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2.3 Grundlagen von Werten und Normen
ОглавлениеDie Religion und die Philosophie sind die wesentlichen Quellen von Werten, Normen und Tugenden.
Die griechische Philosophie mit den Werken von Aristoteles, Sokrates und Platon war besonders einflussreich für die Entwicklung der Werte der westlichen Welt. Andere Philosophien in späteren Jahrhunderten haben an der Ausdifferenzierung des Werte- und Normenrahmens der Kulturen mitgewirkt.
Die jüdisch-christlichen Überzeugungen haben das Denken und Handeln in der westlichen Welt ganz wesentlich geprägt. Die Religionen mit ihrem ihnen eigenen Menschenbild sind über Jahrtausende bestimmend gewesen für die Formulierung des jeweils dominierenden Werte- und Normengerüsts.
Im 19. und 20. Jahrhundert haben sich in der Nachfolge der Aufklärung die Diskussionen über Werte und Normen zunehmend von dem expliziten religiösen Bezug gelöst, den es bis in das 18. Jahrhundert gab. Der Diskurs ist stärker durch vielfältige und unterschiedliche Beiträge im öffentlichen Diskurs geprägt, mit Beiträgen verschiedener Disziplinen und Vertretern unterschiedlicher Kulturen. Der globale Austausch über Werte und Normen hat die Diskussion ebenso bereichert wie die Zunahme der Migration von Menschen, die mit einer Vielfalt von Werten und Normen einhergeht.
In der Wirtschaftsethik sind insbesondere der Utilitarismus, die Kantianische Ethik und die Tugendethik von Aristoteles einflussreich (Sandel 2017).
Der Utilitarismus, im 18. Jahrhundert in Großbritannien insbesondere von dem Philosophen und Sozialreformer Jeremy Bentham und später von John Stuart Mill entwickelt, postuliert die Beurteilung von Handlungen nach den Konsequenzen des Handelns (Prinzip der Beachtung der Konsequenzen) (vgl. im folgenden Höffe 2013, Hinsch 2016, Sandel 2017). Die Ethik wird daher auch als teleologische Ethik bezeichnet, es dominiert die auf das Ergebnis bezogene Betrachtung. Im Zentrum steht das Glück der Menschen (hedonistisches Prinzip). Bentham beginnt in seinem Grundlagenwerk mit der Einführung des Nutzenprinzips: »Die Natur hat die Menschheit der Gewalt zweier souveräner Gebieter – Leid und Freude – unterstellt. Es ist an ihnen allein aufzuzeigen, was wir tun sollen, wie auch zu bestimmen, was wir tun werden. Sowohl der Maßstab für Richtig und Falsch als auch die Kette der Ursachen und Wirkungen sind an ihrem Thron festgemacht. Sie beherrschen uns in allem, was wir tun, was wir sagen, was wir denken: jegliche Anstrengung, die wir auf uns nehmen können, um unser Joch von uns zu schütteln, wird lediglich dazu dienen, es zu beweisen und zu bestätigen.« (Bentham, in Höffe 2013, S.55). Bei der Beurteilung von Handlungen geht es nicht um die Verfolgung eines eng verstandenen Eigeninteresses des Handelnden, sondern vielmehr um das Wohlergehen aller von der Handlung positiv oder negativ Betroffenen (Prinzip des Universalismus). Bei dem Vergleich verschiedener Alternativen soll jene Handlungsalternative gewählt werden, welche den größten Gesamtnutzen für die Gesellschaft erbringt (Prinzip des Maximalismus). Der Utilitarismus fordert den Einzelnen oder eine Organisation oder ein Staatswesen auf, bei ethischen Entscheidungen gemäß diesen Prinzipien alle Nutzen und Kosten aller denkbaren Handlungsalternativen zu erfassen und auf Basis einer nüchternen Abwägung der Auswirkungen auf den Nutzen der Gesellschaft die Entscheidung zu treffen. Dabei sollen sowohl die direkten Effekte als auch die indirekten Effekte des Handelns berücksichtigt werden. In der Theorie wurde zunächst auch die Auflistung aller Wirkungen in quantitativer Form vorgeschlagen, ein Konzept, welches als »hedonistisches Kalkül« bekannt wurde (Höffe 2013, S.18). Dieses lebt in veränderter Form bei der Erstellung von Kosten-Nutzen-Analysen fort.
Entscheidend für utilitaristisches Argumentieren ist die strenge Orientierung an den Ergebnissen des Handelns. Nicht die Motive des Handelns stehen im Mittelpunkt, sondern die Konsequenzen. In der Anwendung des utilitaristischen Denkens auf die verschiedenen ethischen Probleme ist der Handelnde aufgefordert, nüchtern, rational, abwägend, ergebnisorientiert, und mit Blick auf alle Betroffenen die zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen zu prüfen und auf dieser Basis zu entscheiden. Der Utilitarismus von Bentham und in revidierter Form von Mill war prägend für die Entwicklung vieler Spielarten dieser Ethik, die auch in der heutigen Zeit vertreten werden (Singer 2011, Singer 2016). Die zentrale Botschaft utilitaristischen Denkens ist mithin, dass die Konsequenzen des Handelns im Mittelpunkt stehen. Individuen, Organisationen und Gesellschaften sollten bei ihren Entscheidungen und bei der Ausgestaltung von Regeln dieser konsequentialistischen Logik folgen.
Dem gegenüber vertrat Immanuel Kant zur gleichen Zeit wie Bentham eine Ethik, die sich ganz grundlegend von der des Utilitarismus unterscheidet und ähnlich prägend für die Diskussion über ethisches Verhalten in der Welt wurde (Kant 1788/2011, Henning 2016, Sandel 2017). Eine Orientierung vornehmlich an der Schaffung von Glück und Freude ist aus Kants Sicht ethisch unbefriedigend und falsch. Im Zentrum der von Immanuel Kant entwickelten Ethik steht das Motiv des Handelns: Ethisches Handeln ist nur dann gut, wenn es durch den guten Willen des Handelnden geprägt ist: »Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkungen für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille« (Kant, zitiert in Henning 2016, S.18). Wenn in ethischen Entscheidungssituationen eine Handlung aus edlen Motiven erfolgte, dann ist die Handlung ethisch gut begründet, selbst wenn dies aufgrund der Umstände keine positiven Ergebnisse zeitigt.
Kant rückt die Mündigkeit jedes Einzelnen in den Mittelpunkt: »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen«. Dort wo der Mensch autonom handeln kann ist er nach Kant verpflichtet, rational über seine Handlungen nachzudenken. Moralisches Handeln ist Sache der Vernunft, nicht des Gefühls (Henning 2016, S.12). Wesentlich für die Beurteilung von Handlungen ist die Verallgemeinerbarkeit einer Handlung: Nur jene Handlungen sind aus Kants Perspektive ethisch vertretbar, die gemäß einem Prinzip erfolgen, welches auch zum allgemeinen Gesetz werden könnte. Der kategorische Imperativ lautet bei Kant im Wortlaut: »Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne« (Kant, zitiert in Henning 2016, S.42).
Kants Ethik, auch als »Pflichtenethik« bzw. »deontologische Ethik« bezeichnet, rückt das pflichtgemäße Handeln in das Zentrum der Überlegung. Sittlichkeit bedeutet, aus Pflicht zu handeln. Menschen haben Pflichten, denen sie sich stellen müssen. Dem Nützlichkeitsprinzip des Utilitarismus wird die Beachtung von Pflichten gegenübergestellt.
Folgt man Kants ethischen Postulaten, müssen Individuen, Organisationen und Gesellschaften der Würde des Menschen die höchste Priorität einräumen. Die Achtung der Würde jedes einzelnen Menschen ist nicht verhandelbar. Sie gilt es zu achten. Der Mensch darf niemals nur Mittel sein. Der Mensch existiert als Zweck.
Die auf Aristoteles zurückgehende Ethik betont demgegenüber die Bedeutung von Tugenden, welche den Weg für ethisch verantwortbare Entscheidungen weisen. Im Zentrum der Überlegung steht nicht ein bestimmtes rigoroses Entscheidungsverfahren wie im Utilitarismus. Auch werden keine Prinzipien entwickelt, die es strikt einzuhalten gilt. Es geht in dieser Ethik um Haltungen, die regelmäßig gepflegt und aktiviert werden müssen. Die mit der aristotelischen Lehre verknüpften Haltungen werden häufig mit den vier »Kardinaltugenden« verknüpft: Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Besonnenheit. Tugendhaftes Verhalten ermöglicht die Realisierung eines gelingenden Lebens, die Erreichung des höchsten Gutes, der »Glückseligkeit« (Göbel 2006, S.183–186).