Читать книгу Blutholz - Wolfgang Teltscher - Страница 15
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Оглавление»Gute Nacht, Schatz. Schlaf gut. Ich komme morgen früh wieder, um nach dir zu schauen, bis dahin geht es dir bestimmt besser.«
Marder richtete sich auf eine weitere Nacht im Krankenhaus ein. Vor drei Nächten hatte ihn seine Frau um zwei Uhr morgens wegen einer Nierensteinattacke in die Notfall-Aufnahme der Klinik in Gehrden eingeliefert. Nierensteine waren für ihn nichts Neues, nur die heimtückische Geschwindigkeit, mit der ihn der Schmerz dieses Mal überfallen hatte, war unvorhersehbar gewesen. Am Abend, kurz vor dem Schlafengehen, hatte er sich als Hinweis gemeldet, dass es ein Problem in seinem Unterleib gab. Eine Nacht gut schlafen, und die Sache erledigt sich von allein, hatte er sich Mut zugesprochen und ließ Iris nicht in seine Schmerzen ein. Sie schlummerte neben ihm und ahnte nichts von seinem Kampf gegen die Qualen, den er zunehmend verlor. Kurz nach Mitternacht ging es nicht mehr. Er weckte seine Frau, er müsse ins Krankenhaus, er sei sicher, er habe einen eingeklemmten Nierenstein, der ihm großes Unbehagen verursache. Iris war sofort hellwach, sie wusste, dass ihr Mann aus schmerzhafter Erfahrung sprach. Wenn er sie weckte, war es nicht zum Spaß – sie kannte ihn als einen Mann, der Schmerzen lieber verkniff, als andere damit zu belästigen.
Ob sie den Notarzt rufen solle, oder ob er direkt ins Krankenhaus wolle, fragte sie besorgt.
»Wir fahren gleich zur Notfallaufnahme ins Krankenhaus. Wer weiß, wie lange es dauert, bis ein Notarzt kommt, und |41|der wird mich sowieso ins Krankenhaus einweisen. Wenn ein Nierenstein festsitzt, kann eine Stunde unglaublich lang sein.«
Er versuchte zu lächeln. Es misslang.
»Ich weiß, wo das Krankenhaus in Gehrden ist, wir brauchen nur eine knappe Viertelstunde. So lange halte ich es noch aus.«
Iris hatte ähnliche Situationen früher bereits durchgemacht. Sie geriet daher nicht in Panik wie bei seinem ersten Stein, auch wenn sie um ihren Mann besorgt war. Bisher hatten diese Attacken stets gut geendet, und sie wusste, dass sie im Moment nichts tun konnte, außer ihn so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu bringen und ihm auf dem Weg dorthin liebevollen Trost zuzusprechen.
Der wachhabende Arzt in der Notfallstation war ein junger Mann, sicherlich ein Assistenzarzt, er machte einen kompetenten und gefassten Eindruck, auch wenn er erst den Schlaf vertreiben musste, dem er sich gerade hingeben wollte. Marder weihte ihn in seinen Verdacht über den festsitzenden Nierenstein ein. Ultraschall und Röntgenaufnahmen bestätigten diese Selbstdiagnose.
»Ich werde Ihnen eine schmerzstillende Spritze geben, damit Sie erst einmal schlafen können. Morgen früh machen wir eine gründliche Untersuchung. Wenn sich Ihre und meine Diagnose als richtig herausstellt, und daran habe ich keinen Zweifel, werden wir den Stein aus der Harnröhre in die Niere zurückschieben und dann einen Katheter einführen, damit sich ihre Niere entwässern kann. Dann schauen wir mal, wie es weitergeht.«
Als Marder in einem Bett auf der urologischen Station lag, |42|war der Schmerz fast verschwunden – die Spritze hatte innerhalb weniger Minuten ihre Arbeit getan. Iris küsste ihn auf die Stirn, hielt seine Hand für eine Weile, gähnte heimlich und hielt mit Anstrengung ihre Augen offen. Während Marder sich langsam in den Schlaf zurückzog, stand sie von seinem Bett auf und sagte, sie würde am nächsten Tag mit frischer Unterwäsche und einem interessanten Krimi wiederkommen, vielleicht fände sie im Bücherladen im Ort etwas neues Skandinavisches von Henning Mankell oder einem seiner nordischen Krimikollegen. Aber da war ihr Mann schon eingeschlafen, sah friedlich und kerngesund aus.
Frau Thann wird sich wundern, wenn ich allein zum Frühstück auftauche, dachte sie.
Am Morgen tat der ältere Stationsarzt genau das, was der junge Arzt in der Nacht vorausgesagt hatte. Es war eine unangenehme Prozedur, als er den Stein mit einer Sonde durch den Penis, die Blase und den Harnleiter in die Niere zurückschob. Es tat weh und war Marder obendrein peinlich, weil zwei junge Krankenschwestern sowie eine Reihe von Studenten und Studentinnen im Praktikum um ihn herumstanden und alles interessiert beobachteten.
»Jetzt geben wir Ihnen zwei Tage Ruhe und ein Medikament, das mit etwas Glück den Stein auf natürliche Art abgehen lässt. Sollte das nicht der Fall sein, was ich leider als wahrscheinlicher betrachte, werden wir übermorgen zur Steinbruchmethode greifen. Das heißt, wir werden den Stein mit Stoßwellen in kleine Teile zertrümmern, die dann hoffentlich von selbst herausgespült werden. Ich vermute, das kennen Sie schon von Ihren früheren Attacken. Sie müssen danach für ein paar Tage in ein Sieb pinkeln und darauf |43|achten, ob es ›klick‹ macht und kleine Felsbrocken hinein poltern.«
Die lockere Art des Arztes, über medizinische Angelegenheiten zu plaudern, gefiel Marder. Er sah sich nicht gern als tragische Person, auch nicht, wenn er sich wegen einer Krise im Unterleib im Krankenhaus aufhielt. Er fühlte sich inzwischen als Experte in Nierensteinen, er hatte diese Behandlung in Stade zweimal erfolgreich hinter sich gebracht – beim ersten Mal war er dreiundfünfzig gewesen, beim zweiten Mal kurz vor sechzig, jetzt war er in der Mitte der Sechziger. Ein Rhythmus schien sich einzupendeln.
Die Vermutung des Arztes, dass der Nierenstein nicht freiwillig aufgeben würde, erwies sich als korrekt. Erst die Stoßwellentherapie hatte den gewünschten Erfolg. Sie verursachte kaum Schmerzen, was vor allem daran lag, dass Marder vorher eine Spritze bekommen hatte, die ihn nach der Behandlung in einen langen Schlaf fallen ließ. Als er aufwachte, hatte er das Schlimmste überstanden, aber wegen einer nachhängenden Müdigkeit fühlte er sich noch längst nicht wie der Alte. Er würde noch zwei Tage, höchstens drei, im Krankenhaus bleiben müssen, bis sich seine Nierenfunktionen normalisierten und er mit Erfolg nach kleinen Hardwarebrocken in seinem Urin gefahndet hatte.
Marder fühlte sich auf der Station gut aufgehoben. Er war nicht sicher, ob diese Klinik eine Ausnahme war oder ob sich in den letzten Jahren generell die Atmosphäre in Krankenhäusern geändert hatte. Früher hatte er bei seinen Aufenthalten manchmal das Gefühl gehabt, er störe durch seine Anwesenheit den normalen Tagesablauf des Personals. Hier behandelte man ihn eher wie einen Gast. Er wurde nicht um |44|fünf Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen, weil die Nachtschicht noch das Bettenmachen zu erledigen hatte. Er durfte bis sieben Uhr schlafen, bevor man ihm die Federn aufschüttelte. Die Mahlzeiten waren nicht länger die Einheitsverpflegung, wie er sie von früheren Krankenhausaufenthalten oder seiner Zeit bei der Bundeswehr kannte. Er konnte es kaum glauben, als ein freundlicher Sozialarbeiter mit einer Menükarte im Zimmer aufkreuzte und ihn nach seiner Wahl der Speisen für den nächsten Tag fragte.
Weil er spät nachts im Krankenhaus eingetroffen war, hatte man ihn nicht gefragt, ob er ein Einzelzimmer wolle oder mit einem Mehrbettzimmer zufrieden sei – man hatte ihn in das nächste freie Bett in der urologischen Station gelegt. Hätte man ihm die Wahl gelassen, hätte er sich wahrscheinlich trotz des Aufschlags für ein Einzelzimmer entschieden, jetzt war er froh, dass er diese Wahl nicht gehabt hatte. Er fand es angenehm, Leidensgenossen zu haben, außer ihm lagen zwei weitere Männer im Zimmer und hatten vergleichbare Probleme. Die Bettnachbarn sprachen anfangs nur zögernd über ihre Beschwerden – Männer reden nun einmal nicht gern über diese Dinge, auch nicht mit Geschlechtsgenossen. Zu seiner Linken lag ein junger Mann um die fünfundzwanzig, und Marder wunderte sich, dass ein Jüngling bereits an Nierensteinen leiden konnte. Er hieß Murat, arbeitete als Programmierer in der Software-Branche und kannte sich in den tiefsten Geheimnissen der Computer aus, was ihn in Marders Augen auf ein intellektuelles Podest hob. Das Bett des jungen Mannes war ständig von Mitgliedern seiner türkischen Familie umstellt, selbst in den Abendstunden. Wenn Murat einmal allein gelassen wurde, schob er Marder einen Teil der |45|Süßigkeiten zu, die man ihm mitgebracht hatte – er brauchte in seinem Nachtschrank Platz für die nächsten Anlieferungen.
Das Personal wechselte je nach Tageszeit. Bei der Abendvisite schaute ein Arzt nach ihm, der ihn weder in der Notfall-Station betreut hatte noch die Stoßwellentherapie vorgenommen hatte. Er kam Marder nicht so locker vor wie die anderen Ärzte, er schien an der Verantwortung für die Patienten schwerer zu tragen als die meisten seiner Kollegen. Die Krankenschwestern der neuen Generation schienen wahre Schönheiten zu sein. Vielleicht empfinde ich das nur, weil ich inzwischen ein fast alter Mann bin und mir alle junge Frauen attraktiv vorkommen, dachte Marder. Am besten gefielen ihm Schwester Johanna und Schwester Sonja, beide um die dreißig, ausgesprochen attraktiv, die mit ihren appetitlichen Formen eine unerreichbare Versuchung für einen bettlägerigen älteren Herrn darstellten. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden war, dass Sonja immer fröhlich dreinschaute, während Johanna meistens einen traurigen Eindruck machte. Auch wenn Johanna sich stets korrekt und professionell verhielt, hatte Marder den Eindruck, dass sie eine unglückliche Frau war. Das war bei ihrem blendenden Aussehen verwunderlich. Die Männerwelt würde ihr sicherlich zu Füßen liegen, und war das nicht für eine junge Frau Grund genug, glücklich zu sein? Bin doch ein Macho der alten Schule, dachte Marder. Natürlich weiß ich, dass im Leben das Aussehen nicht alles ist. Vielleicht war der Charakter von Johanna nicht so schön wie ihr Äußeres. Sie kam zur Vormittagsschicht, und Marder hatte nichts dagegen, dass sie nach dem Mittagessen nach Hause ging. Sonja kam am |46|Nachmittag und wünschte Marder abends als Letzte eine gute Nacht und schöne Träume. Er nahm sich dann vor, von ihr zu träumen, aber es gelang ihm nicht – so konnte er ruhig und erholsam schlafen.
Nachdem es am zweiten Tag nach der Operation beim Wasserlassen zweimal gekitzelt und danach leise ›klick‹ im Sieb gemacht hatte, sagte der Doktor ihm, dass er am nächsten Tag nach Hause gehen dürfe. Um sich auf das Leben in Freiheit vorzubereiten, machte Marder einen längeren Spaziergang auf dem Gang der Station, er wanderte auf und ab, auf und ab, auf und ab. Während seines Aufenthaltes war Marder bisher mit seinen eigenen Problemen zu beschäftigt gewesen, um an Anja Matuschek zu denken, von der Frau Thann gesagt hatte, dass sie vermutlich noch im Gehrdener Krankenhaus arbeitete. Nun kam sie ihm in den Sinn. Er glaubte sich zu erinnern, dass sie in der urologischen Station gearbeitet hatte, allerdings hatte er sie bisher noch nie gesehen. Vielleicht trog ihn aber auch seine Erinnerung. Als er das vierte oder fünfte Mal während seiner Wanderung am Stationsbüro vorbeikam, lächelte ihn die ältere Krankenschwester an, die offensichtlich die Chefin der Schwesternschar auf der Station war, sie tauchte nie in den Krankenzimmern auf, sondern schien stets mit administrativen Aufgaben an ihrem Schreibtisch beschäftigt. Er sprach sie an.
»Entschuldigung, wenn ich störe. Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Sie stören nicht, machen Sie sich keine Sorgen, wir sind ja für unsere Patienten da. Was möchten Sie denn wissen, Herr Marder?«
Sie kannte also seinen Namen. Das fand er bemerkenswert |47|und bestärkte seinen guten Eindruck vom Personal dieses Krankenhauses.
»Ich würde gern wissen, ob eine Anja Matuschek auf dieser Station arbeitet.«
»Die Anja, ja, die kenne ich, die hat hier gearbeitet, vor einem Vierteljahr hat sie die Versetzung auf eine andere Station beantragt. Jetzt arbeitet sie, wenn ich mich nicht irre, wieder auf der Hals-Nasen-Station, wo sie früher schon mal war.«
»Schade, ich hätte gern mal mit ihr gesprochen. Aber es ist nicht so wichtig. Ich hoffe, es geht ihr gut und bitte grüßen Sie sie von mir, wenn Sie sie sehen sollten.«
»Das mache ich gern. Ich habe Anja schon eine Weile nicht gesehen und hoffe auch, dass es ihr jetzt gut geht.«
Das jetzt hatte die Oberschwester nur so dahingesagt, sicherlich ohne sich etwas dabei zu denken, aber Marder wurde hellhörig.
»Was meinen Sie mit jetzt? Ging es ihr vorher nicht gut.«
»Wissen Sie, es steht mir eigentlich nicht zu, über meine Kolleginnen zu tratschen, aber da Sie Anja ja kennen, kann ich Ihnen sagen, dass ich mir in der letzten Zeit, in der sie hier gearbeitet hat, gelegentlich Sorgen um sie gemacht habe. Sie war nicht mehr die freundliche, ausgeglichene Person, die sie früher meistens war.«
»Meinen Sie mit letzter Zeit, die Zeit seit dem Selbstmord ihrer Mutter.«
»Ach, darüber wissen Sie auch Bescheid. Sind Sie ein Verwandter von ihr?«
»Nein. Ich war damals noch bei der Polizei und war dienstlich in die Angelegenheit verwickelt.«
|48|»Na, ich hoffe jedenfalls, Anja fängt sich wieder.«
Die Frau schob einen Stapel Papiere auf dem Schreibtisch zusammen, stand auf und zog ihren Schwesternkittel zurecht.
»So, jetzt müssen wir Schluss machen. In ein paar Minuten kommt der Chef, unser Oberarzt, zur Visite, da muss ich mich noch ein bisschen vorbereiten, und Sie sollten dann auch in ihrem Körbchen liegen, sonst gibt es einen Eintrag ins Klassenbuch.«
Iris holte ihn am nächsten Morgen erleichtert aus der Klinik ab und brachte ihn in die Pension Marianne, wo er eine ruhige Nacht und ein reichliches Frühstück genoss.
»Es tut mir leid, dass Sie ein paar Tage im Krankenhaus herumliegen mussten. Ich hoffe, es war nicht zu schlimm. Das Wichtigste ist, dass es Ihnen wieder gut geht«, tröstete ihn die freundliche Wirtin, als die Marders sich anschickten, von ihr Abschied zu nehmen.
»Ich will Ihnen die Details der Behandlung lieber ersparen, die finden Sie vielleicht unappetitlich, aber ansonsten war es auszuhalten. Ich habe das Gefühl, die Krankenschwestern werden immer jünger und schöner, aber vielleicht kommt es mir nur so vor, weil ich älter und hässlicher werde.«
Iris war gerade nicht in Hörweite, sonst hätte er von seiner Liebsten sicherlich eine Rüge für diese Bemerkung eingefangen. Schlimmer wäre es noch, wenn sie ihm zustimmen würde.
»Mir tut es natürlich leid, dass ich ein paar Tage auf Ihr köstliches Frühstück verzichten musste.«
Marder sagte auch das leise, das musste Iris nicht unbedingt mitbekommen. Sie servierte ihm zu Hause als Frühstück |49|meistens nur Vollwertmüsli. Das war gut gemeint und stellte eine gesunde Grundlage für das zweite Frühstück dar, das er im Laufe des Vormittags gelegentlich in seinem bevorzugten Stehcafé in der Stadt zu sich nahm.
»Kommen Sie doch einmal zu uns nach Stade, Frau Thann. Wenn die Pension geschlossen ist, nehmen Sie sich hoffentlich Zeit, Ihre Freunde zu besuchen.«
Frau Thann bedankte sich mit einem Lächeln, das sagte, dass sie unter Umständen auf diese Einladung zurückkommen würde, sich heute aber nicht festlegen wolle. Sie antwortete unverbindlich.
»Das wäre durchaus möglich. Wundern Sie sich nicht, wenn ich eines Tages mit drei Koffern für einen mehrwöchigen Aufenthalt vor Ihrer Haustür stehe.«
»Das meinen Sie wahrscheinlich als Drohung, ich betrachte es als Versprechen.« Das war nur eine kleine Notlüge. »Sagen Sie, im Krankenhaus bin ich nicht zum Zeitunglesen gekommen. Gibt es etwas Neues über das Messer im Wald?«
»Nicht viel. Gestern Morgen stand in der Zeitung, dass die Polizei immer noch nicht weiß, wem das Messer gehört hat oder wie es dorthin gekommen ist. Es hieß lediglich, dass die Blutspuren an dem Baumstamm, neben dem das Messer lag, definitiv von der gleichen Person sind wie das Blut an dem Messer. Allerdings seien bisher immer noch keine Personen als vermisst gemeldet worden, die als Opfer infrage kommen. Da sich trotz der Meldungen in den Medien niemand gemeldet hat, dem das Messer gehört, müsse man von einem möglichen Verbrechen ausgehen. Heute war nichts Neues in der Zeitung.«
»Vielleicht erledigt sich die Angelegenheit von ganz allein |50|und wird nie aufgeklärt werden. Das wäre für einen alten Kriminalbeamten wie mich keine Überraschung. Es gibt auf der Welt mehr Verbrechen als Täter, die dafür büßen müssen. Leider gilt das für Mörder genausogut wie für Taschendiebe.«
»Soll ich Sie auf dem Laufenden halten, wenn sich was Neues ergibt? Ich könnte Ihnen Zeitungsartikel zufaxen, so weit beherrsche ich inzwischen die moderne Kommunikationstechnik.«
Marder hob abwehrend die Hand.
»Nein, danke. Die Mühe brauchen Sie sich nicht zu machen. Ich werde gelegentlich auf die Homepage der hiesigen Lokalzeitung schauen. Man kann sich ja heute im Internet über alles informieren, was irgendwo auf der Welt geschieht.«
Sydney, der Kater mit dem Ausrufungszeichen über der Nase, registrierte die gepackten Reisetaschen im Flur und kam herbei geschlendert. Entweder bedeutete das, dass neue Gäste ankamen oder dass alte abreisten. Das Letztere war ihm lieber, dann herrschte wieder Ruhe im Haus, und Frau Thann konnte ihre Aufmerksamkeit auf ihn konzentrieren und die ihm zustehenden Mahlzeiten rechtzeitig servieren. Er stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass ein Abschied stattfand, und zeigte seine Freude darüber, indem er sein Fell an Marders Bein rieb. Marder missverstand diese Geste, er glaubte, dass die Katze seine Abreise bedauere.