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7.

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Nach dem Essen, allesamt Knödel und Tiefkühl-Pilzmischung im Bauch, kommt jeder nur zu gerne seiner Verpflichtung nach, die anderen in Ruhe zu lassen. Werner Antl ist mit seinen Bildschirmen beschäftigt, nickt dabei kurz ein, Marina ringt sich eine Einheit Yoga in der Dienstwohnung ab. Robert Anker wäscht und poliert sein Aufguss-Werkzeug und denkt über Temperaturen nach; das ist es tatsächlich, was ihn einen Großteil seiner Zeit beschäftigt: Temperaturen – nicht eine oder die Temperatur, sondern alle möglichen. Die finnische Sauna ist leer, bis auf András, der unter die Bank kriecht, um seine Kamera zu positionieren und dabei einen Schlüssel findet, der gestern noch nicht da war. Fred schläft. Bella trinkt Kaffee, nachdem sie Piratenhut und Augenklappe in den Mistkübel gestopft hat. Susi löst Kreuzworträtsel, und Koch Willi beobachtet sie heimlich dabei. Georg und Grant schlafen noch immer; zwei, drei Unbeteiligte blättern an der Schank in alten Illustrierten, und zwei weitere knallen abwechselnd Spielkarten auf eine Tischplatte.

Rose Antl ist abgetaucht, ab durch die Gänge, hat Türen geöffnet und wieder versperrt und raus durch den Hinterausgang. Sie atmet auf, auch wenn der Geruch von Chlor sich längst in ihre Kleidung und in die Haare gefressen hat. Hier unten, in einem schmalen Hof, den sie mit ein paar Mülltonnen teilt, hat sie vor ein paar Wochen ihr Versteck eingerichtet, hat einen weißen Plastiksessel hingestellt, auf dem sie im Schatten des Hallenbads sitzt und raucht und wie eine Wilde ihr Mobiltelefon bearbeitet. Es läutet, sie drückt drauf, hält das Telefon an ihr Ohr und beginnt zu flüstern.


András sitzt auf einem der orangen Sofas in der Eingangshalle und dreht den Schlüssel, den er zuvor in der finnischen Sauna unter den Sitzbänken ganz hinten bei der Wand gefunden hat, zwischen den Fingern hin und her. Ein herkömmlicher Schlüssel, an einem Ring ein kleines Metallschild mit der Nummer 25; der Schlüssel zu einem Hallenbadkästchen. Und auch wenn András bis auf seine Saunakamera so ziemlich alles hier drinnen ziemlich egal ist, und er auf die alten Legenden nichts gibt, so weiß er, dass es nur der Schlüssel sein kann, der eine, Kästchen 25, seit Jahren verschwunden, das Kästchen versperrt und auch mit äußerster Gewalt nicht aufzukriegen. András hat ihn jetzt – den Schlüssel. Er wird ihn benutzen, bald schon.


Zwei Uhr nachmittags ist es mit der Ruhe vorbei: Babyschwimmen. Im allgemeinen Gebrüll läuft Fred planlos mit dem Schlauch durchs Bild, und hinter dem Kantinenfenster hält sich Susi mit beiden Händen die Ohren zu. Willi findet das befremdlich, würde ihr gerne über den halb nackten Rücken streicheln, muss aber zurück hinter den Küchenvorhang, um literweise Brei zu kochen. Eine Idee, die ihm eines Nachts gekommen ist und die ihm anfangs wenig Begeisterung und sogar den Zorn Unbeteiligter einbrachte. Jetzt aber verdankt Bella an Babyschwimm-Tagen ihren Reichtum, wie sie sagt, Willis Brei und nicht den Mittagsmenüs, abgesehen natürlich von der Bier-Flut der Marke Georg, Grant oder X-Y – die Schecks jedoch nicht immer gedeckt.

Also dürfen über Babyschwimm-Tage sowohl in der Kantine als auch im Hallenbad keine abschätzigen Bemerkungen fallen – es ist zeitweise zwar die Hölle, aber es funktioniert. Und sie haben noch etwas Gutes, das denkt vor allem Fred: Sie vertreiben den alten Nazi aus dem Bad, denn gegen Babys kommt das Böse nicht an. Ganz aber gibt er nicht auf, der zähe alte Sack, sitzt in der Umkleidekabine oder in der Eingangshalle herum und liest in zweifelhaften Geschichtsbüchern. Heute sitzt er in der Umkleidekabine, und plötzlich steht András vor ihm – in der Hand den Schlüssel mit der Nummer 25, bereits in Aufsperr-Position. Der alte Nazi sieht von seinem Buch auf und fragt: »Was gibt’s, junger Mann?« – »Kontrollgang«, murmelt András und steckt den Schlüssel schnell in die Tasche seiner Arbeitsweste.

Gerade rechtzeitig, denn über den Bildschirm zu Kamera 5 ist Werner soeben die seltene Szene zwischen dem alten Nazi und András aufgefallen, und hätte er den Schlüssel gesehen, dann hätte er ihn zwar nicht als solchen erkennen können, wäre der Sache aber vielleicht nachgegangen, und das hätte wieder eine neue Spirale an Ereignissen ausgelöst. Denn eines steht fest: Werner ist nicht der Einzige, der so einiges dafür geben würde, an diesen Schlüssel und hinter die Tür zu Kästchen 25 zu kommen.

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