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Fred Müller schaltete die Beleuchtungsautomatik ein und beendete seinen Rundgang durch die Verkaufsräume. Er gähnte. Das konnte er sich erlauben, denn keiner seiner vornehmen Kunden beobachtete ihn dabei. Es war Feierabend. Er wollte noch in dem Lokal an der übernächsten Ecke ein Bier trinken und dann nach Hause fahren. Sicherheitshalber kontrollierte er den Wandsafe erneut, fand ihn aber verschlossen. Der Anruf heute Morgen hatte sicher nichts zu bedeuten. Das musste irgendein Spaßvogel gewesen sein, der ihm einen Schrecken einjagen wollte.

Fred Müller war stolz auf seine Sicherheitsvorkehrungen. Wer bei ihm einbrechen wollte, musste schon mit magischen Fähigkeiten ausgestattet sein.

Er schaltete die Alarmanlage ein und hatte jetzt noch genau zwei Minuten Zeit, um das Geschäft zu verlassen.

Auf der Straße empfing ihn der übliche Dunst von Berlin. Der Verkehr brandete an ihm vorüber. Es war kurz nach einundzwanzig Uhr. Der Mann im Zweireiher überlegte, ob er die paar Schritte zu Fuß gehen sollte. Seiner Leibesfülle würde das kaum schaden. Er hatte viel zu wenig Bewegung.

Fred Müller ließ den Wagen stehen und spazierte bis zur übernächsten Straßenecke, der Uhlandstraße.

Hier befand sich eine der typischen Eckkneipen Berlins, die er hin und wieder besuchte, wenn er einen arbeitsreichen, anstrengenden Tag hinter sich hatte. Vor kurzem hatte die Eckkneipe eine neue Möblierung erhalten. Man wollte sich in der Nähe der belebten Einkaufsstraßen ein wenig mehr Flair verleihen und sprach nun auch nicht mehr von der Schultheiß-Kneipe, sondern vornehm von der ‚Bar Noir‘.

Man kannte Müller hier. Besonders die reizende Christa hinter dem Tresen, die sich nur von sehr guten Bekannten Chris nennen ließ. Ihn traf ein verbindliches Lächeln, als er eintrat und den letzten freien Hocker eroberte.

„Hallo, Chris!“, grüßte er.

„Hallo, Fred!“ Christa schob ihm das gut gefüllte Bierglas herüber, das sie bereits eingeschenkt hatte. Sie kannte seine Gewohnheiten. „Du siehst abgespannt aus.“

Fred Müller seufzte. Es tat gut, von einer schönen Frau bemitleidet zu werden.

„Ist das ein Wunder? Heute haben wir die neue Kollektion erhalten. Die Kunden müssen das förmlich riechen. Sie kamen in Scharen und gingen erst wieder, als sie das letzte Stück gesehen hatten. Ein paar haben sogar etwas gekauft.“

„Doch nicht etwa meine Perlenkette?“, fragte die Blondine erschrocken.

Fred Müller schüttelte den Kopf.

„Die Perlen nehme ich nicht aus dem Safe. Ich hoffe, dass du sie dir irgendwann einmal von mir schenken lässt. Es ist die einzige Möglichkeit für dich, sie jemals zu bekommen. Einem anderen Mann würde ich sie nie verkaufen.“

Christa lachte dunkel. Lange Wimpern senkten sich über ihre Augen.

„Du bist verheiratet“, erinnerte sie ihn.

„Ich erwarte ja auch nicht von dir, dass du meine Frau wirst, Chris. Ich bin dreißig Jahre älter als du. Aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, sich näherzukommen. Denk mal darüber nach!“

Christa musste andere Gäste bedienen. Darüber war sie froh. Immer nahm das Gespräch mit Fred Müller die gleiche Richtung. Sie musste so tun, als würde sie seinen Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehen. Dabei dachte sie nicht im Traum daran, mit diesem alten Knochen ins Bett zu gehen. Die Kette war trotzdem nicht unerreichbar für sie. Heiko hatte sie ihr versprochen. Der würde das schon hinkriegen.

Fred Müller beobachtete jede Bewegung der Fünfundzwanzigjährigen. Seine Kehle wurde trocken, obwohl er gerade das Bier hinuntergekippt hatte.

Teufel! Die Kleine musste er haben. Lange ließ er sich nicht mehr hinhalten.

„Telefon für dich.“ Christa schob ihm den Apparat hin und gab ihm den Hörer in die Hand.

„Für mich?“ Fred Müller wunderte sich. „Wer kann denn wissen, dass ich hier bin?“

Wahrscheinlich war es Kerstin. Seine Frau traute ihm schon längst nicht mehr. Sie vermutete, dass er sie betrog. Leider hatte sie nicht recht. Noch nicht.

„Hallo, Kerstin?“

Eine männliche Stimme antwortete ihm.

„Kleiner Irrtum, Herr Müller. Aber das passiert Ihnen in letzter Zeit ja öfter.“

Verdammt! Das war der Kerl von heute früh. Was wollte der schon wieder?

„Wollen Sie nicht deutlicher werden, Herr?“

„Ist das wirklich nötig? Sie sollten sich etwas mehr um Ihr Geschäft kümmern, als in Bars herumzuhängen. Es gibt erstaunlich viele Liebhaber für Juwelen. Meines Wissens würde es sich heute besonders lohnen. Die neue Kollektion ...“

„Zerbrechen Sie sich nicht meinen Kopf!“, gab Fred Müller ärgerlich zurück. „Wer bei mir einbrechen will, muss erst noch geboren werden.“

Unterdrücktes Lachen war zu hören. Der Juwelier zerbrach sich den Kopf, ob er die Stimme kannte, aber er kam zu keinem Ergebnis. Außerdem war sie zweifellos verstellt.

„Ich will Ihnen keine Vorschriften machen“, fuhr der Unbekannte fort. „Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass ich die Versicherung informieren werde, dass ich Sie rechtzeitig gewarnt habe. Es ist unwahrscheinlich, dass man Ihnen dann noch den Schaden ersetzen wird.“

„Hören Sie, Herr ...“

Der Herr hörte nicht. Er hatte aufgelegt. Genau wie am Morgen.

Fred Müller behielt den Hörer in der Hand und starrte vor sich hin. Der Kerl machte ihn noch ganz verrückt. Er hatte doch nichts vergessen, oder?

Christa kehrte zu ihm zurück, stellte ihm ein frisches Bier hin und nahm ihm den Hörer aus der Hand.

„Eine unangenehme Nachricht?“, erkundigte sie sich teilnahmsvoll. Fred Müller fingerte einen Zehn-Mark-Schein aus der Brieftasche und legte ihn auf den Tresen.

„Ich muss weg“, stieß er hervor. „Vielleicht komme ich noch mal wieder. Überleg dir inzwischen mein Angebot! Du wirst im Laufe deines Lebens schlechtere erhalten.“

Die Blondine wollte ihn zurückhalten, aber da war er schon fort.

Es gelang ihr nicht, ihre Nervosität zu verbergen. Hastig trank sie das Bier aus, das für Müller bestimmt gewesen war. Aber das konnte auch nichts an ihrer panischen Angst ändern.

Mörderischer Urlaub am Teufelssee Berlin 1968 Kriminalroman Band 49

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