Читать книгу Die Brücke, die ihr Gewicht in Gold wert war - Wolfgang Teltscher - Страница 14
ОглавлениеWo war der Mann geblieben? Er hatte gesehen, wie er zwischen die Büsche verschwunden war. Er konnte sich nicht in Luft aufgelöst haben. Etwas ging da vor. Er würde gern wissen, was es war.
Langsam öffnete er die Tür seines Autos. Den Schlüssel ließ er im Zündschloss stecken. Man konnte ja nicht wissen, ob man schnell abhauen musste. Stehlen würde den Wagen in den nächsten Minuten bestimmt niemand. Er wartete einige Sekunden, dann stieg er aus. Leise drückte er die Autotür zu. Bloß kein unnötiger Lärm. Er blieb stehen und erschrak, ein Schatten huschte über den Boden. Eine Ratte oder eine Maus. Der Mond warf für Sekunden ein diffuses Licht über den Hof, dann verkroch er sich wieder hinter einer Wolke. Er lauschte. Nichts ist zu hören. Der Mann, er war sicher, dass es ein Mann war, könnte jederzeit aus den Büschen wieder hervorkommen. Er wartete einige Atemzüge, dann bewegte er sich vorsichtig auf das Gebüsch zu. Das Licht der Taschenlampe des Mannes war nirgends zu sehen. Alles war ruhig. Ihm wurde unheimlich, seine Neugier war jedoch größer als seine Angst. Er ging zwischen die Büsche, wo er den Mann hatte verschwinden sehen. Ein Zweig wischte ihm übers Gesicht, traf ihn im Auge. Er schob ihn unwirsch zur Seite. Er wollte fluchen, traute es sich aber nicht. Beim nächsten Schritt stieß er an die Felswand. Es musste irgendwo weitergehen. Er war unsicher, was er tun sollte.
Er nahm sein Taschenmesser aus der Jacke und klappte es auf. Es war stabil und etwas größer, als ein Taschenmesser unbedingt sein müsste. Er hatte es immer bei sich. Aus Sicherheitsgründen. Sicherheit wovor? Konnte er nicht sagen, spielte keine Rolle, einfach so, wegen der Sicherheit eben. Er tastete sich an der Wand entlang. Nach links, es war ihm vorgekommen, als hätte es dort zuletzt Bewegung in den Sträuchern gegeben. Seine Hände ertasteten die Felswand. Sie war rau und feucht. Plötzlich, er griff ins Leere. Er blieb stehen. Atmete tief ein. Ganz ruhig bleiben, sagte er sich. Er ging einen Schritt weiter. In der Wand war eine Öffnung. Er konnte sie nicht sehen, nur spüren. Die Luft war anders, frischer, er fühlte einen Luftzug. Er streckte beide Hände aus, fand links und rechts Halt und machte zögernd einen Schritt in die Öffnung hinein. Der Luftzug wurde deutlicher. Er spürte es in seinem Gesicht. Es musste einen Gang in den Berg hinein geben. Vorsichtig ging er weiter. Nach drei Schritten blieb er stehen und lauschte. Ein Wassertropfen traf seine Stirn. Wie feucht es hier war. Er hielt den Atem an. Er glaubte, ein kratzendes Geräusch zu hören. Da musste jemand sein. Die Geräusche mussten von dem Mann verursacht werden, der zwischen den Büschen verschwunden war. Wieder machte er vorsichtige Schritte. Er sah einen schwachen Lichtschein nur wenige Meter vor sich. Das musste die Taschenlampe sein, die der Mann bei sich gehabt hatte. Er blieb stehen und überlegte, ob es nicht besser wäre, umzukehren. Nein, er musste herausfinden, was hier vor sich ging. Er griff sein Taschenmesser fester. Er hatte immer geahnt, dass er einmal in eine Situation geraten würde, in der er es brauchte. Vielleicht war das jetzt der Fall.