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Einleitung

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Die Fähigkeit, einen Menschen dazu zu bringen, dass er ein gemeinsames Unternehmen mitträgt, ist für den Lebenserfolg von zentralem Wert. Sie bestimmt, was in der Erziehung von Kindern gelingt oder misslingt, sie entscheidet darüber, ob Freundschaften oder Liebesbeziehungen glücken oder scheitern. Wenn ein Unternehmer Erfolg hat, ein Manager seine Ziele verwirklicht, ein Arzt seine Patienten dazu bringt, gesünder zu leben, oder ein Berater einem Klienten helfen kann, hängt das in erster Linie von Führungsqualitäten ab. Grundkompetenzen, einen Mitmenschen anzusprechen und ihn »zu bewegen«, sind in jeder Form wirtschaftlicher Interaktion – vom Tauschhandel bis zum Bankgeschäft –, in jeder Spielart von Erziehung, Erwachsenenbildung, Training und Therapie unerlässlich.

Entsprechend vielfältig und verwirrend sind die Ratschläge, die auf diesem Gebiet erteilt werden, die Fortbildungen, die Konzepte. Es erscheint aussichtslos, eine Zusammenfassung zu versuchen, und vermessen, ohne diese einen neuen Vorschlag zu entwickeln.

Dennoch will ich genau das versuchen. Ich erlebe in meiner Arbeit mit Problemfällen in Beratung, Therapie, Coaching und Supervision, dass es viel mehr an Basiswissen fehlt als an elaborierten Modellen. Meine Betrachtungen gehen davon aus, dass bereits einfache Beziehungsaufgaben den einen Menschen ängstigen und hemmen, während der andere sie zuversichtlich angeht. Sich auf die Ebene vor dem hilfreichen Rat zu begeben, scheint mir daher wesentlicher zu sein als dieser selbst. Nennen wir sie die Ebene des Narzissmus, des Selbstgefühls.

Menschen mit gestörtem Selbstgefühl verwickeln sich in Beziehungsprobleme, die für normale Personen schwer nachzuempfinden und zu beurteilen sind. Noch undurchschaubarer sind Interaktionen zwischen Personen, die sich – oft wie magnetisch angezogen – gefunden haben, weil sie beieinander Störungen des Selbstgefühls kompensieren. Hier ergibt sich oft eine Beziehung, die zunächst besonders innig wirkt. Aber sie ist in ihren Entwicklungsmöglichkeiten und in ihrer Belastbarkeit eingeschränkt und zerbricht oft dramatisch, schmerzhaft und mit Eruptionen von Rachsucht, wenn scheinbar banale Konflikte auftreten.

Selbstgefühlsprobleme sind das zentrale Hindernis, um jene Aufgabe professionell durchzuführen, die in modernen Unternehmen immer wichtiger wird: eine Gruppe von Menschen so zu führen, dass sich Synergien entfalten. Synergie bedeutet, dass die gemeinsame Leistung alle Einzelleistungen übertrifft. Wenn ich zehn Äpfel in einen Korb lege, sind sie so schwer wie die Summe von zehn einzelnen Äpfeln. Wenn diese Äpfel eine Synergie in Bezug auf ihr Gewicht entfalten könnten, würde der Korb plötzlich schwerer.

Wenn ein Therapeut es sich leisten kann, den Helfer-Nimbus abzulegen, hat seine Arbeit enge Beziehungen zu dem, was ein Manager an Menschenführung leisten muss: Kreativität in unternehmerischer Hinsicht ist schließlich nur die eine Seite seiner Arbeit; die andere hängt damit zusammen, Menschen zu begeistern, dass sie etwas leisten, das sie sich bisher nicht zugetraut haben. Mittelmäßige Manager meinen, sie könnten diesen Aspekt ihrer Arbeit durch Auslese erledigen: Wer nicht tut, was er ihrer Ansicht nach tun muss, ist eben nicht geeignet und wird gefeuert. Da die Umstände häufig solche rauen Methoden nicht dulden, kann man in ihrem Selbstgefühl überforderte Leiter häufig an dem Vorwurf erkennen, den sie in Gesicht, Haltung und Rede verkörpern. Die Menschen, die sie führen sollen, sind nicht so engagiert wie sie und ihrer nicht würdig.

Der Aufbau des Buchs spiegelt die unterschiedlichen Arbeitsfelder des Autors: Training, Selbsterfahrung, Supervision, Coaching und Psychotherapie. Wo immer ich die Möglichkeit hatte, habe ich versucht, Manager und Helfer in Lerngruppen zusammenzubringen. Ich genoss es immer wieder, Zeuge eines Austauschs zwischen den Kulturen der »Macher« und der »Fühler« zu sein, wie ich diese Gruppen in einem früheren Text typisiert habe. Ich hatte auch den Eindruck, dass beide Kulturen voneinander lernen können. Die Manager neigen zur Hau-Ruck-Mentalität und zu schnellen, oft pseudoübersichtlichen Lösungen; die Helfer zögern lange, sind oft verliebt in ihre eigenen Leiden (werben zumindest mit ihnen um Aufmerksamkeit). Anderseits packen Manager Dinge an und wissen genau, dass keine Entscheidung oft die schlechteste Entscheidung ist; Helfer hingegen können durch ihre Geduld und ihre Bereitschaft, sich auch für Irrtümer und Emotionen zu interessieren, verfahrene Situationen auflösen und Entwicklungen einleiten, die ohne solche Qualitäten nicht geschehen können.

So hat die Begleitung und Anleitung angehender Therapeuten, Gruppenleiter und Berater viele Gemeinsamkeiten mit dem Coaching von Managern. Immer wieder geht es darum, die professionelle Aufgabe klar herauszuarbeiten und sie von persönlichen Kränkungen, von Ansprüchlichkeit und Angst zu trennen. Das kann nur in einem kooperativen Klima geschehen, in dem Anleiter und Angeleitete bereit sind, voneinander zu lernen, sich aufeinander einzustellen und einander in jener Form zu bestätigen, die dem professionellen Auftrag dient. Das heißt konkret, sich weder zu idealisieren noch sich zu entwerten, sondern in jeder Situation nach dem differenzierten Bild der beruflichen Realität zu suchen, die immer aus erwünschten und unerwünschten Anteilen gemischt ist. Jede Intervention und jede unternehmerische Entscheidung haben ihre Schattenseiten. Diese zu sehen und mit ihnen umzugehen, ohne den Mut zu verlieren, unterscheidet professionelle Arbeit von naivem Anspruch.

Persönlichkeit und Menschenführung

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