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1 „Schmutzige Geschichten“

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Schmutzige Geschichten“ würden am Hof und über die Angehörigen des Hofes verbreitet, klagte Graf Waldersee im Mai 1895.1 Gemeint waren natürlich Sexgeschichten. Von ihnen gab es viele, und einige von ihnen beschäftigten sich auch mit dem ebenso intensiven wie etwas außergewöhnlichen Sexleben des Kaisers.2 Denn der hatte nachweislich verschiedene Affären mit verschiedenen Frauen. Dass es sich dabei samt und sonders um außereheliche Verhältnisse gehandelt hat, wurde schon als anstößig angesehen. Schließlich ging es hier um Ehebruch, womit der Monarch gegen die von ihm sonst so hochgehaltenen christlich-protestantischen Moralvorstellungen verstieß. Noch mehr erregte man sich über des Kaisers Sexualpraktiken, die er mit mehreren Frauen gleichzeitig ausgeübt haben soll. Das galt schon als „schmutzig“. Jedenfalls in den auch nicht ganz sauberen Phantasien der Damen und Herren der Hofgesellschaft.

Noch schlimmer trieb es Wilhelms II. Schwager, Ernst Günther Herzog von Schleswig-Holstein, der wegen seiner zahllosen Sexgeschichten bei Hofe allgemein als „Herzog-Rammler“ bezeichnet wurde.3 Außerdem war Ernst Günther (von dem wir noch mehr hören werden) ein passionierter Puffgänger, was ebenfalls bekannt wurde. Hatte der Herzog doch einen seiner hohen Orden – ausgerechnet den vom „Schwarzen Adler“ mit der hier besonders sinnigen Inschrift suum cuique (jedem das Seine) – im Bett einer Berliner Prostituierten verloren, was diese zwar nicht ehrbare, wohl aber ehrliche Hure pflichtschuldig (die Geschichte spielte schließlich in Preußen) der Polizei gemeldet hatte.

Dabei war der Herzog von Schleswig-Holstein keineswegs der einzige, der die Dienste von Prostituierten in Anspruch nahm.4 Auch andere hohe Herren der Hofgesellschaft, darunter Bismarcks Sohn Herbert, pflegten nach feuchtfröhlichen Kneipabenden noch einen kollektiven Bordellbesuch zu machen. Dies keineswegs nur im heimatlichen Berlin, wo es mehrere Etablissements gab, die sich auf die sexuellen Bedürfnisse dieser Herren eingestellt hatten, sondern auch im Ausland und selbst bei offiziellen Staatsbesuchen etwa in Wien oder St. Petersburg, wo man (oder: Mann) selbst am helllichten Tage und damit vor fast aller Augen die entsprechenden Edelpuffs frequentierte.

Mehr oder weniger „schmutzige Geschichten“ dieser Art aus den hohen und höchsten Gesellschaftsschichten gab es wirklich viele. Sie waren auch der sensationslüsternen Öffentlichkeit bekannt, wo sie entsprechend hämisch und mit ausgesprochener Lust am sexuellen Detail kommentiert wurden. Doch im Unterschied zu den Frauen, die mit dem Verlust ihrer Keuschheit auch ihre Ehre verloren, galten die ob ihrer außerehelichen Beziehungen und sonstigen Aktivitäten bloßgestellten und skandalisierten Herren weiterhin als Ehrenmänner. Schließlich, so wurde argumentiert, hätten sie mit ihrem eigentlich unmoralischem Verhalten, nur‘ ihre Männlichkeit unter Beweis gestellt.

Skandal im Jagdschloss Grunewald

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