Читать книгу Berechnung von Stoffdaten und Phasengleichgewichten mit Excel-VBA - Wolfgang Schmidt - Страница 15
1.2 Inkrementenmethode von Joback
ОглавлениеDie Joback-Inkrementmethode (siehe Datei „jobackmod, ex-03_07_group_contribution„) ist eine von vielen Inkrementmethoden, auch Gruppenbeitragsmethoden genannt, deren Ziel darin besteht, Stoffdaten aus der Struktur eines Moleküls auf einfache Weise zu berechnen. Dabei steht im Vordergrund die Erfahrung, dass sich Stoffdaten von Molekülen einfacher homologer Reihen mit guter Näherung linear berechnen lassen. Eine solche homologe Reihe stellen die linearen Alkanen in Bezug auf die CH2-Gruppe dar. Die allgemeine Formel der Alkane lautet.
Am Beispiel des kritischen Volumens Vc der Alkane lässt sich das Joback-Prinzip leicht erklären. Wir entnehmen dem VDI-Wärmeatlas das kritische Volumen von Alkanen und stellen dieses in Abhängigkeit der C-Atome dar. Dazu verwenden wir die Exceldatei jobackmod.xlsm und darin die Tabelle VDI-WA (vgl. Abb. 1.2).
Abb. 1.2. Alkane in Tabelle VDI-WA in jobackmod.xlsm
Als Ergebnis erhalten wir die nachstehende Grafik (vgl. Abb. 1.3).
Abb. 1.3. Kritisches Volumen von Alkanen als Funktion der C-Atome
Auf der Horizontalen ist die Anzahl der C-Atome und auf der Vertikalen das kritische Volumen Vc dargestellt. Die Trendlinie ist mit Anklicken der Grafik mit der rechten Maustaste wie folgt auszuwählen (vgl. Abb. 1.4 und Abb. 1.5).
Abb. 1.4. Auswahl der Trendlinie
Abb. 1.5. Auswahl der Parameter der Trendlinie
Die Kurve VC6 stellt alle 6 Alkane dar, während die Kurve Vc4 nur die 4 Alkane ab Propan darstellt. Letztere ist auffällig linear, während die erstere bei Methan und Ethan Abweichungen zeigt. Die homologe Reihe beginnt mit n = 1 (Anzahl der CH2-Gruppen) erst bei Propan. Daher betrachten wir nur diese Alkane und stellen das kritischen Volumen Vc ab Propan in Abhängigkeit von n, also der Anzahl CH2-Gruppen, dar und erhalten die nachstehende Grafik (vgl. Abb. 1.6).
Abb. 1.6. Kritisches Volumen Vc als Funktion von n in (CH2)n in Tabelle VDI-WA in joback-mod.xlsm
Die Abhängigkeit des kritischen Volumens Vc von n ist nahezu linear, was durch das Bestimmtheitsmaß = 0,9955 ausgedrückt wird. Die Funktionsgleichung lautet daher
(1.1)
Wie man der Joback-Tabelle entnehmen kann, lautet die original Joback-Funktion zur Berechnung des kritischen Volumens Vc, bezogen nur auf die CH2-Gruppen
(1.2)
Zählt man die Joback-Daten beider CH3-Gruppen eines Alkans mit 2 mal 65 dem Wert 17,5 hinzu, erhält man für die Formel der Alkane CH3-(CH2)n-CH3
(1.3)
Damit erhalten wir nahezu exakt die obige Joback-Gleichung. Umgekehrt hätte man auch aus der o.g. Funktionsgleichung
(1.4)
den Wert 145,5 um 17,5 verringert und daraus 128 erhalten und dieses Ergebnis beiden CH3-Gruppen zuordnen können. Damit hätte man pro CH3-Gruppe den Inkrementwert 64 erhalten. Joback verwendet den CH3-Inkrementwert 65.
Dieses Beispiel zeigt das Grundprinzip der Joback-Methode. Diese Vorgehensweise lässt sich auf alle Inkrementgruppen anwenden.
Würde man nun statt der Alkane eine andere homologe Reihe wie z.B. CH3-(CH2)n-OH betrachten, ergäben sich andere CH2-Inkrementwerte. Die nachstehende Tabelle zeigte das kritische Volumen von aliphatischen Alkoholen (vgl. Abb. 1.7).
Abb. 1.7. Daten der Alkohole in Tabelle VDI-WA in jobackmod.xlsm
Daraus erhalten wir die folgende Grafik (vgl. Abb. 1.8).
Abb. 1.8. Kritisches Volumen Vc bei Alkoholen in Tabelle VDI-WA in jobackmod.xlsm
Die Regressionsfunktion (Trendlinie) lautet
(1.5)
Das Bestimmtheitsmaß beträgt 0,9997, ist also sehr hoch.
Hier ist der CH2-Inkrementwert = 53,27, d.h. geringer als bei den Alkanen mit 55. Der Inkrementwert für die beiden Endgruppen CH3 + OH ergibt sich analog zur vorherigen Berechnung zu
(1.6)
Davon wird der oben berechnete CH3-Inkrementwert 64 abgezogen
(1.7)
und wir erhalten den Inkrementwert der OH-Gruppe. Joback rechnet mit dem OH-Inkrementwert 28.
Dass bei aliphatischen Alkoholen der CH2-Inkrementwert 53,27 statt wie bei den Alkanen 55 beträgt, lässt sich auf den Einfluss der OH-Gruppe zurückführen, welche eine CH3-Gruppe ersetzt. Ebenso könnten wir nun die homologe CH2-Reihe bei aliphatischen Carbonsäuren betrachten.
Die COOH-Gruppe besteht aus den Inkrementen >C=0 und –OH.
Diese Betrachtung könnte nahezu beliebig fortgesetzt werden und wir erhielten CH2-Inkrement-werte für diverse homologe Molekülreihen, also Alkane, aliphatische Alkohole, aliphatische Carbonsäuren usw. Damit würde in Bezug auf die CH2-Gruppe eine erheblich höhere Genauigkeit erzielt werden als dies mit dem konstanten CH2-Inkrementwert von 56 möglich ist.
Natürlich gilt diese Betrachtung nicht nur für die CH2-Gruppe, sondern für alle Gruppen. Im Prinzip ist der Inkrementwert einer Gruppe in zweiter Näherung von seiner Nachbargruppe abhängig. Damit ergeben sich binäre und höhere kombinierte Inkrementgruppen. Der Rechenaufwand wird dadurch erhöht und die manuelle Benutzung erschwert. Ohne Programm wäre dieser Aufwand kaum realisierbar, außerdem fehlen z.Z. noch die Daten dazu.
Die Joback-Methode gilt als eine der besten linearen Inkrementnäherungsmethoden zur Berechnung des Siedepunktes Tb, des Schmelzpunktes Tm, der kritischen Temperatur Tc, dem kritischen Druck Pc, dem kritischen Volumen Vc, der Standardbildungsenthalpie Hf, der Gibbs’schen Bildungsenergie Gf, der spezifischen Wärmekapazität des idealen Gases Cp, der Verdampfungsenthalpie Hv, der Schmelzenthalpie Hm sowie der Flüssigviskosität η.
Die Anwendung der Joback-Methode lässt sich in Excel relativ einfach gestalten (vgl. Abb. 1.9). Dazu wurde die Excel-Datei jobackmod.xlsm erstellt, in der die öffentlichen Daten aus Wikipedia eingefügt und aufgearbeitet wurden.
Abb. 1.9. Tabelle „Daten“ in jobackmod.xlsm, auszugsweise
Am Beispiel Aceton ist dort die Berechnung in der Tabelle „Daten“ ausgeführt. Aceton besteht aus 3 Gruppen 2 x CH3 und >C=O.
In der Tabelle „Daten“ befindet sich in A8 die -CH3-Gruppe. In B8 wird eine 2 eingetragen, da die CH3-Gruppe im Aceton zweimal vorkommt. Damit werden die Inkremente der CH3-Gruppe zweifach berechnet. Die Inkremente befinden sich ab Spalte E.
Abb. 1.10. Auswahl der CH3-Inkrementgruppe der Nicht-Ring-Joback-Gruppe in jobackmod.xlsm
In E8 (Abb. 1.10) steht z.B. der Inkrementwert für die kritische Temperatur Tc = 0,0141. Die zweite Gruppe des Acetons, die >C=O-Gruppe wird in A40 mit 1 eingetragen. Die dort aufgeführten Gruppen gehören zur Sauerstoffgruppe. In B40 wird eine 1 eingegeben, da diese Gruppe nur einmal im Aceton vorkommt.
Die >C=O-Inkrementgruppe in der Sauerstoff-Jobackgruppe.
Abb. 1.11. Auswahl der >C=O-Inkrementgruppe der Sauerstoff-Jobackgruppe in jobackmod.xlsm
In B18 und B46 (Abb. 1.11) werden die Summen der ausgewählten Gruppen gebildet, sodass in B65 die Gesamtsumme aller gewählten Gruppen berechnet wird. Dieser Wert dient der Kontrolle.
In Zeile 18 sowie in Zeile 46 werden die Summenprodukte für Aceton aus den Inkrementzahlen (B8) und den Inkrementdaten gebildet. In allen Zeilen, die in Spalte A mit Summen gekennzeichnet sind, werden diese Summenprodukte gebildet.
Klickt man z.B. auf H18, erscheint im Funktionsfeld wie z.B. die Inkremente der Gruppe Tb (Siedetemperatur) berechnet und aufsummiert werden.
Angeklickt erhalten wir das Fenster nach Abb. 1.12:
Abb. 1.13. Eingabe der Summenproduktfunktion für den Siedepunkt Tb
Das Array1 ist $B$8:$B$17. Dies ist der Bereich, in welchem die Anzahl der Gruppen eingegeben wird. Array2 ist H8:H17. Dies ist der Bereich, in welchem die Daten für die Siedetemperatur Tb zu finden sind. Die Rechenoperation lautet B8:B17* H8:H17 = ΣGi. D.h. B8*H8 + B9*H9 usw. Diese Summe wird zunächst in den Zeilen 18, 26, 33, 46, 58 und 64 für jede Joback-Gruppe, z.B. Nicht-Ring-Joback-Gruppe, gebildet, und daraus entsteht die Gesamtsumme in Zeile 65. Dieser Wert wird dann in der jeweils gültigen Joback-Funktion verwertet und ergibt den entsprechenden Stoffwert z.B. für die kritische Tempertaur Tb.
Die Formel für den Siedepunkt Tb lautet lautet wie folgt:
(1.8)
Im Fall Aceton lauten die Gruppenbeiträge für -die CH3-Gruppe 23,5 (mal 2) und für die >C=O-Gruppe 76,75, zusammen 123,91. In die obige Formel eingegeben erhalten wir Tb = 322,11K = 48,96 °C. Der Siedepunkt von Aceton beträgt 56,0 °C. Der mit Joback berechnete Siedepunkt liegt also 13% zu niedrig. Da der Siedepunkt für die Berechnung der kritischen Temperatur und diese für weitere Berechnungen verwendet wird, sollte der Siedepunkt möglichst durch einen Literaturwert ersetzt werden, wann immer es möglich ist.
Mit der Wahl der Inkrementgruppen in der Spalte B kann man jedes beliebige Molekül darstellen und die Joback-Stoffdaten berechnen. Die Berechnung ist in allen Details nachvollziehbar. Komfortabler ist jedoch die Bedienung in der Tabelle Berechnung. Auch dazu dient das Beispiel Aceton (vgl. Abb. 1.14).
Abb. 1.14. Auswahl der Aceton-Inkremente und Joback-Berechnung
In A–C werden die Inkrementgruppen CH3 und >C=O für Aceton ausgewählt. Dazu existiert ein Menü. Es können maximal 10 Inkremente ausgewählt werden. Die Tabelle ist unter Beachtung der Excel-Regeln erweiterbar auf beliebig viele Inkremente (vgl. Abb. 1.15).
Abb. 1.15. Auswahl der Joback-Inkremente
Klickt man auf B10, öffnet sich ein Auswahlfenster (vgl. Abb. 1.16 und Abb. 1.17).
Abb. 1.16. Auswahl des CH3-Inkrements
Abb. 1.17. Liste der Inkremente
Aus dieser Liste kann man nun das gewünschte Inkrement anklicken. Danach trägt man in der Spalte C daneben die Anzahl der gewählten Inkremente ein. In D8 gibt man die Temperatur in Kelvin zur Berechnung von Cp und der Flüssigviskosität η eine. Die Berechnung der Joback-Stoffdaten erfolgt dann in der Zeile Ergebnisse. Je nach gewähltem Inkrement werden die Joback-Daten automatisch aus der Tabelle Daten gelesen.
In diesem Beispiel wurden die Inkremente von Aceton gewählt, also 2 * CH3 und 1 * >C=0. Die Ergebnisse sind natürlich identisch mit denen in der Tabelle Daten. Zum Vergleich: Die kritische Temperatur in D22 ist identisch mit dem Ergebnis in der Tabelle Daten, nämlich 500,56 K. In der Zeile ΣGi werden die Summen gebildet, also ΣGi, und in der Zeile Ergebnisse werden die Stoffdaten aus ΣGi berechnet. Die Berechnung erfolgt durch VBA-Funktionen.
Klickt man z.B. auf D22, erscheint
Das bedeutet, dass die VBA-Funktion Tcf die Werte aus D14 und G15 liest. Klickt man nun auf fx, erscheint (Abb. 1.18):
Abb. 1.18. Parameter der kritischen Temperatur Tc
Der Index legt die Berechnungsart fest und ist hier 0. Näheres geht aus der VBA-Funktion hervor.
Öffnen wir den VBA-Editor (Alt + F11), finden wir folgende Funktionen (Abb. 1.19):
Abb. 1.19. VBA-Projekt in VBA-Editor-Fenster
Klickt man Modul1 an erhält man sämtliche Funktionen der Joback-Berechnungen (vgl. Abb. 1.20).
Abb. 1.20. VBA-Funktion für Tb, Tm und Tc
Wir betrachten die Funktion Tcf zur Berechnung der kritischen Temperatur näher. Die Funktion Tcf liest die Daten Gi, Tb (Siedepunkt) und den Index, die in der Klammer stehen. In der Zeile
wird die Konstante Tk erstellt. Danach wird in der Zeile
die Berechnung gemäß der unten stehenden Joback-Formel durchgeführt. Tc wird in K ausgegeben. Danach wird der Index abgefragt mit
Ist der Index = 0, wird diese Zeile nicht ausgeführt und Tc wird in K berechnet. Ist der Index = 1, wird Tc in °C umgerechnet. In der letzten Zeile
wird Tc an die Funktion Tcf übergeben.
In dieser Funktion wird der Siedepunkt Tb benötigt und in der Funktion Tbf berechnet.
Auch hier erfolgt die Berechnung der Konstanten Tk. Die eigentliche Gleichung lautet
Ebenso wie in der Funktion Tcf erfolgen hier die Abfrage der Variablen „Index“ und die Umrechnung von K in °C.
Alle anderen VBA-Funktionen sind ähnlich aufgebaut, sodass auf die detaillierte Beschreibung verzichtet werden kann.
Die Auswahl der Inkremente funktioniert mithilfe der Excel-Funktion wie folgt: B11 anklicken, Daten, Datenüberprüfung, Datenüberprüfung, Liste (vgl. Abb. 1.21).
Abb. 1.21. Entstehung des Auswahlmenüs
Unter Quelle befindet sich der Datenbereich, der angezeigt werden soll. Die Verwertung zur Darstellung der Joback-Daten lässt sich am Beispiel der Zelle D11 erläutern. Klickt man D11 an, erscheint in der Funktionszeile
Das bedeutet, dass aus der Tabelle Daten im Bereich A8:S63 in der ersten Spalte der Inhalt von B11 gesucht wird (-CH3) und in der derselben Zeile der Wert von D9 gelesen wird.
Klickt man auf fx, erscheint (Abb. 1.22):
Abb. 1.22. Argumente für die Verweis-Funktion
Die Verweis-Funktion ist eine von vielen, die in Excel mit den Tabellen datenmäßig verknüpft werden können (vgl. Abb. 1.23).
In diesem Beispiel werden nur zwei Inkremente gewählt. Das lässt sich aber leicht auf drei Inkremente erweitern, indem in Zeile 13 eine neue Zeile eingefügt wird. Das geschieht durch Anklicken von der 13 oder A13 mit der rechten Maustaste, Zeilen einfügen. Dann kopiert man den Inhalt der Zeile 12 in die Zeile 13. Damit steht sofort eine neue Inkrementauswahl zur Verfügung. Nun ist die Berechnung erweitert. Klickt man auf D21, findet man wieder die Funktion Summenprodukt.
Abb. 1.23. Summenprodukt
Hier wird C10*D10 + C11*D11 gebildet. Damit eine weitere Zeile berücksichtigt werden kann, muss das Summenprodukt entsprechend erweitert werden. Das geschieht am besten wie folgt: Klickt man auf fx, erscheint (Abb. 1.24):
Abb. 1.24. Summenprodukt [C]*[D]
Man ändert sowohl im Array 1 als auch im Array 2 jeweils die 12 in 13. Dann zieht man diese Zelle bis zur Spalte T.
Die in Joback verwendeten Formeln werden nachstehend aufgelistet.
Siedetemperatur Tb
(1.9)
Schmelztemperatur Tm
(1.10)
Kritischer Druck Pc
(1.11)
Kritische Temperatur Tc
(1.12)
Kritisches Volumen Vc
(1.13)
Standardbildungsenthalpie Hf
(1.14)
Gibbs’sche Standardbildungsenergie Gf
(1.15)
Spezifische Wärmekapazität des idealen Gases Cp
(1.16)
Standardverdampfungsenthalpie ΔHv
(1.17)
Standardschmelzenthalpie ΔHm
(1.18)
Dynamische Viskosität der Flüssigkeit ηL
(1.19)
Darin ist M das Molgewicht, e die e-Funktion.
Neben den hier aufgeführten Stoffdaten der Joback-Methode lassen sich in CHEMCAD weitere Stoffdaten wie Azentrischer Faktor ω, Liquid Volume Constant, Specific Gravity, Solubility Parameter, Watson Factor mit der Joback-Methode berechnen. Eine entsprechende Dokumentation ist bei www.chemstations.com erhältlich.
Die Stärke der Joback-Methode besteht in der einfachen und der sehr flexiblen Verwendung. Ihre Schwäche ist die, dass die genaue Molekülstruktur und damit Wechselwirkungen der gewählten Gruppen mit Nachbargruppen nicht berücksichtigt werden. Dies ist allerdings die Schwäche vieler Inkrementmethoden, was offensichtlich zwei Gründe hat. Einerseits besagen die Inkremente ohnehin nichts über Wechselwirkungen untereinander, andererseits auch nichts über ihre Position in einem Molekül. Wie bereits dargestellt, bestehen z.B. zwischen einem CH3-Inkrement und dem OH-Inkrement andere Wechselwirkungen als zwischen dem CH3- und dem CH2-Inkrement. Während für viele einfache Moleküle die Molekülstruktur aus den Inkrementen eindeutig hervorgeht, ist das bei größeren Molekülen nicht der Fall, z.B. bei Isomeren. So stellt 2 CH3- eindeutig Ethylen dar. Aber 4 CH3-, 2 CH2- und 2 CH- ergeben 3 Isomere, nämlich 2,3-, 2,4- und 2,5-Dimethylhexan (DMH). Deren Siedepunkt würde mit Joback für alle 3 Isomere Tb = 551,52 K ergeben (Ex_xls), (ifp15). Tatsächlich betragen die Siedetemperaturen für 2,3-DMH Tb = 563,5 K, für 2,4-DMH Tb = 553,6 K und für 2,5-DMH Tb = 550 K.
Bei diesem Molekül kann man annehmen, dass Wechselwirkungen kaum die Ursache für die unterschiedlichen Siedetemperaturen sein können, sondern eher die Positionen. Warum das so ist, ist wenig erforscht. Wir können also nur empirisch vorgehen und die speziellen Positionen herausfinden und ihnen Joback-Werte zuordnen.
In der Literatur sind neben der Joback-Methode auch weitere Methoden ausführlich beschrieben.
Die Verbesserung der Joback-Methode durch Einführung von Wechselwirkungsparametern wird in der Exceldatei ex_03_07_Group_Contribution.xls (Abb. 1.25) sowohl bei der Berechnung der Siedetemperatur Tb als auch der kritischen Temperatur Tc dargestellt.
Abb. 1.25. Erweiterte Joback-Berechnung 2. Grades für Isomere
Während man für Tb dem 2,3-DMH ein (CH3)2CH- mit dem Korrekturwert −0,0035 und ein CH(CH3)CH(CH3)-Inkrement mit dem Korrekturewert 0,316 zuordnet, wird dem 2,4-DMH ein (CH3)2CH- und dem 2,5-DMH 2 (CH3)2CH-Inkremente zugeordnet (vgl. Abb. 1.26).
Abb. 1.26. Inkremente der 2. Ordnung
Der Summenwert ΣGi für Tb beträgt 5,4096 (F30). Die vollständige, korrigierte Berechnung von ΣGi erfolgt durch
(1.20)
Damit erhält man aus der Joback-Gani-Gleichung
(1.21)
Mit Tb0 = 222,543 (C8) erhalten wir Tb = 375,69 K (F40) nach Joback, d.h. unkorrigiert und 388,19 K (F41) korrigiert. Nach DIPPR beträgt der Siedepunkt 388,76 (F42). Die Abweichung beträgt nur noch 0,15% (F45). Leider fallen die Verbesserungen für die beiden anderen Isomere trotz Verwendung der Korrekturwerte bei Weitem nicht so gut aus (E30:M45). Auch die Berechnung der Siedepunkte für die beiden weiteren Moleküle 2,3,4-Trimethylpentane und n-Propylcyclohexan nach Joback-Gani ergeben sich trotz Verwendung der Korrekturen 2. Ordnung keine nennenswerten Verbesserungen im Vergleich zu den Joback-Ergebnissen (N30:S45).
Die Joback-Gani-Methode unterscheidet sich in Bezug auf den Siedepunkt etwas von der Joback-Methode. Die Gleichung zur Berechnung der Siedetemperatur lautet nach Joback-Gani
(1.22)
Darin ist Tb0 = 222,543 K.
Für die kritische Temperatur gilt eine ähnliche Gleichung wie bei Joback.
(1.23)
Natürlich sind dann die Inkrementdaten anders.
In der Tabelle „Second-order molecules“ werden die 3 Isomeren von Dimethylhexan betrachtet. In der Zeile 30 und 40 haben alle zunächst dieselben Grunddaten. In den Zeilen 32 bis 37 werden die Strukturen der Isomeren betrachtet und deren Joback-Konstanten verwendet. Diese werden in F41:G41 der zuvor gewonnenen Summe zuaddiert.
(1.24)
(1.25)
Wie man in den Zeilen 44 und 45 erkennen kann, wird die Genauigkeit durch diese Methode deutlich verbessert. Hier das Beispiel 2,3-diemethylhexan.
Was die Korrekturen bedeuten, geht aus der Grafik in der Excel-Datei hervor, die zwischen T und AE zu finden ist.
Eine weitere Verbesserung sind Strukturbeschreibungen der 3. Ordnung. Im Beispiel der Tabelle „Third-order molecules“ der Exceldatei Ex_03_07_Group_Contrubuition.xls werden die Siedeund kritischen Temperaturen einiger substituierter Aromaten berechnet. Die Methode ist identisch mit der der 2. Ordnung, d.h. die Parameter der 3. Ordnung in den Zeilen 41–44 werden den zuvor gebildeten Summen zuaddiert, sodass die Formeln lauten
(1.26)
und
(1.27)
Die Genauigkeiten werden dadurch aber nur z.T. gegenüber der der 1. bzw. 2. Ordnung verbessert.
1 Ordnung | 2,00% | 0,66% | 0,50% | 2,98% | 3,89% | 1,13% | ||
2 Ordnung | 1,77% | 0,60% | 0,50% | 2,98% | 3,89% | 1,13% | ||
3 Ordnung | 1,51% | 0,00% | 0,27% | 2,95% | 1,93% | 0,28% |
Bei der Betrachtung dieser Liste fällt auf, dass die Methode der 2. Ordnung nicht immer eine Verbesserung gegenüber der Methode der 1. Ordnung liefert. Aber auch bei der Methode 3. Ordnung verbleiben Abweichungen.
Wechselwirkungen zwischen den Molekülen gleicher Art sind nicht selten, werden bei der Joback-Methode aber nicht berücksichtigt. Selbst die Methoden zur Berechnung von Aktivitätskoeffizienten wie etwa NRTL, Uniquac, Unifac etc. betrachten Wechselwirkungen nur zwischen ungleichen Molekülen. Mit der Lennard-Jones-Methode können Wechselwirkungen zwischen jeder Art von Molekülen berechnet werden.
Die Elliot-Unifac-Methode enthält neben den bekannten Joback-Gruppen sogenannte Doppelgruppen. Diese wurden der Unifac-Methode zur Berechnung von Wechselwirkungsparametern entliehen. Allerdings werden alle 4 Isomeren, also 2,2-, 2,3-, 2,4- und 2,5-Dimethylhexan mit den gleichen Unifac-Inkrementen beschrieben, nämlich Unifac Sub-Group 1 (CH3) *4, Unifac Sub-Group 2 (CH2) * 2, Unifac Sub-Group 3 (CH) *2. Somit ergeben sich auch für alle dieselben Joback-Unifac-Daten und wir erhalten für den Siedepunkt Tb = 383,658 K. Dieser Wert ist aber besser als der Joback-Wert mit 375,69 K wie der Vergleich mit der Tabelle Second-order-molecules in der Exceldatei Ex_03_07_Group_Contribution zeigt. Eine genauere Strukturanalyse lässt auch Unifac nicht zu.
Das 2,3- Dimethylhexan hat die Struktur
Die beiden seitlichen CH3-Gruppen befinden sich am 2. und 3. C-Atom, von links gezählt. Es fällt auf, dass sowohl beide CH3-Gruppen als auch die CH-Gruppen nebeneinander liegen. Beim 2,4-Dimethylhexan
befinden sich die beiden seitlichen CH3-Gruppen am 2. und 4. C-Atom, von links gezählt. Deren Abstand ist damit größer als der Abstand bei 2,3-Dimethylhexan. Auch befindet sich zwischen den beiden CH-Gruppen jetzt eine CH2-Gruppe. Es ist das Ziel weiterer Bemühungen, diese Strukturunterschiede so zu definieren, dass sich daraus bessere Ergebnisse erhalten lassen.
In der o.g. CHEMCAD-Dokumentation befindet sich eine umfangreiche Beschreibung der Cavett, API, Lee-Kesler, Joback- und der Elliot-Unifac-Methode, sowie Daten für die beiden letztgenannte Methoden. Im neuen VDI-Heat-Atlas ist u.a. die Joback- sowie die Second-Order-Constantinou-/Gani-Methode beschrieben.