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Was kommt jetzt?

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Asta musste niemand etwas befehlen. Auch ein erhobener Zeigefinger war nicht notwendig.

Frauchen und Herrchen unterhielten sich einfach mit ihr. Und sie reagierte. Sie trippelte zur Tür der Stube, betätigte mit der Pfote die Klinke und ließ die Katze herein, wenn es notwendig war. Sie trug Einkaufstüten, beschützte die Hühner, weckte mit kleinen Stupsern das Frauchen, wenn es abends beim Lesen im bequemen Sessel eingeschlafen war. Asta war eine korpulente Mischlingshündin. Sie kam als Welpe zu dem älteren Ehepaar und wurde gemeinsam mit ihm alt und älter. Die drei bewohnten ein winziges Häuschen in der Einsamkeit des Bayerischen Waldes. Stube, Speisekammer, Schlafzimmer, Stall und Stadel.

Sie waren von morgens bis abends beisammen. Sie aßen gemeinsam, schliefen in einem Zimmer, gingen miteinander spazieren. Wenn es etwas zu feiern gab, freute sich auch der Hund, wenn einer traurig war, lag sein Kopf auf dessen Knie, und in seinen Augen lag der Trost von tausend Jahren. Ich weiß nicht mehr, wer von den dreien als erster gestorben ist, aber ich bin sicher, dass sie kurz hintereinander gingen, weil keiner ohne den anderen auf Dauer hätte sein können.

30 Jahre später. Wir sind selber wieder auf den Hund gekommen. Dackeldame Rocca lebt seit sechs Jahren bei uns. Ähnlich wie bei Asta verheißt auch ihr Blick Nibelungentreue bis ans Ende der Tage. Sie beherrscht das gesamte Einmaleins des Gehorsams perfekt, hat die Jägerprüfung mit Bravour bestanden. Schön und reizend wie sie ist, füllt sie allein mehrere Fotoalben. Und wenn sie sich auf den Rücken fallen lässt und alle vier Beinchen von sich streckt, kann kein gewöhnlicher Mensch dem Kraulreflex widerstehen und schließt sie sofort ins Herz. Nur: Wenn es der Dackeldame gerade nicht passt, verschlingt sie die Hand, die sich ihr entgegenstreckt. Wenn im Umkreis von 300 Kilometern auch nur ein einziges Wildtier versteckt ist, schert sie sich nicht die Bohne um irgendwelche Anweisungen von Frauchen oder Herrchen. Und die Zeiten sind noch nicht lange vorbei, als sie im Übereifer das gesamte Mobiliar in erreichbarer Höhe zerlegte. Und dann kam jener Nachmittag um Weihnachten.

Der Hund und ich waren allein zu Hause. Ich beschloss, meine Schwester zu besuchen.

Hundehalter kennen diesen Blick: Eine Mischung aus Verbitterung und purer Verachtung. Aber ich ließ mich nicht erweichen. Der Dackel blieb daheim. Meine Schwester und ich ratschten, lachten, tranken Kaffee. Irgendwann klingelte das Telefon bei ihr. Sie ging ran, Stille. Sie wirkte verwirrt, als sie mir den Hörer in die Hand drückte: „Das ist eure Nummer auf dem Display.“ Jetzt war ich es, der mit einem fragilen Gesichtsausdruck „Hallo!“ sagte.

Die Reaktion am anderen Ende der Leitung war keineswegs dazu angetan, die Situation in eine plausible Bahn zu lenken: „Wuff, wuff, wuff!“ Mir fiel nichts Besseres ein, als erneut „Hallo“ zu sagen, mit einem sehr langem „o“ und ganz vielen Fragezeichen im Hirn. Die Reaktion blieb dieselbe: „Wuff, wuff, wuff!“ Ich legte auf und schaute vermutlich in dem Moment drein, als hätte mich im selben Moment ein Blitz getroffen und mir ein Außerirdischer eine Watschen verpasst.

Und wissen Sie was? Ich habe noch immer keinen Schimmer, wie es dem Hund gelungen war, mit mir zu telefonieren. Geschweige denn, was er eigentlich von mir wollte. Meine Nachforschungen verliefen im Sande. Es bleibt ein Geheimnis. Aber ich gehe nun davon aus, dass dieser völlig unberechenbare Dackel sogar noch fähiger als die selige Asta ist. Bleibt die bange Frage: Was kommt als nächstes?

Zwischen Gras und Wolken

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