Читать книгу Eine Insel in 650m Höhe - Wolfgang Cremer - Страница 6
Der LKW
ОглавлениеIn einer Entfernung von vielleicht einhundert Meter stand ein LKW irgendwie mit erhobenem Heck auf der Straße. Dreitausend Schritte genau und ich befand mich am Fahrzeug und konnte das Problem sehen. Es handelte sich um einen Mercedes 7,5 Tonner mit geschlossener Ladefläche. Als Kofferwagen glaubte ich wurde dieser Typ bezeichnet. Der Fahrer hatte den Wagen nicht mehr rechtzeitig vor der Spalte abbremsen können und war mit den Vorderreifen über den Rand gerutscht. Dieses Aufschlagen des Chassis auf den Teerboden stoppte den LKW nahezu direkt. Doch wo war der Fahrer geblieben. Ich öffnete die Fahrertüre in Erwartung eine Leiche vorzufinden, doch der Sitz war leer. Die Frontscheibe war fast total zerstört und ich wunderte mich schon wieso der ganze Innenraum nicht voller Glasstücke war bevor mir die Erkenntnis kam. Der Fahrer war nicht angeschnallt gewesen und durch diesen plötzlichen Stopp von seinem Sitz hochgehoben und durch die Windschutzscheibe geschleudert worden.
Ich stieg wieder aus und versuchte in die Spalte hineinzusehen. Die Spalte war vielleicht zehn Meter breit und ebenso tief. Am Boden war jede Menge Geröll nachgerutscht und dann konnte ich einen Teil des Unterarms und der Hand entdecken die so gerade noch aus seinem Grab herausragten. Hier hatte die Natur den Verunfallten bereits beerdigt. Ich stieg wieder in die LKW-Kabine und schaute mich um. Der Schlüssel steckte natürlich noch und wie zu erwarten hatte die eingeschaltete Zündung die Batterie total entleert. Selbst das Radio ging nicht mehr an. Ich fand ein angebrochenes Päckchen Zigaretten in dem ein Feuerzeug steckte und noch zwei ungeöffnete Zigarettenpäckchen. Verschimmelte und stinkende Speisereste lagen auf dem Boden und verdeckten teilweise ein Handy neuester Bauart. Natürlich war auch dieses unbrauchbar weil der Akku total entleert war. Jetzt konnte man die Zeit bedauern wo ein Handy nur zum Telefonieren gebaut war und manchmal eine ganze Woche ohne Ladegerät auskommen konnte. Die neuen Smartphone jedoch waren bereits nach einem Tag am Ende. Ich steckte die Zigaretten ein, stieg aus und ging an der Ladefläche vorbei bis zum Heck. Natürlich waren die Ladetüren verschlossen. Aber was sollte mir das auch bringen. Als Beute 100 PCs oder Flachbildschirme machten mich in meiner Situation nicht glücklicher.
Nein, hier war für mich nichts zu holen und ich wollte keine Zeit verlieren. Und so machte ich mich wieder auf den Weg und suchte einen Übergang der Spalte. Ich versuchte so weit wie möglich zu kommen bis die Dämmerung den Marsch sowieso stoppen würde. Der Zustand der Straße war gleich wie bereits auf der anderen Seite. Spalten, Aufwerfungen und umgestürzte Bäume. Manchmal hatte ich wieder den Eindruck das die Spalten enger wurden und mehrheitlich übersprungen werden konnten aber dann kam wieder eine die mich zwang viele Meter an der Seite entlang zu gehen ehe man sie übergehen konnte. Die Dämmerung hatte zwar noch nicht begonnen, aber es reichte. Meine Kräfte waren am Ende und meine Füße schmerzten. Völlig erschöpft baute ich mein Zelt auf und zwang mich zu einer warmen Suppe. Es wurde eine unruhige Nacht. Der Wind frischte wieder auf und ich träumte ständig von dem LKW-Fahrer. Hätte er sich nur angeschnallt, wäre ihm nichts passiert und lebte mit Sicherheit noch. Unruhig drehte ich mich von einer Seite auf die andere ohne Schlaf zu finden. Was mochte der LKW geladen haben. Die Werbeaufschrift an den Seitenwänden kam mir vom Bild her bekannt vor, aber beim besten Willen konnte ich mich nicht an einen Zusammenhang zu einer Firma erinnern. Ich musste lächeln als ich wieder an einen LKW voll PCs oder Flachbildschirme dachte.
Irgendwann begann der erste Vogel mit seinem Weckruf und ich nahm dies zum Anlass ebenfalls aufzustehen und die Nacht abzuhaken. Mit beginnendem Tageslicht baute ich das Nachtlager ab und startete in den neuen Tag. Gegen Mittag schmerzte mein Fuß wieder heftiger und ich beschloss eine kurze Rast zu machen. Gegessen hatte ich noch nichts aber dafür viel getrunken und immer wieder bei jeder Möglichkeit die Flaschen aufgefüllt. Schon wieder frischte der Wind auf und ich befürchtete bereits ein neues Gewitter als ich sah, dass die Wolkendecke immer mehr aufriss und der Sonne die Möglichkeit bot die Erde zu erwärmen. Verdammt, ich hatte vergessen zu zählen. Wann hatte ich zuletzt die Schritte gezählt? Vermutlich hatte ich es nach dem LKW ganz einfach vergessen. Das ärgerte mich nun ungemein und ich versuchte den zurückgelegten Weg abzuschätzen. Aber was sollte es auch. Es brachte sowieso nichts und ich hoffte nun wirklich nicht nochmals zurück zu müssen. Irgendwo musste es doch nun einen Ort an der Straße geben. Die Sonne verbreitete eine sehr angenehme Wärme und ich schätzte das es noch zwei Stunden bis zur Dämmerung sein würde als ich erstarrte. Ich hatte ein Geräusch gehört. Etwas was nicht von der Natur kommt sondern etwas anderes. Angespannt hörte ich in den Wald hinein und bemühte mich die Geräusche der Vögel und des Windes auszublenden. Nichts mehr. Hatte ich mich geirrt oder spielte mir meine Phantasie schon einen Streich. Ich wollte gerade weitergehen, da war es wieder. Ein Schlagen oder ein Wischen von großer Windströmung. Da wusste ich es, das Geräusch stammte von einem Windrad. Ja genau und wo Windräder stehen ist eine Ortschaft nicht weit. Voller Vorfreude nahm ich den Weg wieder in Angriff und bemerkte, dass sich das Gelände recht stark senkte. Natürlich, das war doch klar, Windräder standen doch immer auf dem höchsten Punkt in der Landschaft. Und dann gab der Wald die Sicht frei. Ich sank zu Boden und starrte auf das Bild das sich mir bot.