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Der Oberrheingraben – klassisches Beispiel vor der Haustüre

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Der Oberrheingraben ist zwar nicht einer der größten und schon gar nicht einer der aktivsten Grabenbrüche, doch er ist zusammen mit dem Ostafrikanischen Grabenbruchsystem eine Art Typlokalität für Gräben. Nachdem schon thüringische Bergleute den Begriff „Graben“ für Schollen verwendeten, die an Störungen abgesenkt wurden, führte ihn Johann Ludwig Jordan [1803] in die geologische Literatur ein. Bereits 1841 stellte Élie de Beaumont fest, dass Vogesen und Schwarzwald eine breite Aufwölbung bilden, in deren Zentrum die Oberrhein-Ebene an zwei gegeneinander einfallenden Störungen eingesenkt ist. Endgültigen Eingang in die Fachliteratur und weltweite Anwendung fand der Begriff „Graben“ mit dem Standardwerk „Das Antlitz der Erde“ von Eduard Suess [1885 – 1909]. Seither wurde dieser deutsche Ausdruck auch in die internationale Fachsprache übernommen. Er ist ein definierter Fachausdruck für die lang gestreckten Dehnungszonen in der Erdkruste und darf daher keinesfalls für die Tiefseerinnen an destruktiven Plattengrenzen verwendet werden. Der veraltete Begriff „Tiefseegraben“ entstammt einer Zeit, zu der man die wahre Entstehung und Bedeutung der Tiefseerinnen nicht kannte (s. Kap. 7).

Der Oberrheingraben erstreckt sich von Basel bis Frankfurt über 300 km und stellt nur einen Abschnitt in einem größeren Bruchsystem dar, das von der Rhônemündung bis in die Nordsee zieht (Abb. 3.5). Er weist parallel verlaufende Randstörungen und eine ziemlich konstante Breite von etwa 36 km auf. Die begrenzenden Störungen fallen nahe der Oberfläche zwischen 55 und 85°, meist aber zwischen 60 und 65° zur Grabenmitte hin ein, gegen die Tiefe werden sie meist etwas flacher. Die Dehnung quer zum Graben beträgt knapp 5 km [Illies 1974]. Die Krustenausdünnung beträgt maximal etwa 6 – 7 km: Um den Kaiserstuhl im Südteil des Grabens ist die Krustendicke bis auf 24 km verringert (Abb. 3.6, 3.7). Der Graben befindet sich in der Achse einer längs gestreckten Aufwölbung, die ihren Ausdruck in den Grabenschultern findet. Die Grabenschultern neigen sich mit 2 – 4° vom Graben weg, fallen aber zum Graben hin infolge der abschiebenden Grabenrandstörungen wesentlich steiler ab. Die Grabenränder sind durch Bruchstaffeln geprägt, so dass eine Grabenrandzone entstand, in der über dem metamorphen Sockel noch Reste der ursprünglichen Sedimentauflage erhalten sind, die auf den Grabenschultern gänzlich der Erosion zum Opfer gefallen ist (Abb. 3.6).


Abb. 3.6: Blockbild des Oberrheingrabens. Im Bereich des Kaiserstuhls, eines miozänen Vulkans, ist die Kruste am dünnsten. Während die obere Kruste durch abschiebende Brüche gekennzeichnet ist, wird die tiefere Kruste duktil (durch plastische, bruchlose Verformung) gedehnt.


Abb. 3.7: Hebungs- und Senkungsbeträge der Grabenschultern und des Grabeninneren. Die farbigen Bereiche zeigen die Höhenbzw. Tiefenlage der Erosionsfläche an (in Metern über bzw. unter dem Meeresspiegel), die vor der Grabenbildung im frühen Tertiär entstand. Die grünen Linien geben die Tiefenlage der Krustenbasis (Moho) in Kilometern unter dem Meeresspiegel wieder.


Abb. 3.8: Entwicklungsgeschichte des südlichen Oberrheingrabens im Bereich des Kaiserstuhls [Schreiner 1977].

Die heutigen Erdbebenherde liegen fast durchwegs in weniger als 15 km Tiefe. Dies deutet darauf hin, dass die bruchhaften Störungen in dieser Tiefe ausklingen, darunter werden die Krustengesteine duktil und somit bruchlos verformt. Duktile Verformung von quarzreichen Gesteinen (die meisten Gesteine der kontinentalen Ober- und Mittelkruste sind quarzreich) setzt ab ca. 300 °C ein, weil Quarz dann auf Beanspruchung durch plastische Verformung reagiert. Seismische Daten weisen darauf hin, dass die untere Kruste unter dem Oberrheingraben eine horizontale Schichtung aufweist, die als ein Ausdruck plastischen Auseinanderfließens gewertet wird [Illies 1974].

Seismische und Schweredaten zeigen, dass im Erdmantel unterhalb der Krustenbasis eine Anomalie aus Gesteinen mit relativ geringer Dichte besteht. Dies sind heiße und vermutlich teils geschmolzene Mantelgesteine, die aufgrund ihrer geringeren Dichte aufsteigen und letztlich den Vulkanismus, der mit der Grabenbildung zusammenhängt, speisen. Dies deutet auf das Bestehen eines Mantelkissens hin, das für die Aufwölbung der Kruste verantwortlich ist (Abb. 3.6).

Die Bildung des Grabens mit den ersten Dehnungsbrüchen und einem damit verbundenen Vulkanismus beginnt vor etwa 45 M. J. im Eozän, als die ersten Sedimente auf der sich einsenkenden Grabenscholle abgelagert wurden. Dehnende Kräfte quer zur Grabenachse ermöglichten das Öffnen des Grabens.

Die Aufwölbung an der Oberfläche spannt heute mehr als 200 km quer zur Grabenachse. Die Hebung der Grabenschultern ist unterschiedlich und beträgt im Süden des Grabens mehr als 2 km. Die vor-tertiäre Einebnungsfläche, die hier inzwischen erodiert ist, würde im Bereich des Feldbergs (südlicher Schwarzwald) und des Großen Belchens (südliche Vogesen) heute auf über 2500 m über dem Meer liegen (Abb. 3.7). Im Südteil des Grabens ist auch die Sprunghöhe, d. h. die vertikale Versetzung zwischen Grabenschultern und Grabentiefstem am höchsten. Sie beträgt ca. 5 km, während sie im Nordteil des Grabens noch 4 km übersteigt. Im Nordteil sind die Grabenschultern aber kaum ausgeprägt, dafür ist die Eintiefung des Grabens insgesamt größer. Die tertiäre Sedimentfüllung ist hier bis über 3 km mächtig. Dadurch ergibt sich ein deutlicher topographischer Gradient des Grabens parallel zu seiner Längsachse. Wie weiter unten ausgeführt wird, erfolgte die Einsenkung im Nordteil des Grabens deutlich später als im Südteil.

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