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Direkte Messung von Plattenbewegungen
ОглавлениеSeit den 1970er-Jahren versuchte man, Plattenbewegungen mit Satelliten-Laser-Radar (SLR) und mit Langstrecken-Interferometrie (Very Long Baseline Interferometry – VLBI) direkt zu messen. Beim SLR werden Radarpulse ausgesandt, die von Satelliten reflektiert und wieder aufgefangen werden. Abstände können auf diese Weise mit Zentimeter-Genauigkeit gemessen werden. Bei der VLBI verwendet man starke kosmische Radiostrahlung wie die charakteristischen Signalmuster von Quasaren (sehr weit entfernten Himmelskörpern, die „quasistellare Radioquellen“ darstellen – daher der Kurzname Quasar), die an verschiedenen Stationen der Erde aufgefangen werden. Aus den unterschiedlichen Ankunftszeiten der gleichen Signale kann man den Abstand der Stationen bis auf Millimeter-Genauigkeit ermitteln, wenn Messungen über Jahre hinaus durchgeführt werden. Diese insgesamt aufwendigen Techniken wurden in den 1990er-Jahren durch Messungen mit dem Globalen Positionierungs-System (Global Positioning System – GPS) verdrängt.
Die GPS-Technik ist preisgünstig, leicht handhabbar und von Wolkenbedeckung unabhängig. Messungen können inzwischen mit einer Genauigkeit von unter 1 mm durchgeführt werden. Die Basis für das GPS-System bilden 24 Satelliten. Das Prinzip beruht auf der Messung von Wellen und ihres Doppler-Effekts, da sich der Satellit gegenüber der Messstation am Boden bewegt. Die Messung erfolgt über mindestens drei, aber möglichst viele Satelliten gleichzeitig, wobei die exakte Synchronisierung des Messtakts entscheidend ist. Die Empfänger messen über zwei Wellenfrequenzen, um die Genauigkeit zu erhöhen. Um Fehler auszuschalten, werden Messwerte von zwei oder mehreren gleichzeitig arbeitenden Empfängern zusammengeführt (Methode der Interferometrie). Die Bahndaten der Satelliten müssen auf Dezimeter genau bekannt sein, die Zeitmessung erfolgt mit Milliardstelsekunden-Genauigkeit (eine Zeitspanne, in der Licht 30 cm zurücklegt). Außerdem müssen die Parameter der Erdrotation ständig mit hoher Präzision bestimmt werden. Die Pollage ist inzwischen mit einem Fehler von weniger als 10 mm bekannt.
Nach Aufbau eines globalen Referenzsystems war es möglich, bereits nach einer Messzeit von 2 Jahren Plattenbewegungen mit Millimeter-Genauigkeit zu bestimmen [Reigber & Gendt 1996]. Um die Bewegung einer Platte zu ermitteln, müssen mindestens drei Stationen auf der Platte installiert sein. Andererseits kann die Änderung des Abstands zwischen zwei Stationen, die auf verschiedenen Platten liegen, gemessen werden. Bei dem Vergleich der Relativbewegungen zwischen einer Station auf Hawaii bzw. einer anderen im Bayerischen Wald (Wettzell) und einer Anzahl von Messpunkten auf verschiedenen Platten ergaben sich erstaunlich gute Übereinstimmungen mit den Werten, die mit dem NUVEL-Modell errechnet wurden, aber auch einige signifikante Abweichungen (Abb. 2.13a).
Die Abweichungen betreffen zum Beispiel die Werte zwischen Hawaii und Punkten am Westrand der Nordamerikanischen Platte. In dem tektonisch komplizierten Gebiet entlang der Grenze zwischen Pazifischer und Nordamerikanischer Platte manifestiert sich junge einengende und dehnende Verformung durch Auffaltung und Beckenbildung. Dies führt zu individuellen Bewegungen kleiner Schollen, die nicht mit den Bewegungen der großen Platte, der sie angehören, konform gehen.
Drei Punkte, die alle auf der Pazifischen Platte liegen (Hawaii und Tahiti im offenen Pazifik, Kalifornien westlich der San-Andreas-Störung), sollten nach der strikten Definition der Platten keine Relativbewegung zueinander zeigen (NUVEL-Werte: 0 mm; Abb. 2.13a). Dennoch entfernen sich die beiden letztgenannten Punkte von Hawaii um Beträge von etlichen Millimetern pro Jahr. Dies lässt den Schluss zu, dass Platten auch intern einer gewissen Deformation unterliegen können, wie im vorhergehenden Kapitel aufgrund der Erdbebentätigkeit bereits festgestellt wurde. Die Bewegungsbeträge dieser „Intraplatten-Tektonik“ sind aber zumindest eine Größenordnung kleiner als jene an den Plattengrenzen. Auch östlich des Atlantiks wurden solche Intraplatten-Bewegungen festgestellt. Das Böhmische Massiv, in dem die Station Wettzell liegt, nähert sich Skandinavien um etwa 3 mm/J. an, obwohl beide Regionen auf der Eurasischen Platte liegen. Zwischen Wettzell und dem südlichen Afrika wäre Konvergenz zu erwarten, weil sich der alpinmediterrane Gebirgsgürtel weiterhin einengt (NUVEL-Berechnung: 8 mm Annäherung pro Jahr), die GPS-Daten zeigen aber eine leichte Auseinanderbewegung der beiden Punkte an. Dies lässt auf Dehnungserscheinungen im Mittelmeer oder auf dem afrikanischen Kontinent schließen.
Abb. 2.13: a) Änderungen der Streckenlängen, die mit Hilfe von GPSMessungen ermittelt wurden [Reigber & Gendt 1996]. Bezugspunkte sind Kokee Bay auf Hawaii (KOKB) und Wettzell im Bayerischen Wald (WETB). Die Messwerte (rote Zahlen, in mm/Jahr) umfassen den Zeitraum von Januar 1993 bis Mai 1995. Die mit NUVEL berechneten Werte sind zum Vergleich angegeben (blaue Zahlen in Klammern). Negative Werte bedeuten Annäherung zwischen den Messpunkten. b) Vergleich der absoluten Plattengeschwindigkeiten, die mit der GPSTechnik und NUVEL berechnet wurden [Reigber & Gendt 1996]. Die Längen der Pfeile drücken die Geschwindigkeiten aus. Nach Spektrum der Wis sen schaft 01/1996, S. 116/117.
Die Messung der absoluten Plattenbewegungen erfordert ein festes Koordinatensystem, das im Schwerpunkt der Erde zentriert ist und durch den geographischen Pol (z-Achse) und den Frühjahrspunkt der Ekliptik (x-Achse) bestimmt wird. Der direkte Vergleich der absoluten Plattenbewegungen, die mit GPS und mit NUVEL berechnet wurden, zeigt weitgehend sehr gute Übereinstimmung (Abb. 2.13b). Die Bewegungspfeile führen die NW- und NO-Drift der Kontinente zu beiden Seiten des Atlantiks vor Augen, wie dies am Beispiel des Heißen Flecks von Tristan da Cunha dargelegt wurde (Abb. 2.6). Ebenso kommen die rasche Auseinanderbewegung zwischen Pazifischer und Nazca-Platte und die zum Teil komplexen Konvergenzbewegungen entlang der Subduktionszonen im westlichen Pazifik zum Ausdruck.