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Der Atheismus hat eine zwar nicht übermäßig lange, aber doch mehrere Jahrhunderte zurückreichende Geschichte. Das älteste Dokument, das wir kennen, ist ein anonymer, im Jahre 1659 verfasster Text – kein Pamphlet, sondern ein umfangreicher, sorgfältig argumentierender Traktat – mit dem Titel Theophrastus redivivus.7 Auskünfte über Atheisten der Antike, des Mittelalters und der Renaissance (Minois: Geschichte des Atheismus) halten einer Überprüfung an den Quellen nicht stand (vgl. Schröder: Ursprünge des Atheismus, 45 ff.). In den Texten, die seit dem Theophrastus redivivus entstanden (vgl. Mori: L’ateismo dei moderni), treffen wir eine bemerkenswerte Vielfalt von Begründungen des Atheismus und eine große Zahl von Verbindungen mit diversen ontologischen und erkenntnistheoretischen Annahmen an. Sie sind außerhalb von Expertenkreisen kaum und in der heute tonangebenden anglophonen Forschung durchweg nicht bekannt. Völlig unzureichend, auch was die Aufarbeitung der einschlägigen Quellen und der internationalen philosophiehistorischen Forschung angeht, sind die Companions und Handbooks von Martin (2006), Bullivant/Ruse (2013) und Oppy (2019). Das hat Folgen auch für ein nicht historisch, sondern systematisch ausgerichtetes Nachdenken über den Atheismus. Die einschlägigen Ansichten zeitgenössischer Philosophen, etwa Charles Taylors (A Secular Age), stützen sich auf ein jenseits von Kanal und Atlantik geradezu kanonisches Buch, Michael Buckleys At the Origins of Modern Atheism (1987; 22010). In völliger Unkenntnis der wichtigsten historischen Quellen sowie der nichtanglophonen Forschung meinte Buckley, der Atheismus sei ein Kind des 18. Jahrhunderts und erstmals in den Schriften des rabiat antiklerikalen Jean Meslier (s. u. S. 70) und der französischen Materialisten Holbach und Diderot entfaltet worden.8 Diese Behauptung hat zu weitreichenden und pauschalisierenden Schlussfolgerungen geführt. So ist häufig zu lesen, der Atheismus sei per se – wie dies in Holbachs Système de la nature (1770) tatsächlich der Fall ist – durch eine materialistische Ontologie begründet. Oder er sei im Grunde nur eine politisch motivierte Kampfansage an die christliche Kirche und folglich gar keine philosophisch satisfaktionsfähige Position. Der Blick auf den Theorienfundus, der im Corpus der atheistischen Texte seit den Anfängen im 17. Jahrhundert bereitliegt, kann diese Ansichten zurechtrücken. Er ist auch hilfreich, um eine Reihe weiterer Annahmen über den Atheismus zu überprüfen, die üblicherweise fraglos akzeptiert werden.

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