hauch

Gleich Nebeln mich vor Späheraugen schirmt.

Man klopft.

LORENZO

Horch, wie man klopft! - Wer da? - Fort, Romeo!

Man wird dich fangen. - Wartet doch ein Weilchen! -

Steh auf

Man klopft. und rett ins Lesezimmer dich! - [Man klopft.] Ja, ja! im Augenblick! - Gerechter Gott, Was für ein starrer Sinn! - Ich komm, ich komme: Man klopft. Wer klopft so stark? Wo kommt Ihr her? Was wollt Ihr?

WÄRTERIN

draußen. Laßt mich hinein, so sag ich Euch die Botschaft. Das Fräulein Julia schickt mich.

LORENZO

Seid willkommen!

Die Wärterin tritt herein.

WÄRTERIN

O heilger Herr, o sag mir, heilger Herr:

Des Fräuleins Liebster, Romeo, wo ist er?

LORENZO

Am Boden dort, von eignen Tränen trunken.

WÄRTERIN

Oh, es ergeht wie meiner Herrschaft ihm,

Ganz so wie ihr!

LORENZO

O Sympathie des Wehs!

Bedrängter Zustand!

WÄRTERIN

Gerade so liegt sie,

Winselnd und wehklagend, wehklagend und winselnd.

Steht auf, steht auf! Wenn Ihr ein Mann seid, steht!

Um Juliens willen, ihr zulieb, steht auf!

Wer wollte so sich niederwerfen lassen?

ROMEO

Gute Frau!

WÄRTERIN

Ach Herr, ach Herr! Im Tod ist alles aus.

ROMEO

Sprachst du von Julien? Wie stehts mit ihr?

Hält sie mich nicht für einen alten Mörder,

Da ich mit Blut, dem ihrigen so nah,

Die Kindheit unsrer Wonne schon befleckt?

Wo ist sie? Und was macht sie? Und was sagt

Von dem zerstörten Bund die kaum Verbundne?

WÄRTERIN

Ach Herr, sie sagt kein Wort, sie weint und weint.

Bald fällt sie auf ihr Bett, dann fährt sie auf,

Ruft: Tybalt! aus, schreit dann nach Romeo

Und fällt dann wieder hin.

ROMEO

Als ob der Name,

Aus tödlichem Geschütz auf sie gefeuert,

Sie mordete, wie sein unselger Arm

Den Vetter ihr gemordet. Sag mir, Mönch,

O sage mir: in welchem schnöden Teil

Beherbergt dies Gerippe meinen Namen?

Sag, daß ich den verhaßten Sitz verwüste.

Er zieht den Degen.

LORENZO

Halt ein die tolle Hand! Bist du ein Mann?

Dein Äußres ruft, du seist es, deine Tränen

Sind weibisch, deine wilden Taten zeugen

Von eines Tieres unvernünftger Wut.

Entartet Weib in äußrer Mannesart!

Entstelltes Tier, in beide nur verstellt!

Ich staun ob dir; bei meinem heilgen Orden,

Ich glaubte, dein Gemüt sei bessern Stoffs!

Erschlugst du Tybalt? Willst dich selbst erschlagen?

Auch deine Gattin, die in dir nur lebt,

Durch so verruchten Haß, an dir verübt?

Was schiltst du auf Geburt, auf Erd und Himmel?

In dir begegnen sie sich alle drei,

Die du auf einmal von dir schleudern willst.

Du schändest deine Bildung, deine Liebe

Und deinen Witz. O pfui! Gleich einem Wuchrer

Hast du an allem Überfluß und brauchst

Doch nichts davon zu seinem echten Zweck,

Der Bildung, Liebe, Witz erst zieren sollte.

Ein Wachsgepräg ist deine edle Bildung,

Wenn sie der Kraft des Manns abtrünnig wird,

Dein teurer Liebesschwur ein hohler Meineid,

Wenn du die tötest, der du Treu gelobt,

Dein Witz, die Zier der Bildung und der Liebe,

Doch zum Gebrauche beider mißgeartet,

Fängt Feuer durch dein eignes Ungeschick

Wie Pulver in nachläßger Krieger Flasche,

Und was dich schirmen soll, zerstückt dich.

Auf, sei ein Mann, denn deine Julia lebt,

Sie, der zulieb du eben tot hier lagst;

Das ist ein Glück. Dich wollte Tybalt töten,

Doch du erschlugst ihn; das ist wieder Glück.

Dein Freund wird das Gesetz, das Tod dir drohte,

Und mildert ihn in Bann; auch das ist Glück.

Auf deine Schultern läßt sich eine Last

Von Segen nieder, und es wirbt um dich

Glückseligkeit in ihrem besten Schmuck,

Doch wie ein ungezognes, launsches Mädchen

Schmollst du mit deinem Glück und deiner Liebe.

O hüte dich, denn solche sterben elend.

Geh hin zur Liebsten, wie's beschlossen war,

Ersteig ihr Schlafgemach; fort, tröste sie!

Nur weile nicht, bis man die Wachen stellt,

Sonst kommst du nicht mehr durch nach Mantua.

Dort lebst du dann, bis wir die Zeit ersehn,

Die Freunde zu versöhnen, euren Bund

Zu offenbaren, von dem Fürsten Gnade

Für dich zu flehn und dich zurückzurufen

Mit zwanzighunderttausendmal mehr Freude,

Als du mit Jammer jetzt von hinnen ziehst.

Geh, Wärterin, voraus, grüß mir dein Fräulein;

Heiß sie das ganze Haus zu Bette treiben,

Wohin der schwere Gram von selbst sie treibt;

Denn Romeo soll kommen.

WÄRTERIN

O je, ich blieb hier gern die ganze Nacht

Und hörte gute Lehr. Da sieht man doch,

Was die Gelahrtheit ist! - Nun, gnädger Herr,

Ich will dem Fräulein sagen, daß Ihr kommt.

ROMEO

Tu das und sag der Holden, daß sie sich

Bereite, mich zu schelten.

WÄRTERIN

Gnädger Herr,

Hier ist ein Ring, den sie für Euch mir gab.

Eilt Euch, macht fort, sonst wird es gar zu spät.

Ab.

ROMEO

Wie ist mein Mut nun wieder neu belebt!

LORENZO

Geh! Gute Nacht! Und hieran hängt dein Los:

Entweder geh, bevor man Wachen stellt,

Wo nicht, verkleidet in der Frühe fort.

Verweil in Mantua; ich forsch indessen

Nach deinem Diener, und er meldet dir

Von Zeit zu Zeit ein jedes gute Glück,

Das hier begegnet. Gib mir deine Hand!

Es ist schon spät. Fahr wohl denn! Gute Nacht!

ROMEO

Mich rufen Freuden über alle Freuden,

Sonst wärs ein Leid, von dir so schnell zu scheiden.

Leb wohl!

Beide ab.

Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch)

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