Читать книгу Eine Insel in 650m Höhe - Wolfgang Cremer - Страница 8
Das Paradies
ОглавлениеVor der Seite kommend war er fast noch schlechter zu erkennen als von der anderen Seite. Ob ich wieder mit dem Schritte zählen beginnen sollte, es würde mir zwar keinen Vorteil bringen und mich vielleicht sogar ablenken so das ich eine wichtige Stelle übersehen würde. Also nein, kein zählen. Diese Fahrspur ließ sich recht gut gehen und die Spalten waren meist so schmal das man sie gut überspringen konnte. Auch waren erheblich weniger Bäume umgestürzt als auf dem Weg gestern. Gleichwohl war der Wald hier sehr dicht und die Nadelbäume durchweg bis zum Boden grün und undurchsichtig. Es mochten vielleicht 45 Minuten auf dem Weg vergangen sein, als er unvermittelt nach rechts abbog und mäßig abfiel. Als ich die Kurve beendet hatte blieb ich wie angewurzelt stehen. Ein Ausblick wie man ihn in einem Urlaubsprospekt sehen könnte. Rechts spiegelt sich ein recht großer Weiher von bestimmt 200m Länge und auch gut und gerne 100m Breite in der Sonne. Ein Holzsteg reicht etwa 3-4 auf Pfählen gesetzt ins Wasser hinein und ein kleines Ruderboot ist am Steg festgebunden. Gerade vor mir ist ein Holzschuppen zu sehen der im vorderen Eingangsbereich von einer Aufwerfung beschädigt wurde und an der Seite scheinbar einzustürzen droht. Daneben aber auf einem festen Steinsockel eine Jagdhütte die bestimmt 6m im Quadrat sein mochte und über ein stabiles Ziegeldach verfügte auf dem sogar eine größere Solarzelle angebracht war. Vorne zum Weiher hin eine überdachte Terrasse von vielleicht 2,5m mit einem Aufgang aus schweren Holzdielen. Überhaupt scheint diese Hütte sehr massiv zu sein und ich kann auf dem ersten Blick auch keine Schäden erkennen. Hinter der Hütte ist über eine Länge von mindestens 25m Holzscheite 1m lang und bis zu 2m Höhe aufgestapelt und mit festen Planen vor Regen und Schnee geschützt. Es ist eine Art Garten zu sehen, jedenfalls hat hier einer umgegraben und die Stangen erinnern mich an Bohnenstöcke die meine Eltern früher im Garten stellten, damit sich die Pflanzen daran hochrankten. Es gab eine Wiese auf der mehrere größere Obstbäume standen und unzählige Sträucher die ich aus der Kindheit noch kannte. Himbeere, Johannisbeere, Stachelbeere glaubte ich zu erkennen. Auch die Bäume deckten den Obstbereich Birne, Apfel, Kirsche und Pflaume ab. Hier hatte sich jemand ein kleines Paradies geschaffen. Einen Ort der Ruhe und Erholung und vielleicht meine Rettung.
Ich umging das Blockhaus und prägte mir alles ein. Nur nach vorne war diese Terrasse sogar bestimmt zweieinhalb Meter breit. Ansonsten befand sich ein überdachter Gang von etwa einem Meter rund um das Haus. Vorne rechts neben der Türe gab es ein größeres Fenster von 1,5m2 das mit einem stabilen Fensterladen verschlossen war. Diese Läden kannte ich aus den Dolomiten. Die Hütten dort hatten auch diese Schutzvorrichtung. Es gab auf der linken Seite noch ein kleines Fenster von etwa 30cm Breite und 50cm Höhe und auf der Rückseite zur Wiese hin ebenfalls zwei dieser sehr kleinen Fenster. Aber auch diese Fenster waren durch diese massiven Verschläge geschützt. Die Türe war ebenfalls aus Holz und sah sehr stabil aus. Das Schloss war ein modernes Zylinderschloss und sicher nicht so einfach zu öffnen. Aber ich musste da hinein. Rucksack, Zelt und Matte hatte ich abgelegt und machte mich daran den Schuppen in Augenschein zu nehmen. Da hätten locker zwei PKW hineingepasst und der war sicher ebenso geschützt wie die Hütte. Die Verwerfung hatte jedoch den Boden genau an der Zugangstüre hochgehoben und dafür gesorgt, dass die Türe noch so gerade in den Halterungen hing. Das sollte machbar sein. An der hinteren Seite hatte der hochgehobene Boden zwar für eine extreme Verwindung der Schuppenwand geführt aber der Erbauer hatte gute Arbeit geleistet und es sah viel besser aus als beim ersten Eindruck. Ein Geräusch ließ mich herumfahren. Eine Schar von Enten hatte auf dem Weiher das schützende Schilf verlassen und setzte zu einem Flug an. Doch das alles konnte mich nicht beeinflussen. Irgendwo sollte es doch einen Stock geben den ich als Hebel nutzen konnte um die Türe ganz aus den Angeln zu heben. Ich suchte die Umgebung ab und bemerkte jetzt erst das sich dieses keine Paradies nahezu an drei Seiten durch einen sehr dichten Nadelwald versteckte aber an der vierten Seite ein Laubwald begann der relativ offen war. Endlich hatte ich einen schmalen Ast von mehr als zwei Meter gefunden den ich sofort ausprobierte. Ich konnte ihn so gerade unter der Türe schieben und zog mit aller Kraft nach oben. Es knarrte gewaltig aber die Türe bewegte sich kaum. Also nahm ich einige Holzscheite und legte diese rund einen halben Meter von der Türe weg, sodass ich einen Hebelarm setzen konnte. Nun brauchte ich nicht mehr heben sondern konnte mit meinem ganzen Gewicht nach unten drücken.
Krachend gab die Konstruktion nach und ich schlug mit dem Gesicht auf den Boden auf. Der Ast den ich als kraftvollen Hebel genutzt hatte war gebrochen aber als ich genau hinschaute war die Türe aus den Halterungen gehoben worden. Mit einiger Kraftanstrengung konnte ich sie nun herausnehmen und stellte sie an der Schuppenwand ab. Der Schuppen hatte kein Fenster und war entsprechend dunkel. Ich sah wieder Brennholz in großer Menge, eine Schubkarre, eine Aluleiter von etwa 3m und eine Werkbank mit zwei Leuchtstofflampen. Meine Verwunderung legte sich schnell als ich das Notstromgerät sah. Es war eine große Anzahl von Werkzeugen vorhanden. Alle was man für einen Garten braucht, Hacke, Spaten und Schaufel sowie Sägen in allen Variationen. Brecheisen in drei Größen, große Sägen mit denen man einen Baum erlegen könnte bis hin zu einem Fuchsschwanz für Feinarbeiten. Schraubendreher, Zangen und eine Vielzahl von Paketen mit vielen tausend Nägel, Schrauben aller Art und Größe und in einem Schrank befand sich sogar eine Bohrmaschine, eine Handkreissäge und eine Stichsäge. Alles schön sauber verpackt in den Originalkoffern der Herstellerfirmen. Eine Kabeltrommel mit mind. 50m Verlängerung, diverse Schläuche und eben alles war beim Bau einer solchen Hütte benötigt wird hatte der Besitzer hier gelassen. Ich schaute mir das Notstromgerät an. Es machte einen sehr sauberen Eindruck und dahinter sah ich zwei Kanister mit jeweils 10L Benzin. Es befand sich aber noch genügend Benzin im Tank des Gerätes und ich versuchte mein Glück. Nach dem 10. Versuch gab ich auf. Der Motor machte nicht die geringsten Anstalten anzuspringen.
Ich sah mir die Türe nochmals genauer an. Nein, aufhebeln würde keinesfalls gehen. Die Fenster bestens mit den Läden verschlossen verwerten ebenfalls den Eintritt. Das Dach. Ich schaute es mir genauer an. Es war mit Zementziegel gedeckt. Ich erinnerte mich an den klassischen Aufbau. Die Ziegel lagen auf Dachlatten die in einem Abstand von ungefähr 25cm verlegt waren. Dann kam eine Teerpappenschicht oder Folie und da drunter waren die Sparren in etwa 60cm Abstand. Dann vielleicht nochmals eine schützende Folie und je nach Komfort der Hütte nochmals eine Verkleidung aus Holz. Wenn ich also durchs Dach einsteigen wollte, ginge das, aber ich würde den Schaden eventuell nicht mehr reparieren können und ein undichtes Dach ist nicht gut. Das Schloss der Türe würde nur aufzubohren sein, dazu müsste dieser blöde Motor anspringen. Wenn man es schaffte, konnte man zwar nie mehr abschließen, aber das kümmerte mich nun wirklich nicht. Eine dritte Möglichkeit war das Sägen. Am Türboden war eine schmale Holzleiste angebracht die den unteren Türschlitz verbarg und wahrscheinlich dazu diente Wind und Regen abzuhalten. Diese war aber nur mit drei Schrauben am Boden verschraubt und sollte kein Problem sein. Wenn ich nun eine der flexiblen Stichsägen in den Türspalt drücken konnte, so konnte ich sicher auch mit der Säge in einem Bogen von der waagerechten in die Senkrechte gelangen und dann hoch sägen bis oberhalb vom Schloss. Dann wieder im Bogen nach links bis zum Türrahmen. Mit Sicherheit würde mit einem Vorschlaghammer das Restliche Holz abreißen und sich die Türe dann aufdrücken lassen. Die Türe wäre natürlich dauerhaft hinüber und könnte nicht mehr Wind und Regen fernhalten. Irgendwie fielen mir gerade die aus dem LKW mitgenommenen Zigaretten ein. Ich zündete mir eine an und versuchte den Rauch nicht auf Lunge zu ziehen sondern nur zu paffen. So saß ich in der Sonne und überlegt welche der drei Möglichkeiten die bessere wäre. Zweifelsohne das Aufbohren des Schließzylinders. Aber dafür musste ich diesen blöden Motor auf Gang bekommen. Ich setzte mir eine Zeit als Vorgabe. Ich wollte mit aller Kraft in diese Hütte, nein ich musste in diese Hütte. Vielleicht hing mein Leben von dieser Hütte ab.
Also für den Dacheinstieg oder das Türsägen würde man vielleicht jeweils eine Stunde benötigen. Es lohnte sich also allemal noch einmal an diesem Seilzugstarter zu ziehen. Das Gerät war auf einem kleinen Gestell montiert und verfügte über eine Hinterachse mit zwei Rädern. Ich nahm es nun vorne und zog es ins Freie, um mir das ganze Teil noch einmal genauer anzusehen als es in diesem Halbdunkel des Schuppens möglich gewesen war. Das Gerät sah so gepflegt aus das es eigentlich verwundern sollte, dass es solche Probleme mit dem Anspringen hätte. Mit Strom könnte ich vielleicht auch ein Loch unterhalb des Türschlosses bohren, so groß das ich das Sägeblatt der Stichsäge dort einsetzten könnte und so ganz bequem das Schloss aus der Türe aussägen. Natürlich hatte man dann in der Türe ein Loch so groß wie ein Eimer, aber ich hatte im Schuppen genügend Bretter und Holzplatten gesehen mit denen man dann die Öffnung wieder verschließen könnte. OK besser als das Dach beschädigen und so stand die Priorität fest.
1) Motor starten und wenn er anspringt das Schloss aufbohren.
2) Motor starten und wenn er anspringt das Schloss aussägen.
3) Der Motor springt nicht an, dann versuchen mit der Handstichsäge von unten her
das Schloss auszusägen und wenn das nicht geht dann eben durch das Dach.
In dieser Hütte schlafen zu können und das motivierte mich sehr. Richtig gut gelaunt ging ich zur Werkstatt und hatte alsbald auch Bohrer gefunden die nach guter Qualität aussahen. Ich nahm die Bohrer, die Kabeltrommel, einige Schraubendreher und die Bohrmaschine mit und legte alles vor der Hütte ab. Dabei schaute ich über den Teich und empfand wieder dieses Gefühl der Schönheit und Geborgenheit. Rechts am hinteren Ende gab es wohl eine kleine Lichtung die bis ans Wasser heranreichte. Hier standen ein kleiner Hirsch und drei Rehe die mich aufmerksam beobarteten. Mehrere Minuten lang bewegte sich keiner von uns, weder die Tiere noch ich. Jeder schaute den anderen an, unschlüssig was man von dem neuen Gegenüber halten sollte. Aber scheinbar hatten die vier bereits genug Wasser aufgenommen, jedenfalls bewegten sie sich und gingen ohne Panik und Furcht ruhigen Schrittes in den Nadelwald und waren außer Sicht. Ich rückte das Notstromgerät näher an die Hütte als wenn es völlig klar wäre das es nun beim ersten Zug anspringt und es nie anders war. Ich versuchte mich zu erinnern wie das denn mit meinem älteren Motorrasenmäher gewesen war. Die muckten doch auch manchmal oder sogar oft herum und sprangen schlecht an. Genau, die nächste Generation hatte dann einen Knopf den man drücken musste um irgendwie den Vergaser zu füllen oder so. Ich schaute an dem Gerät und konnte auf Anhieb einen dieser kleinen Gummischalter sehen, genauso einen wie ich ihn vom Rasenmäher in Erinnerung hatte. Den schwarzen Druckknopf von der Größe eines Cent hatte ich im Halbdunkel nicht gesehen. Hatte aber auch nicht daran gedacht. Wie war das noch, genau, es musste dreimal gedrückt werden und dann am Seilzug so stark wie möglich angezogen werden. Also einmal, zweimal, dreimal und mit voller Kraft den Seilzug ziehen.
Und wirklich der Motor hustet will anlaufen und geht aber wieder aus. Aber das ist der Weg. Ich warte einen Moment und wiederhole das Ganze. Der Motor wiederholt es genauso aber ich denke er hat etwas mehr gehustet als vorher. Also noch mal und dann wirklich bei dem berühmten dritten Versuch holpert und hustet er vor sich hin. Ich strahle ihn an und er belohnt mich in dem er nach wenigen Sekunden rund läuft. Schnell die Verlängerungstrommel eingesteckt und bis zur Tür getragen. Bohrmaschine eingesteckt und schon geht das Überlegen wieder los. Wie war denn das mit dem Schließzylinder. Nicht in das Schlüsselloch selbst durfte man Bohren sondern die Federstifte befanden sich ja unterhalb. 6mm Bohr aus Titan, jedenfalls in der Farbe wie Titan. Ich musste sehr aufpassen, ein Abbrechen des Bohrers und das Öffnen war Geschichte. Nein, 6mm das konnte nicht funktionieren. Nach kurzer Suche fand ich ein 2mm Bohr. Nun versuchte ich einen Mittelpunkt zu finden der die Bohröffnung so setzte, dass 1/3 der Bohrung im drehbaren Zylinderbereich und 2/3 im unteren Zylinderbereich sein würden. Mit geringer Drehzahl und wenig Druck setzte ich das Bohr auf den imaginären Mittelpunkt an. Erfreut sah ich das sich kleine Späne bildeten und versuchte möglichst ruhig zu halten. Wenig später schaltete ich ab und wechselte den Bohrer von 2 auf 6mm Größe. Ich setzte in die vorhandene 2mm Öffnung an und dass Bohr hatte genügend Stabilität ohne wegzurutschen. Mehrmals stoppt ich um den Bohrer abkühlen zu lassen. Bereits nach kurzer Zeit verspürte ich das das Bohr kurz hackte und dann ging es weiter. Richtig, das waren die Öffnungen der Stifte die ich nun durchbohrte. Nachdem ich etwa 40mm tief gebohrt hatte glaubte ich fertig zu sein. Ein Schlüssel war ja auch nicht länger. Ich tauschte die Bohrmaschine mit einem Schraubendreher den ich fest in die Schlüsselöffnung presste und versuchte zu drehen. Und wirklich, ich konnte drehen und drückte die Türklinke hinunter.