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Sagt mir, wo die Hühner sind –

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der Vogelgrippeblues

Ich wollte einen Presssack. Ich bekam einen Aufruhr. So vergaß ich alles. Und ging mit einer Salami. So war das an jenem Samstag in der Metzgerei.

Es ging zu wie auf dem Petersplatz, wenn’s zum Segen auch noch Freibier gibt. Wie es sich gehört für eine gute Dorfmetzgerei am Samstag Vormittag. Ans Senfregal gedrückt, fand ich einen Platz zum Ruhen. Da spürte ich es, das Knistern in der Luft, ein Zittern: Aufruhr! Die Menge war eins in ihrem leisen Schrei nach Freiheit, und eine ältere Bäuerin gab die Losung aus: „Die Hühner einsperren, niemals! Vorher bringe ich alle um.“ Alle nickten. Ich auch. Einmal. Dann blieb mein Blick beschämt am Boden. Unsere Hühner waren schon drin, schon einen Tag nach dem Erlass von Oben. Schlimm: Es riecht nach Freiheit und Anarchie und man steht selber mittendrin als obrigkeitshöriger, ängstlicher Anpassungsspießer. Deshalb Salami und schneller Abgang.

Aber was blieb nach einer Woche vom Kampf um die Freiheit des Federviehs? Wo sind die Hühner geblieben? Alle eingesperrt oder tiefgefroren, auf jeden Fall abgeschottet von ihren vogelwilden Verwandten, die Tod und Verderben einfliegen könnten. Verraten von Denunzianten und mit Strafe bedroht, gaben auch die mutigsten Freiland-Hühnerfreunde auf.

Und jetzt? Kein Laut, nirgends. Kein Hahnschrei, der den Tag vom Joch der Nacht befreit. Verschwunden sind die gackernden Farbtupfer im Herbstlaub. Und die fetten Flugenten, die unkontrolliert wie besoffene Pershings durch den Luftraum fetzten, sitzen fest im Geflügel-Hangar oder hängen im Kühlraum. Auch den Chicken-Run gibt’s nirgends mehr: Die Mutprobe der wildesten Hühner, die im Graben auf Autos warten und im letzten Moment auf die Straße stürzen. Die Besten überquerten die Straße und kehrten exakt in dem Moment wieder um, wenn der Autofahrer glaubte, sie seien außer Gefahr. Alles vorbei. In diese freudlose Welt kann jetzt genau so gut der Nebel kommen, der Winter und die Lohnsteuererklärung.

Doch die Unterdrückung unserer gefiederten Freunde wird nicht ohne Folgen bleiben. Prophezeiten nicht schon die Indianer: Erst wenn das letzte Huhn gerupft ist, werdet ihr merken, dass Kaiserschmarrn ohne Eier eine trostlose Pampe ist. Aber ihr wolltet es ja so haben. Und es wird nirgends mehr ein selbstloses Huhn geben, das diesen Bampf aufpickt.

Zwischen Gras und Wolken

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