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Aufbruchstimmung in Berlin
ОглавлениеWährend Graf Egling, der vordem die Namen Körner, Prager und Schmidt führte, im Ionischen Meer das Segeln übte und darüber nachsann, ob er sich zutrauen konnte, die Weltmeere zu befahren, dachten die Freundinnen Laura Christ und Gerlinde Körner über ihre gemeinsame Zukunft als Galeristinnen nach.
Ich habe gestern mit einer jungen Russin gesprochen, sagte Laura, als Gerlinde ihr das Glas mit Champagner füllte. Ich zeigte ihr den Schnaittenbach und wollte ihr das eine oder andere Bild schmackhaft machen. Ich erklärte ihr auch eines der Objekte und führte sie zu den Bildern aus Rudolfs Sammlung. Sie hörte interessiert zu, aber ich merkte, dass sie etwas auf dem Herzen hatte. Irgendwie habe ich geahnt, was diese junge Dame eigentlich wissen wollte. Sie wollte von mir eigentlich nur den Preis hören.
Bei dem Bild „ Spirit of nothing “, du weißt schon, das großformatige vom Schnaittenbach, sagte ich, das kostet 150.000 €. Also, mir war das irgendwie peinlich, aber die Russin schien sich gar nicht für das Bild, sondern nur für den Preis zu interessieren. Und weißt du, was sie gesagt hat, als ich ihr den Preis nannte? Sie sagte ganz überrascht: Ach, nur so wenig?
Gerlinde lachte: Tja, wir haben es da mit einer Klientel zu tun, für die auch eine gute Viertelmillion ein Schnäppchen darstellt. Es ist ja nicht so, dass jeder unserer Besucher ein erfahrener Sammler ist. Vor allem die Russen, die haben noch leere Landhäuser und Villen, die sie mit Möbeln, Antiquitäten und Kunst füllen wollen. Bei denen sollten wir die Preise direkt neben die Objekte schreiben.
Gerlinde betrachtete das Champagnerglas, das sie in der Hand hielt und Laura spürte, dass ihre Freundin jetzt etwas Wichtiges sagen wollte und sie hatte sich nicht getäuscht.
Du, aber jetzt mal ganz was anderes, sagte Gerlinde wie erwartet: Ich habe heute mit unserem Anwalt telefoniert. Damit ich die Erbschaft antreten kann, es stehen ja auch noch die Auszahlungen von Rudolfs Lebensversicherung und die Witwenrente aus, muss der Tod des Vermissten festgestellt werden. Bis heute hat man Rudolfs Leiche aber, wie du weißt, nicht gefunden. Der Anwalt hat mir erklärt, dass ein Verschollener erst dann für tot erklärt werden kann, wenn er mehr als zehn Jahren als verschollen gilt.
Das gibt’s doch nicht, rief Laura aus. Das würde ja bedeuten, dass du vorläufig nicht an Rudolfs Vermögen herankommst. Das könnte unsere Pläne ganz schön durcheinanderbringen! Naja, ganz so schlimm ist es nicht, versuchte Gerlinde ihre Freundin zu beruhigen. Es gibt da schon Wege, einen Teil des Geldes zu erhalten, aber es ist nicht so einfach.
Aber, ich habe auch eine gute Nachricht und darauf will ich mit dir anstoßen. Ich kann Rudolf schon jetzt für tot erklären lassen. Es gibt nämlich Vorschriften für Vermisste, die aufgrund eines Unglücksfalls als verschollen gelten und das, meine liebe Laura, gilt besonders für Flugpassagiere. Wie mir der Anwalt gesagt hat, kann ein verschollener Flugpassagier bereits drei Monate nach dem Unglück für tot erklärt werden. Ich werde also in den nächsten Tagen auf dem zuständigen Amtsgericht die Todeserklärung für unseren Rudolf beantragen. Im Übrigen bin ich als seine Ehefrau die einzige, die eine solche Erklärung beantragen kann. Laura hob ihr Glas: Puh, da haben wir ja noch einmal Schwein gehabt!
Ach übrigens, was ich dir noch sagen wollte, hast du dich schon entschieden, wer von uns beiden zur Art Basel fahren sollte, fragte Laura. Gerlinde grinste: Am besten wir beide. Auf dem Weg machen wir Station in Freiburg. Ich hätte Lust, dort eine Filiale zu eröffnen. Ich halte es auch besser, wenn wir beide den Markt erkunden, ich denke, dass die Nähe zu Basel ein Vorteil sein könnte. Ach, du meinst billige deutsche Seite, teure Schweizer Seite, fragte Laura. Nicht ganz, ich meine, es fahren viele Interessierte nach Basel und wer schon mal da ist, macht gerne auch einen Abstecher nach Freiburg.