Читать книгу Der Kosmos im Garten - Wolf-Dieter Storl - Страница 10
ОглавлениеALTERTÜMLICHE BEGRIFFE
Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare,
Wie sie das Feste lässt zu Geist gerinnen Wie sie das Geisterzeugte fest bewahre.
Johann Wolfgang von Goethe
Uralte Begriffe über das Wesen der geschaffenen Welt, die man Generationen hindurch den Phänomenen abgerungen hat, sind auch heute noch größtenteils geeignet, das Leben im Garten und dessen ständige Verwandlungen und Erscheinungen zu erfassen. Die angemessenen Begriffe sind ebenso wichtig wie die richtigen Zugriffe und Eingriffe, ja sie geben den Letzteren erst Sinn und Bedeutung. Viele dieser Begriffe liegen der biologisch-dynamischen Methode zugrunde.
Die vier Elemente
Schon zur vorsokratischen Tradition im alten Griechenland gehörte die Auffassung, dass die Schöpfung aus vier Elementen, dem Feuer, der Luft, dem Wasser und der Erde, zusammengesetzt ist. Diese Auffassung hielt sich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, als sie durch das Periodensystem Mendelejews ersetzt wurde. Die alte Elementenlehre wirkt recht primitiv im Vergleich mit den rund hundert Elementen, mit denen die moderne Chemie arbeitet. Man sollte sich jedoch nicht täuschen, denn was man früher »Element« oder Grundstoff nannte, bedeutete etwas anderes als das, was man heutzutage mit dem Begriff meint.
Die vier Elemente.
Aristoteles formulierte es folgendermaßen: Urgrund der Dinge ist das Chaos, der wirre, formlose, ungegliederte, durchmischte Urstoff. Nur wenn diese Urmaterie vom Kosmos, von den ordnenden Kräften durchdrungen wird, können differenzierte Formen in Erscheinung treten. Diese manifestieren sich zuerst in vier Grundqualitäten, in den vier Urelementen. Kosmos sowie Chaos können nicht als solche in Erscheinung treten. Sie lassen sich nur in Form von verschiedenen Mischungen erkennen. Alle Erscheinungen können auf feurige, luftige, wässrige oder irdische Grundformen reduziert werden. Die Erscheinungen sind nicht bloße Zusammensetzungen, sondern innig vermischte Kombinationen, die sich ständig ineinander verwandeln können und nie in reiner Form, sondern nur in irgendeiner Vermischung zu erleben sind (Holmyard 1968: 21).
Jedes Element hat zwei Haupteigenschaften, mittels derer es sich mit den anderen Elementen verbindet (Agrippa von Nettesheim 1530: 49). Das Feuer ist trocken und heiß. Die Erde ist auch trocken, aber kalt. Trocken bedeutet so viel wie nicht klebrig oder haftend im Gegensatz zum Wasser, das benetzt, oder der Luft, die auch an allem haftet. Das Wasser ist kalt wie die Erde, aber feucht, und die Luft ist trocken und heiß. Die Elemente Feuer und Wasser sowie Luft und Erde bilden Gegensatzpaare und stehen in dialektischer Beziehung, die durch die Mittelpaare aufgelöst oder vermittelt wird.
Erde und Wasser sind die schweren, passiven, Luft und Feuer die leichten, beweglichen und aktiven Elemente. Feuer, das leichteste Element, bildet schon eine Übergangsstufe zur unsichtbaren, geistigen Welt und wirkt verwandelnd, läuternd und transmutierend auf die anderen Elemente. Alles, was heiß, bunt, schnell und belebt wirkt, lässt das Feuerelement in sich erkennen. Ob es sich um ein brennendes Holzscheit oder ein heißes, cholerisches Temperament handelt, die Feuerqualität ist in beiden. Im Gegensatz dazu manifestiert sich das Erdelement in allem, was dunkel, fest und kalt wirkt, ob nun im Blei oder im schwermütigen, melancholischen Gemüt. Wasser ist ebenso kalt und dunkel, aber es fließt, bewegt sich und lässt sogar Licht hindurch. Es umfließt alles und nimmt jegliche Form an. Wasser kann die Härte der Erde auflösen. Die Luft ist noch leichter und lebendiger als das Wasser. Sie hat das Fließende, Feuchte, aber auch schon das Warme in sich und gibt sich im Wind, im Dampf und im sanguinischen Temperament zu erkennen. Sie zeigt ihre Verwandtschaft mit der Seele im Atem (pneuma).
Jede Erscheinung ist ein Gemisch der vier Elemente, wobei einmal das eine Element vorherrscht, ein andermal das andere. Im Holzfeuer beispielsweise erkennt man das Feuerelement in der Hitze und den tanzenden Flammen, das Luftelement an Licht, Rauch und Geruch. Das Wasserelement zeigt sich im schmelzenden Harz, und die Asche gibt das Erdelement zu erkennen.
Nicht nur in der anorganischen, mineralischen Welt manifestieren sich die Grundstoffe, sie geben auch allen Lebenserscheinungen Substanz. In der Wurzel der Pflanze herrscht das Erdelement vor, das Wasserelement dominiert in Stengel und Blättern. Die Luft zeigt sich in der Leichtigkeit und dem Duft der Blüten, und das Feuer gibt den Samen und Früchten Reife und Süße.
Man kann die Pflanzenarten nach ihrer Vorliebe für das eine oder andere Element charakterisieren. Kartoffeln, Rote Beten (Randen) und Weißkohl liegen dem Erd- und Wasserelement viel näher als Getreide, Kräuter und Blumen, die wiederum eine Vorliebe für das luftige und feurige Element zeigen. Im Menschen- und Tierorganismus gehören die schweren Knochen und die kühlen Nerven dem Erdelement an, Lymphe und Drüsen dem Wasser, die Lungen der Luft, und das Feuerelement zeigt sich im pulsierenden, warmen Blut. Auch die Temperamente der Tiere und Menschen zeigen den Einfluss der Elemente auf die Seele. Die Kuh ebenso wie der Phlegmatiker sind stark mit dem Wasserelement verbunden; im Schwein, im Hund und im Melancholiker liegen eine gewisse Erdenschwere; das Pferd und der Sanguiniker sind der Luft zugehörig; der Hahn und der Choleriker sind der Gereiztheit des Feuers verwandt.
Das Elementenkreuz.
Die vier Temperamente und ihre Zuordnungen.
Im Allgemeinen ist das Mineralreich dem Erdelement, das Pflanzenreich dem Wasser, das Tierreich dem Luftelement und das Menschenreich dem Feuerelement zugeordnet.
Was hat das alles nun mit Gärtnern oder Bauern zu tun? Die Manifestationen der vier Elemente sind unseren Sinnen unmittelbar zugänglich im Gegensatz zu den rund hundert Elementen des mendelejewschen Periodensystems, die man errechnen und gedanklich erfassen, aber nur begrenzt direkt beobachten kann. Dass die Sinne wieder geschärft werden und der Gärtner sich auf sie verlassen kann, dass er seine Urteile aufgrund seiner erlebten Erfahrungen folgerichtig fällen kann und nicht von den Meinungen wissenschaftlicher Experten oder von aufwendigen Computeranalysen abhängig wird, darauf kommt es an! Wir werden sehen, dass die Vorstellung der vier Elemente nicht ein abstraktes Schema darstellt, sondern dass sich gut damit arbeiten lässt, wenn man die Jahreszeiten, die Wachstumsgesten der Pflanzen, die Qualität der Dünger oder die Verrottungsvorgänge der Komposte beschreiben will.
Der Gärtner sollte es sich zur Angewohnheit machen, sich im Erkennen der vier Elemente und deren Verwandlungen zu üben und seine Beobachtungen im Garten auf diese Art zu beschreiben. Viele Geheimnisse der Natur offenbaren sich dann auch ohne Bodenanalysen, mikroskopische Untersuchungen, komplizierte Instrumente, Tests und Begriffszwangsjacken. So konnte Arthur Hermes zum Beispiel durch die Beobachtung von Wolkenformationen das Wetter auf 72 Stunden voraussagen, während sein Nachbar, der sein Vertrauen in die eigene Beobachtung verloren hatte, sich an die Wettervorhersage des Rundfunks hielt. Die unmittelbare Beobachtung, gerade im unberechenbaren Bergklima, war dann meistens zutreffender als die vom Satellitenbild abgelesene und vom Sender einer Großstadt ausgestrahlte Prognose. Die Wetterbeobachtung ist immerhin eine wichtige Angelegenheit des Landwirts.
Die Entfremdung vom Vertrauen in die unmittelbare Wahrnehmung beginnt schon in der Schule. Wenn ein Kind meint, dass die Sonne im Osten aufsteigt und im Westen untergeht, wird es sofort belehrt, dass das eigentlich nicht stimme, denn der Erdplanet sei in Wirklichkeit rund und kreise um die Sonne. Das sich dem Auge bietende Erscheinungsbild wird als Täuschung bezeichnet. Das mag im intellektuellen, wissenschaftlichen Sinn stimmen und hat die weltanschaulichen Voraussetzungen geschaffen, die den Bau von Raketen und Kernkraftwerken wie auch die Mondlandungen ermöglichten; phänomenologisch und auf die Verhältnisse auf dem Erdboden bezogen stimmt es jedoch nicht: Für die Pflanzen, mit denen es der Gärtner zu tun hat, geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter, die Erde ist flach und der Mittelpunkt des Geschehens.
Man muss sich im Erkennen der Erscheinungsoffenbarungen der vier Elemente üben. Man kann das zum Beispiel tun, indem man Eis tauen und das Wasser verdampfen lässt, indem man es zum Kochen bringt. Vergleichen wir diesen Vorgang mit dem Übergang vom Festen zum Luftigen beim Trockeneis (Kohlendioxid). Was ist da der Unterschied? Kochen, besonders auf einem lebendigen Holzfeuer, ist eine der allerbesten meditativen Praktiken, um die Verwandlung der Grundelemente ineinander kennen zu lernen. Fertiggerichte aus Plastikbeuteln verderben nicht nur den Magen, sondern berauben uns der Möglichkeit, grundsätzliche Erfahrungen zu machen. Jedes Handwerk – Gerben, Töpfern, Malen, Färben – ist geeignet, diese Erfahrungen zu vermitteln. Kompostieren oder das Hervorbringen der Ernte aus dem Gartenboden besteht aus praktischen Meditationen und Beobachtungen dieser Art.
Die ätherischen Kräfte
In früheren Zeiten stellte man sich die Kräfte, die hinter den Grundstoffen und ihren Verwandlungen stehen, als Elementarwesen vor. Man erlebte bildhaft im irdischen Element das Schaffen der Gnome und Zwerge in den Wurzeln, Metallen und Kristallen. Im wässrigen Element, bei sprudelnden Quellen und dunklen Tümpeln, sah man Nixen und Undinen. In der Luft umwirkten Sylphen und Feen die Schmetterlinge und Blumen, und im Feuer wohnten die »Salamander« oder Feuergeister. In der biologisch-dynamischen Forschung, wie sie auf Rudolf Steiner zurückgeht, nennt man diese Kräfte ätherische Bildekräfte. Man spricht vom Wärmeäther (Kräfte, die im Feuerelement wirksam sind), Lichtäther (Luftelement), Klang- oder chemischen Äther (weil Klang, Töne und chemische Verwandlungen mit dem Wasserelement viel gemeinsam haben) und vom Lebensäther (das Erdelement, dessen Kräfte an allen Lebenserscheinungen teilhaben).
Die Ätherarten als formative Kräfte kann man nicht unmittelbar erleben. Man muss das »innere Auge« öffnen, um diese Bildekräfte direkt wahrzunehmen. Sie können jedoch an allen Erscheinungen abgelesen werden. Der Gärtner kann in den Wachstumsgesten seiner Pflanzen lesen, was für Bildekräfte in ihnen wirken. Wie unsichtbare Bildhauer geben sie unserer sichtbaren Welt Form und Kontur.
So entdeckt man in der Physiognomie der Hanfpflanze die starke Einwirkung der Licht- und Feuerkräfte. Diese lassen die fleischige Blattsubstanz fast wegschmelzen und hinterlassen nur noch feine Spitzen, voll von duftendem Harz. Im Gegensatz dazu sieht man in den dicken, satten Blättern des Kohls die Erd- und Wasserbildekräfte wirken. Im Übrigen haben solch gegensätzliche Pflanzenarten einen ausgleichenden Einfluss aufeinander, so dass man gerne Hanf in das Kohlbeet sät (Nachbarschafts-Pflanzenwirkungen). Auch im menschlichen Magen lassen sich schwere, irdisch-wässrige Gemüse besser verdauen, wenn man ihnen feurig-luftige Gewürze, wie Kümmel oder Wacholder, hinzufügt.
Ätherische Kräfte.
Der Gärtner kann mit diesem Wissen um die ätherischen Bildekräfte praktisch umgehen. Er pflanzt zum Beispiel diejenigen Arten, die eine Neigung zum Irdisch-Wässrigen haben, in die kühleren, schattenreicheren Beete, denn wenn sie zu viel Licht und Hitze ausgesetzt sind, schießen sie in die Blüte. Präparate, die nicht nur auf die äußere Erscheinung einwirken, sondern auch im ätherischen Bereich die Kräftewirkungen unterstützen und steigern, werden wir in einem späteren Abschnitt beschreiben.
Die an sich unsichtbaren ätherischen Kräfte können teilweise sichtbar werden. Eisblumen, die sich im Winter auf den Fensterscheiben bilden, oder die »Kraftlinien«, die auf der sich abkühlenden Milch entstehen, sind solche sichtbar gewordene Kräfte. Staub auf einer dünnen Platte, die an einer Geige befestigt ist, ordnet sich zu harmonischen, organischen Formen, wenn man mit dem Bogen über die Saiten streicht. Durch diese so genannten Chladni-Figuren werden Töne sichtbar gemacht. Besonders anthroposophisch orientierte Wissenschaftler haben versucht die Bildekräfte in sichtbare Erscheinungen umzusetzen. Um festzustellen, welche ätherischen Bildekräfte in einer Pflanze wirksam sind, hat Lily Kolisko die so genannten Steigbilder entwickelt. Eine Filterpapiersäule wird in eine Schale mit einer Silbernitratlösung gestellt, die den zu prüfenden Pflanzensaft enthält. An den Markierungen, welche die aufsteigende Flüssigkeit am Filterpapier hinterlässt, werden die unterschiedlichen Wirkungen abgelesen. Kolisko konnte damit zeigen, dass charakteristische Unterschiede zwischen biologisch gezogenen und kunstgedüngten Gemüsen bestehen. Sie konnte außerdem feststellen, dass die Mondphasen einen Einfluss haben (Kolisko 1939).
In ähnlicher Weise ging Ehrenfried Pfeiffer mit seiner Kupferchloridkristallisation vor, indem er pflanzliche, tierische und menschliche Gewebe, zwischen Glasplatten gepresst, in einer Kupferchloridlösung zu charakteristischen Kristallbildern trocknen ließ (Pfeiffer 1936). Ein anderer Versuch ist die Tropfenbildmethode Schwenks zur Unterscheidung der Wasserqualitäten, wobei er genau gewogene Tropfen in Glyzerin fallen lässt und die charakteristischen Gestalten, die sich im Glyzerinsubstrat bilden, fotografisch festhält (Schwenk 1976).
Schulwissenschaftler belächeln diese Versuche, die Bildekräfte anschaulich zu machen, als eine fortgeschrittene Art der Kaffeesatz- oder Teeblattwahrsagerei oder des schamanistischen Schulterblattorakels. Obwohl man die Erscheinungen der Bildekräfte nicht in Zahlen fassen (quantifizieren) kann, ergibt sich doch ein starker Hinweis, dass sich hier reale Wirkungen zeigen. Die Kunst liegt in der korrekten Deutung der Erscheinung. Der Wissenschaftler muss klar zwischen dem Phänomen und seinen Einbildungen unterscheiden können.
Inzwischen wurden die Untersuchungen verfeinert. Dem Physiker Fritz-Albert Popp gelang es, die Intensitäten der Lichtabstrahlung in lebenden Substanzen – Gemüse, Pflanzenöle, Hühnereier usw. – zu messen und daraus auf die darin enthaltene Lebenskraft zu schließen (Popp 1999). Der japanische Wasserforscher Masaru Emoto fotografierte die mikroskopischen Eiskristalle von verschiedenen Gewässern und Wasserarten – Heilquellen, Regenwasser, Tau, Trinkwasser aus verschiedenen Städten, Abwasser. Er konnte zeigen, dass Wasser vollkommen Yin, also absolut empfänglich und prägsam ist. Sauberes, naturbelassenes Wasser zeigt charakteristische harmonische Kristallstrukturen, im Gegensatz zu Wasser, welches Spuren von Chemikalien oder Hormonen enthielt. Auch für die Einprägungen von Klängen und Tönen – Mantren, Gebete, schöne Musik – ist Wasser empfänglich und bildet dazu gleichmässige harmonische Kristalle. Die meiste kommerzielle Musik erzeugt Verzerrungen in der Kristallstruktur; Bach, Beethoven oder auch traditionelle keltische Musik dagegen wohlgeformte Muster. Wenn Heilkräuterextrakte, auch in minimaler Dosierung, ins Wasser gegeben werden, nehmen die Eiskristalle spezifische Formen an, die den Blüten der jeweiligen Pflanzenart nahe kommen (Emoto 2000: 127).
Christus als Herr der Elemente. De Glanville: Le Proprie’taire des choses, 1487.
Die vier Elemente können nicht erwähnt werden, ohne das fünfte Element, die Quintessenz, die über die anderen vier waltet, zu nennen. Kompost braucht feste, irdische Substanz, genügend Feuchtigkeit (Wasser) und muss locker gestapelt sein, damit der Sauerstoff (Luft) den Stoffwechsel beschleunigt und es zu einer hitzigen Umsetzung (Feuer) kommen kann. Von sich aus können die vier Elemente jedoch keinen Kompost schaffen. Um die richtige Zusammensetzung zu finden, bedarf es des Gärtners als quinta essentia, dessen Bewusstsein die Teile ordnet und in Harmonie zueinander bringt. Wie man in der christlichen Mythologie Christus als Herrn der vier Elemente des Makrokosmos darstellt, so ist im Bereich des Gartenmikrokosmos der Gärtner der Ordner der Elemente. Hier haben wir vielleicht eine Andeutung zur Stellung des Menschen in der Natur überhaupt.
Die Prozesse: Sal, Mercurius, Sulphur
Neben den vier Elementen, in denen sich alles Existierende offenbart, erkannten die Alchemisten drei Prozesse, welche die Funktionen, Bewegungen und Veränderungen des Geschaffenen charakterisieren. Da ist der Sal- oder Salzprozess, der Kristallisation, Präzipitation (Ausflockung) und Verhärtung beschreibt. Ihm entgegengesetzt ist der Sulphur- oder Schwefelprozess, der Auflösung, Dissipation, Sublimation und Verflüchtigung bedeutet. Der Mercurius- oder Quecksilberprozess vermittelt zwischen den beiden Extremen, dem zentrifugalen Sulphurvorgang und dem zentripetalen Salzvorgang.
In der typischen Pflanze zeigen die saugenden Wurzeln am stärksten den Salzprozess. Der Merkurprozess tritt am klarsten im Luftaustausch, Stoffwechsel und Saftfluss in Blättern und Stengeln zutage. Die Blüten, die Düfte, Blütenstaub und schließlich Samen an ihre Umwelt abgeben, zeigen den Sulphurprozess am deutlichsten. Wenn man eine einfache blühende Pflanze im Jahreslauf betrachtet, sieht man, wie sie aus dem verfestigten Wurzelstock oder harten Samen (Sal) zuerst dicke, runde, fleischige Blätter ausbildet (Merkur), wie diese nach oben zu immer feiner und spitzer werden und schließlich in die duftenden, bunten, stäubenden Blüten übergehen (Sulphur).
Die Jahreszeiten liefern ebenfalls ein anschauliches Beispiel der Vorgänge. Der Winter wirkt kristallisierend auf das Wasser, die Vegetation zieht sich zurück in die feste Geborgenheit der Knospe, der zusammengezogenen Rosette oder der Samen. Die Vögel fliegen in Scharen gruppiert; den Kühen macht es nichts aus, dicht gedrängt im Stall zu stehen; andere Tiere ziehen sich zum Winterschlaf zurück. Dieser Salzprozess wird im Frühling vom Merkurprozess abgelöst. Man sieht es im launischen Aprilwetter, im raschen Wachstum der Pflanzenwelt, im Gebären der Lämmer und Kälber, dem Ausbrüten der Eier, den bewegten lauen Winden. Im Hochsommer und Herbst schlägt die Natur in den Sulphurprozess um, die Landschaft duftet nach Heu und Blumen, Pappel- und Distelsamen fliegen durch die warme Luft, Blätter färben sich bunt, und viele Tiere überwinden ihr Einzelwesen in Brunst und Begattung. Der Sulphurprozess geht dann wieder über einen kurzen Merkurprozess in den winterlichen Salzprozess über.
Nach Paracelsus ist die Gesundheit der äußeren Natur (Landwirtschaft und Garten) ebenso wie der menschlichen Natur auf die Harmonie, die Übereinstimmung der drei Prozesse angewiesen. Das Gleichgewicht zwischen ihnen wird durch den Archeus (Ätherleib) hergestellt. Wenn der Archeus nicht funktioniert, fallen die Prozesse auseinander, ein Teil verbrennt, verrottet oder verfault, während ein anderer Teil verhärtet oder verkrustet. Der Gärtner kann in seinen Erden, Komposten und Pflanzen Einseitigkeiten und Abnormitäten in den Prozessen feststellen und sie dementsprechend behandeln. Wenn Obstbäume harte Knoten bekommen und holzige Früchte tragen, liegt ein zu starker Salzprozess vor. Wenn andererseits die Pflanzen faulen, schleimig werden und unnatürliche Gerüche entwickeln, so hat sich an der falschen Stelle zur falschen Zeit ein Sulphurprozess entwickelt.
Ohne dass man der Hilfe besonderer Geräte und Instrumente bedarf, kann man sich üben, die Prozesse wie auch die Elemente überall wahrzunehmen. Man hat sie vor Augen beim Kochen, Backen und Töpfern, wenn man das Feuer betrachtet (Rauch und Hitze = Sulphur; Zischen und Züngeln der Flamme = Merkur; Asche = Salz). Im Gartenhandwerk findet man die drei Urprozesse selbstverständlich überall.
Sal-, Merkur- und Sulphurprozess in der Pflanze.
Bei Doldenblütlern wie den Karotten kann man sagen, dass der Sulphurprozess von den feinen Blüten bis in die orangefarbene, würzige Pfahlwurzel hinabdringt. Bei den Tannen merkt man, wie der Salzprozess bis in die Blüten (Tannenzapfen) steigt und sie hart und holzig macht, dagegen aber der Sulphurprozess den ganzen Baum mit duftendem Harz durchwirkt. Übelriechende Komposte, die ihre Substanz als Sumpfgas (Methan), Geruch von faulen Eiern (Schwefelwasserstoff) und Ammoniak von sich geben, zeigen einen eindeutig zu starken Sulphurprozess, den man mit etwas Steinmehl (Salzprozess) dämpfen kann. Regenwürmer, die Pflanzenreste nach unten in die Erde tragen, mit Ton von den unteren Bodenschichten mischen und beide in der Gegenwart von Kalk verdauen, erfüllen eine merkuriale Funktion im belebten Boden. Ein zu starkes Salzen mit Kunstdünger verhindert ihre ausgleichende Funktion und lässt den Boden verhärten (Salzprozess). Solche Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden.
Die alten Alchemisten fanden diese Dreiheit nicht nur in der äußeren physischen Natur vor, sondern auch als Prozesse der Seele und des Geistes. Der Gärtner, der ja die Quintessenz des Gartens ist, muss in sich das Salz des klaren, kristallinen Denkens, den Merkur einer beweglichen, mitfühlenden Seele und das Schwefelfeuer eines in der Welt wirkenden Willens entwickeln. Diese Aspekte des Gärtnerns gehören ebenso zur Landwirtschaft wie die äußeren Verrichtungen. Die inneren Eigenschaften sind teilweise eine Erklärung für das, was man den »grünen Daumen« nennt, oder für den Backster-Effekt, eine durch Galvanometer messbare Veränderung der elektrischen Spannung in Pflanzen, die durch die Gegenwart von Menschen hervorgerufen wird.
Mikrokosmos – Makrokosmos
Der Mensch ist die »kleine Welt«, ein Mikrokosmos. In ihm befinden sich alle Elemente, Prozesse und Eigenschaften, die im Makrokosmos, in der »großen Welt« der Natur, zu finden sind. Beide Welten haben eine innere und eine äußere Seite. Der Mensch lebt mit seinen fünf Sinnen auf der äußeren Seite des Makrokosmos, die vom kleinsten Sandkörnchen bis zur Sternenwelt reicht und alle Mineralien, Pflanzen und Tiere enthält. Durch seine Gedanken, Gefühle, Instinkte, Träume, Erinnerungen, Imaginationen und Intuitionen kann der Mensch auch die Innenseite der Natur, die Seele und den Geist des Makrokosmos erkennen, die Elementarwesen und Gottheiten wahrnehmen.
Dem Mikrokosmos-Makrokosmos-Gedanken liegt das Verständnis zugrunde, dass sich Mensch und Natur gleichen, dass sie wesensidentisch sind. Deswegen gibt es in allen Aspekten und in jeder Hinsicht Entsprechungen (Korrespondenzen) und Sympathien zwischen beiden. Sie sind einander Spiegelbilder, wie es der Meditationsspruch des Hermes Trismegistos einprägsam ausdrückt:
»Himmel oben, Himmel unten;
Sterne oben, Sterne unten.
Alles was oben ist, ist auch unten.«
Was als unzählige Einzelteile in den Naturreichen ausgebreitet ist, findet sich im Menschen, dem »Salz der Erde«, konzentriert wieder. Für den Bauernphilosophen Arthur Hermes findet die gesamte natürlicheTierwelt ihre mikrokosmische Entsprechung in den Leidenschaften, Gefühlen, Begierden und anderen Seelenäußerungen, die ihren physischen Sitz im Herzschlag, im Atem und in den Muskelgeweben des Menschen haben. Das ewige Wachsen, Keimen, Welken und Vergehen der Vegetation findet sein Spiegelbild in den sich wandelnden Fantasien, Träumen und Bildervorstellungen der Menschen, das seinen Sitz in den Lymphen und im vegetativen System hat. Das Reich der Mineralien, das der strengen, kausalen Gesetzmäßigkeit der Physik und Chemie unterworfen ist, findet man im Mikrokosmos in den strengen Gesetzen der Logik, im klaren Denken, das seinen Sitz in den Knochen und Nerven hat, den mineralisiertesten und am wenigsten lebendigen Zellgeweben des Körpers. Das ist auch ein Grund dafür, dass das logische, abstrakte Denken des verhärteten Kopfes so gut mit der physischen, materiellen Welt zurechtkommt, denn hier bewegen wir uns im Bereich der Mechanik, deren Gesetze abstrakt und mathematisch präzis formuliert werden können. Dieses mechanistische (tote) Denken ist jedoch nicht ausreichend für ein Verständnis der lebendigen Welt der Pflanzen und Tiere, mit denen der Gärtner täglich umgeht. Da muss ein tieferes Verstehen, ein lebendigeres, den Organismen gerechter werdendes Denken, das die richtigen Bilder (Imaginationen) entstehen lässt, zur Geltung kommen. Da muss mit dem Herzen und auch mit den Nieren, der Milz und den Füßen gedacht werden.
Die Korrespondenz zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos.
Die Signaturenlehre
Einst glaubten die Gelehrten in Europa, dass die Schöpfung in sieben Bereiche oder Göttersphären unterteilt sei. Man benannte diese Bereiche nach den Planetengöttern Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn. Die Planeten sind nicht nur die kleinen Lichtpünktchen, die man zufällig am Nachthimmel sehen kann, sie durchdringen die Seelenwelt, die ätherische Kräftewelt, das Tier-, Pflanzen- und Mineralreich, und sie haben ihre Konstellationen ebenso im menschlichen Mikrokosmos.
So gesehen ist der Mond nicht nur ein lebloser Satellit des Erdplaneten, sondern es gehören zu ihm Wachstum und Vergehen, das Säuglingsalter, Fantasie und Einbildung, Milch, Flüsse, Tümpel und Wassertiere, Hunde, die den Mond anheulen, Schnecken, Pilze, blütenlose Gewächse und das Metall Silber. Im Mikrokosmos gebietet er über das Gehirn und die Nerven, die Monatsblutung und die anderen Ausscheidungen. Der Venus sind die Keuschheit und die Erotik, Jugend, Liebestraum und Eifersucht, außerdem liebliche, zarte Pflanzen wie die Birke und die Myrte, das Metall Kupfer und im Leib die Nieren, die Hoden, die Scham und das Fett zugeordnet. Zum Merkur gehören die Beweglichkeit, die Kindheit, das Schwatzen, Handeln, Heilen, Quecksilber, schnellwüchsige Pflanzen und flinke Tiere, Schlangen, Heilkräuter, die Lunge, die Zunge und die tätige Hand. Die Sonne ist die Herrin über Aufrichtigkeit, Rhythmus, das Süße, das Gold, das Herz sowie edle, starke und mutige Tiere, wie den Löwen, und Pflanzen, die sich mit der Sonne drehen und entfalten wie der Lotus. Der zornige, feurige Kriegsgott Mars, der das Eisen, die Röte, das Blut und die Galle beherrscht, hat seine Signatur im Tierreich bei den wilden und stolzen Tieren wie den Pferden und im Pflanzenreich in den stacheligen und brennenden Gewächsen wie den Disteln, Kakteen und Brennnesseln. Jupiter, dessen Signatur sich in der gelben Farbe, in der Leber, in edlen Lebewesen wie Hirsch und Adler, der Eiche, aber auch im Leberblümchen und Schöllkraut zeigt, repräsentiert die Weisheit und Würde des reifen Alters. Dem alten, bitteren Saturn gehören die dunklen Farben, die schwarzen Tannen und Buchen, der Beifuß, das Trockene, Warme, aber auch die Kälte, die Säuren und die Basen sowie die Zeit, im Mikrokosmos Schwermut, Altersstarre, aber auch Altersweisheit und Abgeklärtheit.
Man sieht, dass die formativen Bildekräfte der Planeten jedem Geschöpf des Makrokosmos und des Mikrokosmos ihr Siegel aufdrücken. Die Planeten sind Gottheiten, denen jeweils ein bestimmter Bereich der Schöpfung zuerkannt wird, in dem sie wirken können. Der moderne Mensch belächelt das alles als eine historisch überholte Denkart. Betrachtet man aber unsere schnelllebige Zivilisation – die Verkehrs-, Daten- und Geldströme – aus dieser Perspektive, gewahrt man die Signatur des schillernden Merkurs, dessen Zeichen der schlangenumwundene Stab ($ = Äskulapstab, Dollar) ist.
Wir sind es gewohnt, in kausalen Zusammenhängen zu denken, die sich auf der horizontalen Ebene der »realen« Welt abspielen. Im Garten jedoch ist man viel eher mit der vortechnologischen Denkweise verbunden. Da wird man gewahr, dass neben der »funktionellen« horizontalen Seinsweise auch andere, vertikale, magische Verbindungen bestehen. Man spürt das zum Beispiel, wenn beim ruhigen Vereinzeln der Roten Beten oder beim Häufeln der Kartoffeln die Gedanken im Kopf wie in einem Fluss vorbeifließen, und man bemerkt, wie die Gedanken eine synchronische Harmonie mit der Naturwelt erlangen. So merkt man vielleicht nebenbei, wie die Ameisen ihre Blattläuse, die sie wegen deren Zuckersaft melken, am selben Frühlingstag auf den Holunderbusch bringen, an dem der Bauer seine Kühe zum ersten Mal auf die Weide treibt. Werden nicht beide von ähnlichen Kräften bewegt? Vielleicht von der Sonne? Man ahnt geheimnisvolle Beziehungen, wenn man gerade an der Stelle im Garten, wo man im vergangenen Jahr viele Blattläuse hatte, im folgenden Jahr viele Marienkäfer entdeckt. Hatte man nicht damals gedacht: Wie schön, wenn doch die Marienkäfer da wären! Oder man träumt von einem Ackergaul und findet am selben Tag ein altes Hufeisen in der Scholle, und man ahnt, dass Donar (Jupiter) die Arbeit mit guter Ernte segnen wird. Wir haben es hier also mit unbekannten – man darf ruhig sagen: magischen und okkulten – Zusammenhängen zu tun, die eine vertikale Dimension herstellen, bei der die festen Grenzen von Subjekt und Objekt ins Wanken geraten (Peukert 1976: 40).
Diese Dimension war einmal Gegenstand einer Wissenschaft – man lese die Werke von Agrippa oder Paracelsus, ehe die kausale, »objektive«, materialistische Wissenschaft ihre Monopolstellung errang. Diese »vertikale« Wissenschaft ist jedoch nicht so einfach, wie die heutigen Zeitungsastrologen es uns glauben machen möchten. Die Planetensphären durchdringen einander, ihre Einflüsse sind lebendig und wandelbar. Eine stechende Sonne kann marshaft genannt werden. Die gelb blühende Narzisse ist eine Mondpflanze mit einer Jupiterblüte. Korn gehört dem Jupiter, ist aber in der Keimung dem Mond, im Wachstum dem Merkur und der Sonne und im Samen dem Saturn zugehörig; ein roter Rost auf der Ähre ist das Merkmal des negativen Mars. Ein grüner Apfel ist Merkur und Venus, ein reifer Apfel ist Sonne; Apfelsaft ist Mars, Apfelwein ist Jupiter und Apfelessig ist Saturn.
Man muss sich in dieser Naturkunde üben. Sie lässt sich nicht aus toten Buchstaben lesen. Tote Buchstaben sind ein Salz, das erst mit dem lebendigen Merkur tingiert werden muss. Mit anderen Worten: Es nützt nichts, die Tabellen, die in den Zauberbüchern angegeben werden, auswendig zu lernen, man muss selbst »im Licht der Natur« (Paracelsus) lesen lernen.
Die sieben Planeten in ihren Signaturen und Korrespondenzen.
Transmutationen, werdender und vergehender Stoff
Wie die Alchemisten haben die alten Gärtner den ständigen Wandel in der Natur beobachtet, wie alles durch die Elemente vom Festen zum Wässrigen, zum Luftigen und Warmen und wieder zurückfließt. Sie konnten die Stadien der Veränderungen in der Feuerstelle, im Kochtopf, im eigenen Leib, im Gartenbeet, im Komposthaufen und in der Jauchegrube studieren und zogen daraus ihre Schlüsse. Sie sahen, wie die Materie frisch und undifferenziert in Erscheinung tritt als frisch fallender Schnee, als Milch aus dem Euter, als Keimling aus dem Samen, als neugeborener Säuglinge, als Ei; sahen, wie die neue Materie, aus dem wässrigen Mondenhaften kommend, durch das rasch wechselnde Merkurstadium schnellt, durch Sonne, Mars und Jupiter schreitet, bis sie wieder im Saturn vergeht, wo sie alt wird, erkaltet, verwest und verstaubt oder in Hitze verdampft und sich sublimiert. Hier, auf dieser letzten Stufe, ist der Stoff fein gezeichnet wie das Gesicht des Greises, wie die Rinde alter Eichbäume oder zerklüfteter Fels.
Aus der naturnahen Beobachtung folgerten sie, dass der feste, dichte, schwere Stoff sich nicht leicht verwandeln lässt; er vermittelt höchstens die Erdkräfte (Magnetismus, Elektrizität) oder die Strahlkräfte der äußersten Planeten. Als Flüssigkeit aber ist der Stoff für Einflüsse zugänglich; er kann sie empfangen, sie spiegeln und abbilden. In das Flüssige können neue Informationen eingebracht werden, ganz gleich, ob es sich um den Fötus im wässrigen Mutterschoß handelt, auf den die Sternenkräfte formgebend wirken, oder um das Begießen der Saat im Beet. Auch die Taufe wird mit der Absicht vorgenommen, dem Täufling mittels des Wassers eine neue Seelenkonfiguration zu geben. Noch immer gibt es Gärtner, die das Gießwasser rhythmisch rühren, besprechen oder besingen, um es mit positiven Energien aufzuladen. Aus ähnlichem Grund ließ Arthur Hermes sein Gartenwasser vom Vollmond bescheinen, damit es seine Wachstumskräfte aufnehme.
In seiner imponderablen, bewegten, leichten Luftmanifestation ist der Stoff höchst wandelbar. Als Gas (griech. chaos) ist er den verschiedenen mikrokosmischen und makrokosmischen Einflüssen am offensten. Im Feuerelement verschwindet die Materie häufig, sie wird ganz vergeistigt und völlig transmutiert.
Da die verschiedenen kosmischen Einflüsse in allen Transformationen maßgebend sind, betrieben die Alchemisten, die Ärzte und die Gärtner ernsthaft Astrologie. Man achtete auf die Positionen der Planeten im Wandel der Tages- und Jahreszeiten. Das innere Firmament, die Seelenkonfiguration, wurde ebenso genau beobachtet, denn dieser innere Kosmos hat einen in gleicher Weise formgebenden und transmutierenden Einfluss auf die bewegte und undifferenzierte Materie wie der makrokosmische Planetenstand. Die innere Konfiguration leuchtet durch die Augen, strömt durch diese Fenster der Seele, ganz wie die Sterne vom Kosmos hereinfunkeln. Auch das Wort, der Hauch, der Körperdunst, die Absonderungen und die Strömungen aus den Fingern offenbaren das Wirken des inneren Kosmos. Wenn man in den alten Manuskripten liest, dann weiß man oft nicht, ob da der innere oder der äußere Kosmos gemeint ist. Damit sein innerer Kosmos gut und edel ist und damit sein Werk nicht verdirbt oder er aus Versehen ein Monstrum schafft, wie es Dr. Frankenstein oder der Rabbi Löw in Prag getan hatten, gibt sich der Alchemist und auch der mystische Gärtner Seelenübungen hin und lebt in Reinheit und Tugendhaftigkeit.
Gedankengänge dieser Art blieben auch in Rudolf Steiners biologisch-dynamischer Landwirtschaftslehre erhalten. In seinen früheren Vorträgen trifft er die Unterscheidung von Erdenstoffen, die sich vergeistigen, und geistigen Substanzen, die in die materielle Erscheinung treten. Zu den ersteren, saturnhaften gehören solch fein ziselierte Substanzen, die schon durch viele Verwandlungen und Metamorphosen gegangen sind, wie der Staub der Schmetterlingsflügel, Blütenstaub, das Gefieder der Vögel, Tropfsteingebilde und die Knochen des Skeletts. Zu den neuen geistigen, mondhaften Substanzen hingegen zählt er frischen Schnee, Tau, Milch, Sternschnuppen, Eiweißflüssigkeit, den Speckansatz der wachsenden Ferkel und andere frisch in Erscheinung tretende »kosmische« Stoffe (Steiner 1973). Steiner verfolgt die Verdauungsstufen durch die vier Elementenbereiche; er zeigt, wie das Feste (Erde) zerkaut und eingespeichelt (Wasser) wird, in den Gedärmen Gase (Luft) erzeugt und als Kraft (Wärme) durch die Darmwand in den Mikrokosmos dringt. Er vergleicht diesen Vorgang mit der Metamorphose der Pflanze, wenn sie aus dem festen, wässrigen Boden in die Luft und Wärme wächst und dort in den Makrokosmos hinein verblüht und verstäubt. Solche und andere Ideen, die mit Verwandlungen, Energieströmen, Rhythmen und anderem hermetischem Gedankengut zu tun haben, trifft man immer wieder in Steiners Werk. Nun liegt es an uns, nachzuprüfen, ob man damit etwas in der Landwirtschaft anfangen kann oder ob es sich lediglich um veraltete Vorstellungen und Übertragungen der Psyche auf eine an sich passive Natur handelt.
Die Stufen des Seins
Nach den Überlieferungen der Naturvölker besteht das Universum aus vielen übereinander liegenden Sphären und Reichen, die als Wohnungen der Geister, Götter und Dämonen dienen. Die urtümlichsten Kosmologien, wie zum Beispiel die der schamanistischen Völker, verwenden das Bild eines Baumes, der in der Weltenmitte wächst und dessen Wurzeln bis in das Reich der spinnenden Schicksalsmütter, der Erdriesen und Zwerge und des schlummernden Drachen hinabreichen. Der Stamm dieses Baumes durchstößt die Menschenwelt und wächst in die sieben (oder neun oder zwölf) Himmel empor. An seinen Ästen hängen die Planeten und Sterne, auf seiner Krone wacht der Adler und darüber funkelt der Polarstern. Dieser makrokosmische Weltenbaum hat sein mikrokosmisches Ebenbild im Leib. Vom unbewussten, wurmähnlichen Gedärm erstreckt sich das Rückgrat bis zum Schädel; dazwischen liegen die Organe und Lebenszentren (Chakras) auf verschiedenen Ebenen.
1. Die natürliche Welt: In seinen Mußestunden im Winter kann der Gärtner, wie einst der Schamane, den Weltenbaum hinaufklettern und die vielgestaltige Welt von verschiedenen Höhen aus betrachten. Was wird er da sehen? Fangen wir mit der äußeren, sinnlich wahrnehmbaren Natur an. Das Gestein bildet die feste Grundlage, über die sich der wässrige Bereich der fließenden Ströme, der Seen und des Meeres, erstreckt. Darüber nimmt er den Bereich der Lüfte wahr, die Wolken und Winde und ganz am oberen Rand der sinnlichen Welt Licht und Wärme, die von der Sonne, dem Mond und dem Sternenzelt herunterstrahlen. In genau dieser Reihenfolge erlebt man die Hierarchie der Elemente, obwohl vermischte und in der Reihenfolge umgekehrte Zwischenformen immer möglich sind.
Manche Geschöpfe fühlen sich in einem dieser elementaren Bereiche wohler als in einem anderen. Die Würmer, Maulwürfe und Pilze lieben die dunkle Erde. Die Fische und Algen brauchen das Wasser, und der Adler, die Schmetterlinge und Blütenpflanzen fühlen sich am wohlsten im Licht und der durchwärmten Luft. Diese Geschöpfe leben in den Elementen, stellen jedoch mehr als bloße Manifestationen dieser Elemente dar. Als Lebewesen sind sie von den Lebenskräften, die den Elementen ihre Form geben, durchdrungen. Diese gestaltenden Lebenskräfte, auch ätherische Bildekräfte genannt, sind durch Vitalität, Symmetrie, Polarität, durch Leichtigkeit im Gegensatz zur Schwerkraft – Steine fallen, aber Sprosse schießen nach oben – und durch ein endloses Wiederholungsbeziehungsweise Vermehrungsvermögen gekennzeichnet. Die endlosen Wiederholungen zeigen sich in der Zellteilung, der DNS-Duplikation, im rhythmischen Wachstum der Pflanzen von Knoten zu Knoten und des Wurmes von Segment zu Segment. Phänomenologisch betrachtet besteht die Pflanzenwelt aus den Elementen oder aus physischer Materie (physischer Leib) und aus Lebenskräften (ätherischer Leib).
Weitere Organismen bestehen nicht nur aus einem physischen und ätherischen Leib. Bei ihnen wird der endlos wuchernden Vitalität Einhalt geboten und ihr eine neue Richtung gegeben. Die konstante Wiederholung von gleichartigen Zellen, Knoten und Segmenten hört auf. Die Ätherkräfte werden umgewandelt, sie dienen und energetisieren nun einen neuen Impuls, der sich im Trieb, in der Empfindung, im Gefühl und schließlich als Bewusstsein kundtut. Organismen, bei denen das geschieht, werden Tiere genannt. Bei ihnen ist das vegetative, unbewusste Wachstum nach innen metamorphosiert. Es entstehen die inneren Organe, die Nerven und Sinne, die nicht mehr, wie ein Spross oder eine Knolle, regenerierende Kraft besitzen. Die Fortpflanzungskraft zieht sich auf spezialisierte Geschlechtsorgane zurück. Indem die Tiere fühlen, leiden, wahrnehmen und bewusst reagieren, sind sie auf einer »höheren« Stufe als die Pflanzen. Sie haben eine inkarnierte Seele (anima). Tiere sind beseelte (animierte) Wesen, sie haben neben dem physischen und ätherischen Leib einen Astralleib.
Auch der Mensch hat einen physischen Leib, einen Ätherleib und eine Seele (Astralleib), aber dazu hat er die Möglichkeit des symbolischen, abstrakten und moralischen Denkens, das über die Sympathien und Antipathien des simplen Seelenlebens hinausgeht. Max Scheler sieht in der Möglichkeit des Menschen, zu seinen Trieben, Begierden und Instinkten Nein zu sagen, die Andeutung des Geistes (Scheler 1935). Der Mensch befindet sich hier im Bereich der Ichhaftigkeit; er ist sich eines um sich selbst wissenden Wesensmittelpunkts bewusst, der auf die Frage: »Wer ist es, der da in mir denkt, will, fühlt, wahrnimmt und empfindet?« antworten kann: »Ich bin es! Mein spirituelles Selbst ist es.«
Diese Welt der Elemente, Pflanzen, Tiere und Menschen ist die natürliche Welt, der Ort, den die Götter den Menschen als Wohnort zugewiesen haben. Es ist das Midgard der altnordischen Mythologie.
2. Die unternatürliche Welt: Unterhalb der natürlichen Welt befinden sich die Regionen, die man früher imaginativ als die Wohnsitze der Titanen, Asuras und dämonischen Geister ansah. Diese lauern auch im Mikrokosmos, in den dunklen Schichten des Unterbewussten und in anderer Ausprägung ebenso im Makrokosmos in den untersinnlichen Bereichen, die nicht mehr konkrete Materie ausmachen. Der Naturwissenschaftler nimmt ihre Hüllen als Magnetismus, Elektrizität und als Kernkraft wahr. Unmittelbar sind diese Kräfte nicht wahrzunehmen, es bedarf der technischen Instrumente des Labors und der höheren Mathematik, um sie in den Griff zu bekommen. Man könnte diese Kräfte als negative Spiegelbilder der ätherischen Lebenskräfte auffassen, was sich auch dadurch feststellen lässt, dass sie in gemessener Dosierung einen Einfluss auf die Lebensvorgänge ausüben. So kann man Pflanzen mit elektrischem Strom zu schnellerem Wachstum reizen (Elektrokultur) oder durch radioaktive Bestrahlung in der Keimsubstanz Mutationen hervorrufen (Thompkins/Bird 1974: 153). Diese Versuche werden sich nach einiger Zeit als Irrtümer, als Versuchungen dämonischer Wesen entpuppen. Die Lebensgefährlichkeit dieser Kräfte, wenn sie unmittelbar mit Lebewesen in Berührung kommen, ist ja offensichtlich.
3. Die übernatürliche Welt: Die Weisesten der Menschheit haben nie daran gezweifelt, dass es Wesen gibt, die nicht bis in das Physische hineinreichen. Schon Gedanken und Träume sind immateriell. Warum sollte nicht die Möglichkeit bestehen, dass es Elementarwesen, Elfen, Engel und andere Geschöpfe gibt, die vielleicht nur einen Ätherleib und einen Astralleib besitzen oder nur einen Astralleib und einen Geist? Diese Wesen existieren »hinter« den Phänomenen, sie können nicht durch unser gewöhnliches, alltägliches Denken und Schauen wahrgenommen werden. (Wenn wir meinen, solche Wesen mit den physischen Augen zu sehen, dann halluzinieren wir sicherlich.)
Diese nicht physischen Wesen sind keine blossen Fantasien, sondern wahre Imaginationen, Bilder innerer Vision. Wie wäre es sonst möglich, dass der Mensch, wie man der Völkerkunde entnehmen kann, zu allen Zeiten und in jeder Kultur von Gestalten wie Einhörnern, Drachen, Hexen, Zwergen, sprechenden Tieren und Sphinxen zu zeugen weiß? Die von der jeweiligen Kultur und dem Zeitgeist geprägten Mythen, Sagen und Bräuche verleihen diesen innerlich geschauten, nicht materiellen Wesen und Kräften greifbaren Ausdruck. Auf diese Weise werden sie dem Menschen zugänglich und ermöglichen es ihm, konsequent mit ihnen umzugehen. So entwickelte jedes Volk seine Methoden, um diese Wesen zu locken oder zu bannen, ihre Hilfe zu erbitten oder sie theurgisch zu zwingen. Ein wahrer Magier kann das erfolgreich tun, aber ein Abergläubischer führt Rituale aus, deren Wirkungen nicht zutreffen oder andere Folgen haben, als er glaubt. Viele Gärtner stellen Bildsäulen des heiligen Franziskus, der die Liebe zur Natur verkörpert, das Bild der Jungfrau, der Mutter der Naturgeschöpfe, oder Gartenzwerge, die die Elementarwesen des Gartens darstellen, als Sinnbilder und zur Verdeutlichung der in ihren Gärten waltenden Kräfte auf. Auch das Rühren und Spritzen von Präparaten stellt eine magische Handlung dar, die wirkliche Resultate zeitigt.10 Der Gärtner biologisch-hermetischer Ausrichtung muss sich in solchen Bereichen bewegen, er muss über den so genannten reinen Sachverstand des materialistischen Wissens hinausgehen, um sich mit den Wesen und Kräften im Gartengefüge im echten Dialog und in Mitarbeit verbinden zu können. Durch die Entwicklung dieser inneren Vision, der wahren Imagination, kann der Gärtner die Bilder der astralen und elementaren Welt nicht nur wahrnehmen, sondern durch sie auch das Gedeihen des Gartens beeinflussen. Über der astralen Welt liegt ein Universum höherer Ordnung, die Welt, die die Rosenkreuzer als die Welt der Inspiration, als Götterwelt oder Harmonie der Sphären bezeichneten. Hier reicht die bloße Imagination nicht mehr aus, diese Welt der Harmonien erfährt man durch die Gnade der Inspiration. Wahre Inspirationen sind einigen wenigen begabten Menschen vorbehalten, wie zum Beispiel Beethoven, Dante oder Shakespeare. Aus einer noch erhabeneren Welt, der höheren geistigen Welt, der Welt der Urbilder, kommen die Intuitionen, die sich den größten Söhnen der Menschheit und den mächtigsten Schamanen offenbaren. Diese Intuitionen bestimmen dann die menschliche Kultur auf Jahrtausende. Die Einsicht in die Ursachen des Leidens des großen Buddha, die Lehre der Sittengesetze des Konfuzius, die Erkenntnis der Einheit des Seins durch Shankaracharya oder die Intuition, die – wenigstens nach der persischen Überlieferung – zur Entdeckung der Landwirtschaft durch Zarathustra führte, gehören hierher.11
Die Stufen des Seins.
Aus Träumen und übersinnlichen Erfahrungen erkennt man, dass sich Zeit und Raum radikal verändern, wenn man die physische Welt verlässt. Trotzdem hat man versucht, die verschiedenen Welten oder Sphären sinnbildlich in räumlicher und zeitlicher Dimension zur Darstellung zu bringen. Oft bezieht man die astrale (griech. astra = Stern) Welt auf die Planetensphären. Die Vorgänge in der astralen Welt hängen mit den makrokosmischen Bewegungen der sieben sichtbaren Planeten zusammen. Die Welt der Inspiration hat Bezug zu der Region der Fixsterne, zum Tierkreis, vor dessen Hintergrund die Planeten ihre Bahnen ziehen. Die Welt der Intuition entspringt der Region hinter den Fixsternen, dem »Kristallhimmel«. In der christlichen Mythologie, wie sie von Dionysius, dem Areopagiten, im fünften Jahrhundert formuliert wurde, sind diese drei himmlischen Regionen von den neun Chören der himmlischen Heerscharen bevölkert.
Die für das bloße menschliche Auge unsichtbaren Planeten Uranus, Neptun und Pluto gehören – nach Ansicht des Bauernphilosophen Arthur Hermes – nicht zum Bereich der übernatürlichen (himmlischen) Welt, sondern sind die kosmischen Entsprechungen, die ihr Gegenbild im untersinnlichen Bereich des Magnetismus, der Elektrizität und Kernkraft haben. Diese Planeten wurden auch jeweils ungefähr in der Zeit entdeckt, als die Wissenschaft die entsprechenden Bereiche erschloss und nutzte: Uranus, 1781 von Herschel entdeckt, entspricht der Faszination des Magnetismus; Neptun wurde im Zeitalter der elektrischen Forschung entdeckt; Pluto, der 1930 zum ersten Mal gesichtet wurde, kündigte das nukleare, das »plutonische« Zeitalter an.
Die Seelen und Geister der Pflanzen, Tiere und Steine
Wer hat nicht schon darüber gestaunt, dass sich die Lachse nach Jahren an ihre Laichplätze »erinnern«, dass die Zugvögel ihren Weg nach Süden und wieder zurück finden und wie perfekt sie ihre Nester bauen, wie die Raupen kunstfertig ihre Puppen spinnen oder wie die Wespen schon seit Jahrtausenden die Papierherstellung kennen? Wer kann da an einer weisen Führung zweifeln? Wenn unsere Wissenschaftler diese Wunder zu erklären versuchen, sprechen sie von »selbstregulierenden Systemen, die über Rückkopplungsvorgänge bestimmte Gleichgewichtszustände anstreben«, oder sie vertuschen ihr Unwissen einfach mit dem Wort »Instinkt«. Sie versuchen die »Kausalmechanismen des arttypischen Verhaltens« auf endogener sinnespsychologischer, neurologischer oder hormonaler Grundlage zu erklären. Aber nichts in den kleinen Gehirnen oder den Drüsen der Tiere lässt auf solch weisheitsvolles Verhalten schließen.
Die Suche nach endogenen Verhaltensmechanismen ist in etwa dem Bemühen vergleichbar, die Ursache der Bewegung der Zeiger einer Uhr in den Zeigern selbst zu suchen. Man kann die Zeiger unter die Lupe nehmen und ihre Geschwindigkeit messen, so oft und so lange man will, wenn man den unsichtbar dahinter liegenden Mechanismus des Uhrwerks nicht beachtet, kommt man nie zu einer vernünftigen Erklärung. Bei den Tieren ist der »Mechanismus« ihres Verhaltens in der übersinnlichen, elementaren oder astralen Welt zu suchen, in der die Tiere ihre Gruppen-Egos, ihre führenden Geister haben. Diese Region befindet sich »angrenzend« an unsere sinnliche Welt. Die Renaissancegelehrten lokalisierten sie in jener Region, in der die Planeten vor dem festen Hintergrund des Zodiaks (griech. zoon = Tier) oder Tierkreises ihre Bahnen ziehen. Bei den kalifornischen Indianern wohnen die Tierherren im Berg Mount Shasta; bei den Eskimos wohnt Sedna, die Herrin der Meerestiere, auf dem Meeresboden, bei den Kelten in der »Anderswelt«, der Elfenwelt, gleich nebenan. Man kann eigentlich nur sagen, dass das Ichzentrum oder der Geist des Tieres sich nicht wie beim Menschen leiblich inkarniert; nur sein Ätherleib und seine Seele nimmt Wohnung im physischen Körper. Deswegen hat das Tier auch nicht die Merkmale des menschlichen Egos: Sprache, Kultur, Selbstbewusstsein. Auch die Sünde (altgerm. sunder, verwandt mit »sondern, absondern«), die ein Losgelöstsein von der göttlichen Ordnung darstellt, ist dem Tier fremd.
Jede Tierart ist in der sichtbaren Welt in viele Einzelwesen aufgesplittert, aber in der Astralwelt trifft man die geistigen Individualitäten der Tierarten. Hier haben wir den Schlüssel zum Verständnis des Phänomens, wie es bei primitiven Völkern den Schamanen, Medizinmännern oder Zauberern möglich ist, mit den Tieren zu »reden«, wie die Tiere ihnen in menschlicher Gestalt erscheinen und Anweisungen geben können. Die alten Jagdvölker konnten sich durch überlieferte Praktiken wie Fasten, Tanzen, Trommeln, Rückzug in die Einsamkeit oder durch psychotropische Kräuter mit den »Großvätern« oder animal bosses in Verbindung setzen, um Gunst, Schutz oder Jagdglück zu erbitten. Junge Indianer begaben sich ebenfalls auf diese Art in die imaginative Sphäre und suchten einen tierischen Schutzgeist, der ihr Leben führen half und ihnen ein Lebensziel gab. Als Gegenleistung verlangte der Tiergeist, dass besondere Tabus beachtet, Opfer dargebracht oder ein moralisch sauberes Leben geführt wird. Nur diejenigen Ethnologen, deren tiefere Sinne verschlossen sind, wollen diese Tatsachen als irgendwelche »soziopsychologische oder neurologisch bedingte Verhaltensmuster« abstempeln. Zu welch fruchtbaren Einsichten kommt dagegen der biologisch eingestellte Gärtner, wenn er die Schädlinge, die Vögel, die Regenwürmer oder die Düngewirkungen der Tiermiste von dieser imaginativen Warte aus betrachtet!
Wir Menschen haben unser Ichbewusstsein ganz in der physischen Welt; die Tiere haben es in der astralen Welt; die Pflanzen aber erleben ihre Gruppen-Egos in der Region der Sphärenharmonien, der mittleren geistigen Welt. Diese Sphäre, die nach rosenkreuzerischer Lehre durch die wahre Inspiration wahrnehmbar ist, liegt »weiter entfernt« als die astrale Welt. Sie ist »tief unter der Erde« oder auch »weit draußen in den Fixsternen«. Hier, in den zwölf Häusern des Zodiakus, weilen die Pflanzenarchetypen, die Geister der Pflanzen. Von hier aus dirigieren und leiten sie die vielen Kräuter, Bäume, Sträucher und Blumen, die ja nur physisch-ätherisch auf der Erde verkörpert sind. So schreibt Paracelsus in »De caducis«: »Wo sind die Meister, die die Formen der Lilien und Rosen schneiden, die so schön im Felde wachsen? Wo sind ihre Werkstätten und Werkzeuge? Die characteres der Lilien und Rosen findet man im astralen (Sternen-)Licht, und die Werkstatt ist die Natur. Eine Blume kann nicht aus Kot gemacht werden, noch ein Mensch aus Lehm. Und wer die bildenden Kräfte des astralen Lichtes verleugnet und glaubt, dass die Formen aus den Körpern selbst entstehen, der glaubt etwas, was unmöglich ist« (Hartmann 1973: 156).
Anderswo bringt der Hohenheimer die Pflanzenwelt mit den Sternen in Verbindung: »Die Sterne sind die Model, Patronen, Formen, Matrices aller Kräuter. Durch attraktivische Kraft zeucht jeder Stern seinesgleichen Kraut aus der Erden« (Traktat 1, »De Pestilitate«). Auch nach Arthur Hermes ist jede Blume durch einen unsichtbaren Strahlenfaden mit einem der Sterne verbunden; wir bewegen uns – welch Wunder – durch ein Strahlenmeer.
Aus dieser Sternenwelt strömt die pythagoräische Sphärenmusik. Ihr Puls durchdringt das Universum mit Harmonie, Rhythmus und Ordnung. Sie setzt den Tanz der Atome in Gang, gibt den Blumen ihre Geometrie und den Himmelskörpern ihren geordneten Lauf. Die eurhythmischen Tänze und die Musik der Landbevölkerung sind als ein Mit- und Nachempfinden dieser Harmonien zu verstehen und üben ihrerseits wieder einen Einfluss auf das Pflanzenwachstum und Tiergedeihen aus. Afrikanische Hackbauern und zum Teil noch die Weingärtner im Waadtland bestellen ihre Äcker zur Begleitung von Gesang, Trommel und Pfeife. Bei den Puebloindianern und anderen indianischen Gärtnervölkern sitzen die alten Opas in den Maisfeldern und singen ihren »Maiskindern« schöne Lieder, damit sie gut gedeihen. Die Hindus chanten Mantras oder singen ebenfalls Lieder – Dohada – für die Pflanzen im Garten. Die Irokesen waren überzeugt, dass der Gesang der Grillen und Zikaden im Hochsommer den Pflanzen Kraft (Orenda) zukommen lässt.12 Dass Kühe mehr Milch geben, wenn im Stall gesungen wird, konnte ich auf dem Hof im Emmental miterleben. Zum Heiligen Abend wurden den Kühen bei ihren Futterkrippen von den Hofbewohnern Weihnachtslieder vorgesungen. Die größere Milchleistung hielt danach drei Tage lang an. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass Musikschwingungen das Pflanzenwachstum beeinflussen.
In dieser »weit entfernten« Sternenregion wohnen auch die Toten und nehmen von dort aus Einfluss auf das Wachsen und Gedeihen der Vegetation. In fast allen Ackerbaugesellschaften, sei es in Afrika, Ozeanien oder Ostasien, glaubt man, dass die Ahnengeister für die Fruchtbarkeit der Felder verantwortlich sind. Man opfert den Toten, man speist sie und schmückt ihre Grabstätten. Mitunter geht man sogar für sie auf Kopfjagd. Als Gegenleistung gewähren sie durch das Naturgeschehen ihre Hilfe vom Makrokosmos aus. Die alten Chinesen stellten ihr Hochzeitsbett in die dunkelste Ecke des Hauses, wo die Toten begraben waren und die Samen lagerten – die Toten bewirken Fruchtbarkeit. Hippokrates lehrte, dass die Geister der Verstorbenen die Samen keimen und wachsen lassen; in der »Geoponika« heißt es, dass die Winde (die Seelen der Toten) den Pflanzen und allen Geschöpfen ihr Leben schenken (Eliade 1958: 351). Die Germanen opferten den Toten bei der Aussaat im Frühling und bei der Ernte im Herbst; beim Säen mischten sie Erde von einem frischen Grab unter die Samen. Die Beziehung der Toten zur Pflanzenwelt wird durch das Bepflanzen und Schmücken der Gräber mit Blumenkränzen und Lebensbäumen unbewusst auch in modernen Zeiten weiter gepflegt. Die Vorstellung, dass die Toten im weißen Hemd auf Wolken sitzend Harfe spielen und mit den Engeln psalmodieren, ist lediglich eine grobe Vereinfachung der Vision der himmlischen Sphärenharmonie, die der Vegetation ihre Impulse gibt.
Das Pflanzenurbild (Pflanzen-Ich), das vom Fixsternhimmel herabstrahlt, wird in seiner Wirkung von den sieben Wandelsternen, den Planeten, beeinflusst und modifiziert. Die täglichen, jährlichen und mehrjährigen Rhythmen der Pflanzenwelt können ohne solche Beeinflussung gar nicht verstanden werden. Hier, in den Planetensphären, im Bereich der Tiergruppengeister, befinden sich auch die Seelen der Pflanzen. Im Einklang mit den Planetenrhythmen bewegen sich die Seelen der Pflanzen. Für den Gärtner ist das eine wichtige Angelegenheit, denn er sollte die richtigen Zeiten zum Säen und Pflanzen daraus ablesen können.
Die Steine und Mineralien haben nur ihren stofflichen Leib auf Erden. Ihre Bildekräfte (Ätherleib) befinden sich im selben Bereich wie die Pflanzen-Nana und die Tiergruppengeister. Die Seelen der Mineralien wohnen in den Fixsternen bei den Pflanzen-Egos; ihre Egos jedoch liegen in der Welt der Urbilder, im höchsten Himmel. Wir können dies in Gedanken scheinbar leicht nachvollziehen, aber um es sich richtig zu vergegenwärtigen, bedarf es der »schwer erreichbaren Kostbarkeit« der Intuition, der Gnade der himmlischen Vernunft, des »Steins der Weisen«. Dieser Stein befindet sich in der Sphäre, die die alten Weisen als den Kristallhimmel bezeichneten. Nach einer alten Legende sind die Fixsterne keine festen Körper, sondern Löcher, durch die der Himmel hindurchscheint. Sie entstanden, als der liebe Gott, auf seinen Stab gestützt, den Himmel durchwanderte und überall, wo er mit dem Stab aufstieß, ein Loch machte; die Stücke fielen als Edelsteine herunter. Auch die australischen Ureinwohner kennen eine ähnliche Anschauung: Wenn sie einen Kristall finden, meinen sie, er sei vom Sitz der uranischen Gottheit abgebröckelt; die totemischen Ahnengeister pflanzen bei der Initiation solche Steine in die Körper der »clever men« (Schamanen) ein.13
Obschon diese Auslegung der Seinsebenen und Sphären kompliziert erscheint, handelt es sich doch um die gröbste Vereinfachung. Wir haben uns erlaubt, einen flüchtigen Blick in diese immensen Regionen zu werfen, da wir es uns als Gärtner und Bauern nicht erlauben können, nur nach dem engen materialistischen Begriffsschema zu handeln, denn wir haben es mit lebenden Wesenheiten zu tun. Die Tabelle, obwohl äußerst vereinfacht, deutet diese Verhältnisse an. Das Verständnis kann vertieft werden durch das meditative Beobachten der Naturerscheinungen, durch schamanische Techniken sowie durch das Studium mystischer Zeugnisse, der Folklore und völkerkundlicher Zeugnisse.
Wenn es sich bei diesen Dingen um Wahrheiten handelt und nicht um Täuschungen oder Hirngespinste, dann muss es doch möglich sein, die Kräfte des Bergkristalls durch Präparierung aufzuschließen und mit den Pflanzen und Tieren zu »reden«. Der Gärtner sollte dann den Großvater der Raupen bitten können, seine Kohlköpfe zu schonen, oder die Vögel, Kröten und Blindschleichen in seinen Garten rufen können. Wie sonst kann man die Riesenkohlköpfe und die Blumenpracht im ungewöhnlichen Garten von Findhorn im hohen Norden Schottlands erklären, wo man mit dem Naturgeist Pan und den Devas der Pflanzen »spricht« (Hawken 1973; Storl 1997: 109). In Anbetracht dessen sind die Alemannisch sprechenden Amisch-Bauern in Pennsylvanien vielleicht gar keine so rückschrittlichen Hinterwäldler, wenn sie stur Maschinen, Schlepper und Elektrizität als Teufelsmachwerk ablehnen und bei ihren Pferden und ihren arbeitsintensiven Methoden bleiben. Die Amisch haben ja die vorbildlichsten Farmen in Amerika, ohne Verarmung der Böden und Schädigung der Agrarbiozönose. Und unverschuldet sind sie auch.
10 »Unter uns gesagt«, so der Gärtnermeister Manfred Stauffer, »sind die biodynamischen Präparate Nahrung für die Elementarwesen.«
11 Diese Sphäre oder Ebene des Seins wird in verschiedenen Traditionen unterschiedlich benannt. Die indisch-theosophische Lehre spricht von dem physischen Plan, dem Astralplan, dem Rupa Devachan (gestaltete Geistessphäre) und dem Arupa Devachan (Geistessphäre jenseits der Gestalten). Paracelsus spricht von der Erde, dem Himmel (astrale Welt), der Welt der Intelligenzen und der Welt der Urbilder (Archetypen), über denen der Schöpfer thront.
12 Das Aussprühen von Insektiziden dezimierte die Vogelpopulation in den riesigen Orangenplantagen von Florida. Allmählich gingen der Ertrag und die Qualität der Südfrüchte zurück, ohne dass man wusste, warum. Don Carlson vermutete, dass die Bäume den Gesang der Vögel brauchen, und stellte einige Versuche an. Inzwischen werden vielerorts die Plantagen mittels Lautsprecheranlagen mit Vogelgezwitscher beschallt, und tatsächlich bleiben die Bäume gesünder und produzieren mehr Obst. Dieses Phänomen wird als »sonic bloom« bezeichnet (Thompkins/Bird 1991: 142).
13 Die Verbindung der Steinwelt zu den höchsten und tiefsten Mysterien kommt in der Theo- phanie der Steine bei vielen Völkern zum Ausdruck, unter anderem bei der vom Himmel herabgefallenen Ka’aba in Mekka, den Menhiren der Megalithvölker, dem Marmorkegel (Omphalos, »Nabel der Welt«) in Delphi oder der Edelsteinkrone des vom Himmel stürzenden Luzifers, aus der der heilige Gral gemacht wurde. Der christliche Schöpfergott selbst wird aus dem Stein (Bethel, Zentrum des altisraelischen Steinfetisch Baitylos) geboren und gründet auf dem Stein (griech. petros = Fels) seinen Kultus. Die Altäre und Opfertische der Völker sind Steine. Bei den Christen enthielten die Steinaltäre die Knochen der Heiligen und wurden Ort der unio sacramentalis mit dem Herrn.