Читать книгу 360° um die Welt - Wolfgang Machreich - Страница 46
ОглавлениеIslamische Republik Afghanistan
Berühmt, berüchtigt, beneidet für:
Im Bamiyan-Tal, auf 2500 Meter Höhe, lebten bis zum 10. Jahrhundert Tausende buddhistische Mönche. Nach der Taliban-Sprengung der beiden riesigen Buddha-Statuen 2001 ist es das Symbol für den Krieg und die Zerstörung in Afghanistan.
Fläche: | 652.864 Quadratkilometer, etwas größer als Frankreich |
Einwohner: | 34.124.811, gut die Hälfte von Frankreich |
Schach
Afghanistan ist ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen. Doch wer glaubt das noch? Nach so vielen Jahren Krieg? Nach so vielen Toten? Wer kann sie noch zählen, die Kriegsjahre, die Toten? Präsident Ashraf Ghani rechnete im Januar 2019 vor, dass seit Beginn seiner Amtszeit Ende 2014 über 45.000 Polizisten und Soldaten getötet wurden. „Vergangenen Sommer hatten wir teils 200 bis 300 Tote am Tag“, sagte der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta: „Wir können uns das nicht mehr leisten, keine Seite des Konflikts.“ Einer der Toten war sein Neffe, erzählte der Außenminister der dpa-Korrespondentin Veronika Eschbacher: 17 Jahre jung. Um in die Polizei einzutreten, fälschte er seine Geburtsurkunde. Nach einwöchiger Ausbildung kam er auf einen Kontrollposten. Vier Tage dauerte sein Einsatz, dann stürmten Taliban-Kämpfer den Posten, sechs Tote. Sein Neffe war das 13. Familienmitglied, das Spanta seit 15 Jahren Krieg verloren hat.
Afghanistan, Schachbrett der Weltpolitik
Zerstörte Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal
„Dieses Buch könnte leicht einen falschen Eindruck erwecken“, schrieb der österreichische Reiseschriftsteller Herbert Tichy, in „Afghanistan. Tor nach Indien“, erschienen 1940: „Es behandelt die Geschichte und Politik des Landes und nicht das gewöhnliche Leben. Geschichte ist Krieg, Grausamkeit und Heldentum, das alltägliche Afghanistan aber ist jenes kleine Dorf, das in einem tief eingeschnittenen Tal dahin träumt. Hohe Berge umgeben es, sie sind kahl und vegetationslos, die Natur aber hat sie mit den herrlichsten Farbtönen gemalt. (…) In den Pappeln, die der Ortschaft während der Tageshitze Schatten und Kühle spenden, rauscht leise der Wind – das ist Afghanistan, das wirkliche Afghanistan.“ 1935 durchquerte Tichy Afghanistan allein mit dem Motorrad. Und seine Unterscheidung zwischen dem Afghanistan der großen Politik und dem des kleinen alltäglichen Lebens stimmt; gleichzeitig beeinflusst eines das andere. Nicht umsonst nannten seine Journalisten-Kollegen Afghanistan damals schon das „Land des plötzlichen Todes“.
Afghanistan-Kenner Ulrich Ladurner schreibt in seinem Buch „Eine Nacht in Kabul“: „Die Geschichte hatte den Afghanen diese Lektionen erteilt. Ihr Land war immer die Bühne für ein größeres Stück gewesen. Es war das Schachbrett, auf dem die Giganten der Welt ihre Kräfte maßen.“ Und welcher Schachzug ist der nächste? Irritierend sei die Anbiederung der Nicht-Taliban an die Taliban gewesen, berichtete Außenminister Spanta: „Ich hatte das Gefühl, dass jeder versuchte, sich als süßer Freund und Verbündeter der Taliban darzustellen.“ Auch von internationaler Seite gebe es einen wahren Wettlauf, wer sich mit den Taliban trifft. Heißt das: Zurück an den Start? Der König ist tot, es lebe der König! „Er mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn!“ Wie der nächste Schachzug auch ausfällt, es wird für die Zukunft das gelten, was Ladurner über die Vergangenheit schrieb: „Wer Streit hatte, der trug ihn häufig hier aus, auf dem Rücken der Afghanen.“