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4.3. LévinasLévinas, Emmanuel erster programmatischer Text Die ZeitZeit und der Andere

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Der Titel der ersten SchriftSchrift von Lévinas, Die ZeitZeit und der Andere, ist natürlich auch eine Replik auf HeideggersHeidegger, Martin SeinSein und Zeit, in der, wie schon SartreSartre, Jean-Paul kritisch konstatiert hat (Kapitel 2.6.), der Andere vornehmlich (negativ) als jenes ManMan, Paul de vorkommt, das dem einzelnen als eine unpersönliche und einförmige gesellschaftliche MachtMacht entgegentritt und das sich zufällig in der gemessenen Zeit (im Unterschied zur subjektiven Zeit) manifestiert.

ZeitZeit gründet auf der Beziehung zum Anderen. Letztere sowie die zeitliche RelationRelation werden in dieser Philosophie eng geführt: „Das Ziel dieser Vorlesungen besteht darin zu zeigen, daß die Zeit nicht das Faktum eines isolierten und einsamenEinsamkeit Subjektes, sondern das Verhältnis des SubjektsSubjekt zum andern ist.“1

ZeitZeit und AlteritätAlterität sind in dem frühen programmatischen Text miteinander verbunden. Die Bedeutung von EinsamkeitEinsamkeit verschiebt sich also in dieser Denkweise. Es gibt kein absolutes Allein-bei-sich-SeinSein, sondern immer ist unsere relative Einsamkeit von einem Horizont umgeben, der von der EpiphanieEpiphanie des Anderen, seiner StimmeStimme und seines Antlitzes bestimmt und geprägt ist.

Dieser Befund ist dem Autor von Die ZeitZeit und der Andere zufolge keine soziologische Analyse, die zeigt, wie Zeit in einer GesellschaftGesellschaft „zerlegt und angeordnet wird“. Es handelt sich vielmehr um eine FormForm von OntologieOntologie, die Zeit vor dem Hintergrund eines Alteritätsverhältnisses behandelt, bei der EinsamkeitEinsamkeit und KollektivitätKollektivität nicht einfach Begriffe der PsychologiePsychologie sind. In der Zeit in diesem Sinn wird Einsamkeit „überschritten“. Schon gleich zu Anfang spricht Lévinas aus, was dieses Übersteigen nicht ist:

 Es ist kein ErkennenErkennen, denn durch das Erkennen wird das ObjektObjekt vom SubjektSubjekt vereinnahmt und verschwindet.

 Es ist keine EkstaseEkstase, denn in der Ekstase wird das SubjektSubjekt vom ObjektObjekt vereinnahmt und verschwindet.

Die Beziehung zum Anderen ist etwas, das nicht auf die AuflösungAuflösung des Anderen oder auch auf die Neutralisierung meiner selbst abzielt. Es ist kein Verhältnis, das auf dem Bewusstsein beruht und das auch nichts Mystisches in sich birgt. Denn durch die abstrakte ErkenntnisErkenntnis wird der Andere zu einem Gegenstand verdinglicht und durch die EkstaseEkstase verliere ich mich samt dem Anderen in einer EinheitEinheit, in der es kein Ich und keinen Anderen gibt. Die existentielle RelationRelation, auf die LévinasLévinas, Emmanuel in dem Text zusteuert und die weder soziologisch noch psychologisch zu bestimmen sei, ist zunächst einmal eine, die weder rational noch irrational, sondern etwas Drittes ist.

Lévinas wendet sich also gegen das Denken einer am Ende dialektischDialektik wiederhergestellten EinheitEinheit im Sinne HegelsHegel, Georg Wilhelm Friedrich (→ Kapitel 2). Vielmehr geht es ihm um einen „PluralismusPluralismus, der nicht in einer Einheit fusioniert“. Es gehe darum, „mit ParmenidesParmenides zu brechen“.2 Die IdeeIdee, die Unterscheidung des Parmenides von SeinSein und NichtsNichts zu revidieren, findet sich, wie wir gesehen haben, bereits bei KojèveKojève, Alexandre und seinem GleichnisGleichnis vom Goldring (→ Kapitel 2.5.). In diesem wird die RelationRelation als drittes Element ins SpielSpiel gebracht. Aber Lévinas zielt ganz offenkundig noch auf ein anderes Moment, nämlich auf ein Sein, das immer schon in Erwartung auf ein Anderes existiert:

Die ZukunftZukunft, das ist das andere. Das Verhältnis zur Zukunft, das ist das eigentliche Verhältnis zum anderen. Von ZeitZeit zu sprechen in einem SubjektSubjekt allein, von einer rein persönlichen Dauer zu sprechen, scheint uns unmöglich.3

Die ZukunftZukunft ist das Andere und es ist zugleich die ZeitZeit des Anderen. Die Zeit setzt Lévinas zufolge immer schon eine SubjektSubjekt-Subjekt-Konstellation voraus. Es gehört zur menschlichen Grundsituation, dass der MenschMensch allein, aber ontisch nicht einsamEinsamkeit ist:

Die Situation des Von-Angesicht-zu-Angesicht wäre der eigentliche Vollzug der ZeitZeit: das Übergreifen der GegenwartGegenwart auf die ZukunftZukunft ist nicht die Tat eines einsamenEinsamkeit SubjektsSubjekt, sondern das intersubjektive Verhältnis. Die Bedingung der Zeitlichkeit liegt im Verhältnis zwischen menschlichen Wesen oder in der GeschichteGeschichte.4

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