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Das Hallenbad

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Das Hallenbad – ein Prachtbau von einem Betonklotz

Heuer begeht das Hallenbad am 13. März sein 29-jähriges Bestehen. Das soll mit einem Fest gefeiert werden – ein Probelauf für das große Fest zum 30. Jubiläum im kommenden Jahr. Wenn das Hallenbad dann überhaupt noch geöffnet haben wird; wenn es dann überhaupt noch steht.

Die goldenen Zeiten (die 1970er) sind lange vorüber, die 80er (ebenso golden für Hallenbäder) ebenfalls. Am Montag, dem 14. April 1986, übernahm das Ehepaar Antl offiziell die Geschäftsführung (voller Träume und großer Pläne). Die 90er waren bereits schwieriger – die meisten Menschen hatten schön langsam Besseres zu tun; die anderen verliebten sich in die Thermalbäder, das Ehepaar Antl blieb seinen Träumen und großen Plänen treu.

Heute kann man es nicht mehr genau sagen. Keiner weiß so recht, wie die 2000er einzuschätzen sind. Immerhin: Zum sogenannten Millennium ging die Welt nicht unter. Aber: In wenigen Monaten werden entführte Flugzeuge in Gebäude krachen. So gesehen: immer noch eine unschuldige Zeit, die Zeit vor dem 29-jährigen Hallenbadjubiläum und dem 15-jährigen Geschäftsführungsjubiläum des Ehepaars Antl, was in zweieinhalb Wochen gemeinsam gefeiert werden soll.

Kurzum: Heute, am Dienstag, dem 20. Februar 2001, hat man auf jeden Fall Schwierigkeiten, sich in der Welt zurechtzufinden. Sicher, die hatte man auch schon früher. Aber die 2000er – damit sind die Menschen noch immer nicht so richtig warm geworden; das werden sie wohl bis zu den 2010ern nicht. (Und danach wird er immer mehr zur Nebensache, der Wunsch, der Drang, sich zurechtfinden zu wollen.)

Außerdem (und vor allem – denn was kümmert die Leute im Hallenbad schon die Welt draußen und die Idee, dass ein neuer Weltkrieg oder etwas in der Art (Weltkrieg, das sagt man heute so nicht mehr, hat man nicht einmal mehr zu Beginn der 2000er so gesagt) drohen könnte, der dann doch nicht kommt, aber nie ganz abwegig sein und das seine zur allgemeinen Verwirrung beitragen wird, ganz abgesehen von der Angst vor Anschlägen) wird es im Hallenbad jetzt langsam wirklich eng.

Die Stammgäste sind schnell und an einer Hand oder an maximal zwei Händen abgezählt. Das Zählen hat man hier aber gar nicht mehr gern, denn Zahlen leuchten längst nur noch in roter Farbe. Deshalb hat sich auch Hofrat Spreitzer persönlich der »Causa Hallenbad« (ein Begriff, der sich mittlerweile im Gemeinderat und in der lokalen Presse durchgesetzt hat) angenommen – und das nicht ganz ohne Vergnügen (ja, es könnte sogar sein, dass er für das Gelände, auf dem das Hallenbad einmal gestanden sein wird, bereits eine lukrative Idee in der Hinterhand hat). Gerne absolviert er deshalb einen der unangekündigten Besuche ebenso persönlich, überprüft die Hygiene, wirft einen Blick in die Bücher, in die Technikräume oder unter den Rock der hinkenden Kellnerin Susi, wenn die sich bückt und nicht aufpasst. Das Ehepaar Antl lässt ihm die Freude, wird aber zunehmend unentspannt, denn die Zahlen lügen nicht. Die Träume und die großen Pläne sind verblasst; eigentlich sind sie längst vergessen.

Und überhaupt: Die Welt steht zwar noch, aber irgendetwas stimmt nicht mehr so ganz. Und irgendwie scheint das auch das Hallenbad zu spüren …

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