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Induzierter Größenwahn

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Wenn wir ein Auto zur Reparatur bringen, würden wir eine Werkstatt sofort verlassen, in der ein Mechaniker in einer Lasershow dem Fahrzeug vermittelt: »Du schaffst es, du bist toll, du bist ein Rennwagen, wenn du es nur willst!« Menschen sind erheblich komplizierter als Autos, aber es ist heute selbstverständlich geworden, dass viele, die sich nicht erfolgreich, dynamisch, »motiviert« genug fühlen, ein »Motivations-« oder »Erfolgstraining« aufsuchen. Dieses beruht vielfach darauf, die genaue Erforschung der inneren Blockaden durch einen Anwärter auf das Unwort des Jahres zu ersetzen: »Positives Denken«9! In Wahrheit gibt es richtiges oder falsches Denken, aber kein positives oder negatives. Das heißt, positives Denken ist entweder nicht positiv oder kein Denken.

Zu den Illusionen, welche die moderne Gesellschaft mit ihren Vorstellungen von Aufklärung produziert und gegen die frommen Traditionen gesetzt hat, gehört die Aussicht auf eine mehr und mehr von Selbstkritik und Rationalität bestimmte Welt. Kritisches Denken, das uns an die Realität bindet, scheint ein verpflichtendes Gebot zu sein. Wie sollen wir sonst die komplexen Technologien beherrschen, von denen wir abhängen und die nur mit seiner Hilfe entwickelt werden konnten? Aber so einfach ist das nicht. In der modernen Wirtschaft geht es oft um sehr kurzfristige Erfolge. Die Qualität der Produkte wird dann ebenso uninteressant wie die langfristige Entwicklung der Mitarbeiter.

Manager, die nachhaltigen Erfolg haben wollen, müssen sich über die zyklische Natur menschlicher Bedürfnisse und Leistungen informieren. Wer die eigene Lust-Unlust-Regelung zu lange und zu strikt vergewaltigt, kann am Ende – wie der typische Ausgebrannte oder Depressive – vor Müdigkeit in der Arbeit nichts leisten und nachts vor Stress und Angstvisionen nicht schlafen. Wer ausschließlich positiv sein muss, wird depressiv; wer auch traurig, ängstlich und bedürftig sein darf, kann unterscheiden, wo er seine Stärke braucht und wo er seine Schwäche zulassen kann.

Charakteristisch für solche pseudostarken Vorgesetzten ist die absolute Intoleranz für jede Schwäche ihrer Untergebenen, in deren Abwertung und Bekämpfung sie dann die eigene Stärke herausstellen wollen. Der dauerhaft belastbare Manager hingegen hat seine Sensibilität für sich wie für andere bewahrt. Wenn er eine Durchhalteparole ausgibt, dann geschieht das nicht aus einem blinden Prinzip, etwa dass sozusagen grundsätzlich der innere Schweinehund bekämpft werden muss, sondern aus Einsicht in eine augenblickliche Notwendigkeit. Misserfolge werden erkannt und ernst genommen, um aus ihnen zu lernen, nicht verleugnet oder auf die Unfähigkeit anderer reduziert.

Wer solche Formen der Führung fördern will, muss mit Ängsten rechnen. Wenn Menschen den Kontakt zu ihren Gefühlen verloren haben, dann fürchten sie sich vor dem kleinsten kindlichen Zug an ihnen und ihren Mitarbeitern, weil sie diesen nicht zyklisch – als Ausdruck eines vorübergehenden Zustands, als Krisensignal, als Entspannungsform – deuten, sondern linear. Sie fürchten, dass nach dem Alles-oder-nichts-Prinzip die Kontrolle und die Vernunft ein für alle Male in einem regressiven Sumpf versinken, wenn man nur die geringste Unordnung oder Regelwidrigkeit toleriert.

Persönlichkeit und Menschenführung

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