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Die Geschichte des Oberrheingrabens
ОглавлениеDer Oberrheingraben ist mit fast 20 000 km3 an tertiären Sedimenten aufgefüllt [Roll 1979]. Diese sind vielfach Abtragungsgesteine aus dem Bereich der Grabenschultern. An den Rändern des Grabens finden sich daher oft grobe klastische Ablagerungen wie Konglomerate oder unreife Sandsteine, während gegen die Grabenmitte hin feinere klastische Sedimente wie Siltsteine oder Tonsteine, aber auch Kalke, Dolomite und Mergel sowie Eindampfungssedimente (Salze) auftreten. Marine Ingressionen schufen zeitweise vollsalinare Verhältnisse, die durch Süßwassereintrag über Flüsse immer wieder in brackische oder durch Abschnürung des Meeresbeckens unter warmem Klima und begrenzter Süßwasserzufuhr in übersalzene Bedingungen übergingen. Im letztgenannten Fall wurde das Wasser durch Eindampfung an Salzen übersättigt, und es kam zur Ausfällung von Gips, Anhydrit, Steinsalz oder den wertvollen Kalisalzen. Die Kalisalze sind in Wasser besonders leicht löslich und werden daher erst bei starker Konzentration, also in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Eindampfung, ausgefällt. Wegen der geringen Dichte und der hohen Mobilität der Eindampfungssedimente stiegen diese, nachdem sie von dichteren Gesteinen überlagert worden waren, als Diapire auf. Manche Diapire reichen heute bis nahe an die Oberfläche und stehen mit quartären Schichten in Kontakt.
Die Heraushebung der Schultern setzte im Südteil des Grabens im Eozän ein (Abb. 3.8). Zu dieser Zeit herrschten Gerölle des Oberjuras in den Konglomeraten am Grabenrand vor, Gesteine des Mittleren Juras waren noch selten. Oberjura-Sedimente bildeten die höchste Schichtgruppe der Sedimentauflage des Schwarzwalds und der Vogesen. Im Eozän entstand bereits eine Sprunghöhe von über 1000 m zwischen Graben und Schultern. Im Unteroligozän überwiegen dann Gerölle aus Schichten des Mittleren Juras, auch ältere Gesteine treten in den Konglomeraten bereits auf. Dies zeigt die allmählich tiefer greifende Erosion an den Grabenschultern an, die zunehmend gehoben wurden. Das Relief nahm zu, so dass es zu wildbachartigen Ablagerungen kam.
Der Einbruch des Grabens führte zu den erwähnten marinen Ingressionen, die sowohl von Süden als auch von Norden her erfolgten. Im Obereozän griff das Meer für kurze Zeit von der Molassezone der Schweizer Alpen im Süden ein. In der Folge kam es zu ersten Salzablagerungen. Auch im Oligozän gab es marine und brackische Episoden. Eindampfungssedimente bildeten sich in zwei Horizonten im Unteroligozän, sie schließen die Kalisalze mit ein. Zeitweise bestand im Oligozän eine Meeresverbindung von der Molassezone über den Oberrheingraben und die Hessische Senke bis in das vergrößerte Nordseebecken in Norddeutschland, was zu einer einheitlichen, wenig differenzierten Sedimentation im Graben führte. Während der Verbindung zur alpinen Molassezone wurden Sedimente aus den aufsteigenden Alpen durch Strömungen bis in den südlichen Grabenbereich verfrachtet [Kuhlemann et al. 1999]. Die Konglomeratschüttungen nahmen zu dieser Zeit von den Schultern her ab, was auf eine Verringerung der Grabenaktivität und des Reliefs hinweist. Im Oberoligozän klang im südlichen Teil des Grabens die Absenkung allmählich aus, während sich weiter nördlich ausgedehnte Süßwasserseen bildeten.
Bevor der Graben endgültig verlandete, griff das Meer im Untermiozän ein letztes Mal von der Niederrheinischen Bucht her ein, die sich nun als neuer Zweig des Riftsystems etablierte (Abb. 3.5). In der südlichen Hälfte des Oberrheingrabens, wo sich im Miozän der Vulkan des Kaiserstuhls bildete, fehlen jungtertiäre Schichten vollständig. Dies zeigt, dass sich die Absenkung nach einer Ruheperiode vom Südteil auf den Nordteil verlagert hatte, was sich in den unterschiedlichen Sedimentmächtigkeiten widerspiegelt (Abb. 3.9). Im höheren Miozän und Unterpliozän kam es allerdings im ganzen Grabenbereich zur Unterbrechung der Sedimentation und teilweisen Abtragung, was auf eine generelle Hebung des gesamten Gebiets zu dieser Zeit hinweist. Die Sedimente des Oberpliozäns stellen vorwiegend Flussablagerungen dar, die nur in der nördlichen Hälfte des Grabens abgelagert wurden. Das heutige Flussnetz bildete sich nun allmählich heraus. Südlich des Kaiserstuhls ging die Entwässerung zunächst nach Süden, zur Rhône hin. Der Rhein vergrößerte sein Einzugsgebiet im Lauf des Pliozäns und des Quartärs auf Kosten von Donau und Rhône. Die Schultern im südlichen Teil des Grabensystems stiegen allmählich zur heutigen Höhe auf. Quartäre Sedimente erreichen bei Freiburg und Mannheim noch Mächtigkeiten von über 200 m, was zusammen mit der aktuellen Bebentätigkeit (z.B. bei Freiburg am 5.12.2004) auf anhaltende tektonische Aktivität hinweist.
Abb. 3.9: Sedimentmächtigkeiten im Oberrheingraben in einem Schnitt parallel zur Achse des Grabens [Pflug 1982]. Die unterschiedlichen Sedimentmächtigkeiten zeigen, dass der Einbruch des Grabens im Südteil im älteren Tertiär erfolgte, im Nordteil hingegen vor allem im jüngeren Tertiär.
Der Oberrheingraben im mitteleuropäischen Spannungsfeld
Die heutigen Dehnungskräfte stehen im Oberrheingraben schräg (SWNO oder genauer in Azimutrichtung 050 – 060°) und nicht senkrecht zur Grabenachse. Entsprechend verläuft die Hauptdruckspannung nicht parallel, sondern schräg zur Grabenachse (NWSO oder 140 – 150°; Abb. 3.10). Bei der Entstehung des Grabens standen die Dehnungskräfte jedoch senkrecht zum Graben. Durch die Gegenuhrzeigersinn-Drehung des Spannungsfeldes im Verlauf der Grabenentwicklung entstand im jüngeren Tertiär eine linksseitenverschiebende Komponente, die die abschiebenden Störungsbewegungen überprägte. Somit wanderten Vogesen und Schwarzwald nicht nur auseinander, sondern die Vogesen bewegten sich auch parallel zum Graben nach Süden, relativ zum Schwarzwald gesehen (Abb. 3.10). Die gesamte Seitenverschiebung im Oberrheingraben ist aber gering. Seitenverschiebende Bewegungen im Zusammenhang mit einem Grabenbruchsystem sind nicht selten, weil das Spannungsfeld rotierte oder die Kruste an Schwächezonen brach, die nicht senkrecht auf die Hauptdehnungsrichtung standen. Eine bei weitem dominierende linksseitenverschiebende Komponente findet sich im Jordan-Grabenbruch (Kap. 8).
Die nördliche Fortsetzung des Oberrheingrabens verläuft in der Niederrheinischen Bucht (Abb. 3.10). Unter ihr befindet sich aber keine Mantelaufwölbung, auch sind dort keine Grabenschultern ausgebildet. Das Grabensystem hat keine konstante Breite, sondern öffnet sich nach NW hin. Die dehnenden Spannungen verlaufen seit Bildung der Niederrheinischen Bucht im frühen Miozän senkrecht auf diesen Graben, der somit bereits das neue Spannungsfeld anzeigt, das den Oberrheingraben überprägt hat. Die fehlende Mantelaufwölbung zeigt an, dass es sich hier um ein passives Riftsegment handelt. Der aktive Teil wäre demnach vor allem der südliche Oberrheingraben mit seinem unterlagernden Kissen, das für die Aufwölbung verantwortlich ist.
Die südliche Fortsetzung des Oberrheingrabens, der Bresse-Graben, findet sich rund 120 km weiter im Westen (Abb. 3.11). Die Absenkung ist hier ähnlich wie im südlichen Oberrheingraben seit dem frühen Miozän gewichen. Oberrhein- und Bresse-Graben, der nach Süden in den Rhônegraben übergeht, sind nur scheinbar gegeneinander verschoben. Tatsächlich verweilen die beiden Grabenabschnitte aber seit ihrer Entstehung unverändert in gleicher Distanz zueinander. Die Situation entspricht der einer Transformstörung, obwohl eine solche Störung nicht als scharfe Bruchlinie ausgebildet ist. Vielmehr wird die Riftstruktur über ein komplexes System meist WO oder SW-NO streichender Störungen vom Oberrheingraben in den Bresse-Graben transformiert (Abb. 3.11). Die Transformzone führt insgesamt eine linksseitenverschiebende Bewegung aus.
Abb. 3.10: Oberrheingraben und Niederrheinische Bucht mit den Richtungen der heute vorherrschenden horizontalen Hauptdruckspannungen (rote Pfeile) [Blundell et al. 1992]. Die Änderung des Spannungsfeldes vom älteren zum jüngeren Tertiär ist in den beiden schematischen Diagrammen dargestellt. Das ältere Spannungsfeld führte zur Bildung des Oberrheingrabens, das jüngere zur Bildung des Grabens der Niederrheinischen Bucht und zu linksseitenverschiebenden Bewegungen im Oberrheingraben. Die mit der Grabenbildung in Zusammenhang stehenden Vulkane sind grün dargestellt.
Abb. 3.11: Übergang vom Oberrheingraben in den Bresse-Graben durch ein Bündel von Störungen, die insgesamt die Position einer Transformstörung einnehmen. Das Prinzip der Verbindungsstruktur zwischen den beiden Grabenabschnitten ist im Kästchen dargestellt. Der Abstand der Grabenachsen blieb im Lauf der Zeit unverändert.